Smart-City icon Smart City

Werkstattbericht Was der kommunalen Digitalisierung jetzt helfen würde

Lena Sargalski
Lena Sargalski, CDO bei der Stadtverwaltung Bad Salzuflen Foto: Bad Salzuflen

Was nützt die Digitalisierung der Verwaltung, wenn Bürger:innen davon kaum etwas merken? In vielen Kommunen wird mit Engagement digitalisiert – aber ohne gemeinsamen Rahmen bleibt der Nutzen begrenzt, schreibt Lena Sargalski von der Stadtverwaltung Bad Salzulfen. Im Werkstattbericht präsentiert sie drei Hebel für gemeinsame Standards.

von Lena Sargalski

veröffentlicht am 07.05.2025

Lernen Sie den Tagesspiegel Background kennen

Sie lesen einen kostenfreien Artikel vom Tagesspiegel Background. Testen Sie jetzt unser werktägliches Entscheider-Briefing und erhalten Sie exklusive und aktuelle Hintergrundinformationen für 30 Tage kostenfrei.

Jetzt kostenfrei testen
Sie sind bereits Background-Kunde? Hier einloggen

Die kommunale Digitalisierung läuft: Prozesse werden digitalisiert, Schnittstellen geschaffen, Tools eingeführt. Ich nehme auf kommunaler Ebene derzeit ein munteres digitales Treiben wahr. Doch die Unzufriedenheit der Bürger:innen mit der digitalen Verwaltung bleibt hoch. Während Städte und Gemeinden mit viel Einsatz Fachverfahren, Formulare und Portale digitalisieren, fehlt es an dem, was den großen Unterschied machen würde: gemeinsame Standards, verbindliche Strukturen und echte Anschlussfähigkeit.

Vielfalt ohne Richtung – Warum die digitale Verwaltung ins Stolpern gerät

In Bad Salzuflen führen wir gerade eine Stadt-App ein, die Services, touristische Inhalte und die „SalzuflenCARD“ verbindet. Technisch anspruchsvoll, inhaltlich komplex – und ein Thema, das viele Städte und Gemeinden bewegt. Hier glänzt Selbstverwaltung oftmals in Reinform: 11.000 Städte, 11.000 Konzepte – und mindestens genauso viele Kommunikationsideen. Was fehlt, ist ein Fundament, das Orientierung gibt und Kapazitäten bündelt. Denn die Gefahr ist groß, dass alle viel leisten – aber niemand langfristig profitiert. Wir in Bad Salzuflen stehen vor immer denselben Fragen: Tool vom Dienstleister oder Eigenentwicklung? Zusätzliches Modul oder Neuentwicklung? Nein zu Open Source? Binden wir uns in eine Plattform ein – oder werden wir dann zu unflexibel? Und wie erklären wir Bürger:innen, dass Informationen je nach App, Portal oder Behörde unterschiedlich aussehen und funktionieren?

Die Toolfrage – ein Blumenstrauß statt Standardlösung

Natürlich sehe ich die Fortschritte bei EfA-Leistungen und im zentralen Marktplatz. Aber für eine Mittelstadt wie Bad Salzuflen sind viele relevante Onlinedienste noch nicht verfügbar – oder nicht im eigenen Bundesland. Eine belastbare Zeitplanung? Fehlanzeige. Gleichzeitig priorisieren wir kommunal Digitalisierungsmaßnahmen strategisch – samt Budgetierung und Ressourcenplanung. In der Praxis greife ich daher oft einfach zum Telefon und frage in der Nachbarstadt nach: Was nutzt ihr? Was funktioniert? Was dann entsteht, ist selten ein Standard – sondern ein bunter Blumenstrauß aus Workarounds und Insellösungen. Vielfalt, ja – aber oft ohne Wiederverwendbarkeit, Verbindlichkeit oder Aussicht auf gemeinsames Weiterentwickeln.

Dabei sind Kommunen längst bereit, sich an zentralen Vorgaben zu orientieren: Wir pflegen unsere Verwaltungsleistungen nach „LeiKa“, übermitteln sie über „XZuFi“ und machen sie in Landes- und Bundesportalen auffindbar. Auch im Tourismus gibt es gute Ansätze: Die Datenstrategie NRW sieht mit dem Data Hub NRW eine Plattform vor, auf der standardisierte, geprüfte Daten offen bereitgestellt werden. Wir liefern über ein touristisches Fachverfahren regelmäßig Inhalte ein. Aber: Die Rückintegration fehlt. Daten sind da – aber sie lassen sich nicht modular in Stadt-Apps, Chatbots oder Websites einbauen. Es fehlen offene APIs, Widgets, standardisierte Komponenten. Das Problem ist nicht der Standard – sondern das fehlende System, das Wiederverwendung überhaupt ermöglicht. Wir als Kommunen liefern – aber wir werden nicht mitgedacht.

Zugegeben, etwas zugespitzt – aber vielerorts Realität: Statt einmal einen vollwertigen Chatbot zu entwickeln und allen zur Verfügung zu stellen, beauftragt jede Kommune einen eigenen Dienstleister für eine maßgeschneiderte Einzellösung. Ressourcenbündelung? Fehlanzeige.

Wenn alle loslaufen, bevor das Fundament steht

Während der Bund sich neu konsolidiert und die Länder ihre Strukturen überarbeiten, sind wir Kommunen längst unterwegs – weil wir müssen. Dort, wo der Druck am größten ist, digitalisieren wir zuerst: Anliegenmelder, Parkausweise, Kita-Anmeldung. Aber eben jeder für sich – ohne Absicherung, ob die Lösung langfristig tragfähig ist. Gleichzeitig bröckeln unsere Grundlagen: Förderprogramme laufen aus, Fachkräfte wandern ab, kommunale Haushalte geraten unter Druck. Was heute entsteht, lässt sich morgen womöglich nicht mehr betreiben. Deshalb ist jetzt der Moment, Standards nicht als Vorschrift, sondern als Rettungsleine zu denken.

Es geht auch anders – wenn Rahmen und Kooperation stimmen. Ein Beispiel hierfür ist das seit kurzem verfügbare KI-basierte Vergabetool in NRW: Ein gemeinsamer Rahmenvertrag, einfache technische und rechtliche Integration – und vor allem echte Zusammenarbeit. Klein-, Mittel- und Großstädte tauschen sich aus, entwickeln Einführungsstrategien, organisieren Change Management und gestalten interkommunale Zusammenarbeit. Auch Netzwerke wie in OWL zeigen: Wenn wir uns kennen, entstehen Vertrauen, Wiederverwendung – und Wirkung. Zumindest auf dieser Ebene nehme ich wahr, dass der Wille für einen einheitlichen Rahmen und Standards vorhanden ist.

Dennoch müssen dringend drei wesentliche Hebel für die Zukunft der digitalen Verwaltung umgelegt werden:

  1. Verbindliche Standards mit Wirkung: Die jüngst veröffentlichte DIN SPEC 66336 und andere Leitlinien geben gute Orientierung – aber wirken nur, wenn sie verpflichtend sind. Verstöße müssen künftig sanktionsfähig sein. Die Erfahrung zeigt: Auch da, wo es klare Standards gibt, halten sich Kommunen nicht immer daran – sei es aus politischen oder organisatorischen Gründen. Aber ein Standard, der ignoriert werden kann, ist keiner.
  2. Anreize für gemeinsame Lösungen: Module wie Chatbots oder Anliegenmelder sollten zentral gepflegt und lokal nutzbar sein. Wer sie nutzt, spart Ressourcen – das sollte sich auszahlen. Denkbar wäre ein Modell, bei dem Kommunen mit nachweislich hoher Onlinequote (z. B. 25 Prozent bei Meldebescheinigungen) einen finanziellen Ausgleich für Betrieb und Weiterentwicklung erhalten. So entsteht echte Skalierung.
  3. Spürbare Vorteile für Bürger:innen: Digitalisierung muss auch nach außen wirken. Wer digital beantragt, sollte klare Mehrwerte erleben: keine Wartezeit, keine eingeschränkten Verfügbarkeiten, vielleicht sogar die gebührenfreie Zustellung oder ein Rabatt. Solange Prozesse noch nicht vollautomatisiert ablaufen, entsteht weiter Aufwand in der Kommune – auch wenn der Gang zum Amt entfällt. Wenn also Onlineleistungen angenommen werden, muss auch das honoriert werden.

Nur wenn wir diese Hebel jetzt in föderaler Zusammenarbeit umlegen, können wir verhindern, dass sich der Flickenteppich weiter ausbreitet – und stattdessen endlich an einem gemeinsamen digitalen Fundament weben.

Lena Sargalski arbeitet als Chief Digital Officer bei der Stadtverwaltung Bad Salzuflen in Ostwestfalen-Lippe. Seit Januar 2024 leitet sie kommissarisch den Stab Strategie, Innovation und Digitalisierung. Neben den Aufgabenbereichen Strategieentwicklung, interne Digitalisierung und interkommunale Zusammenarbeit liegt ein Fokus auf der aktiven Ausgestaltung des digitalen Wandels in der Stadtgesellschaft. Von ihr bisher in dieser Rubrik erschienen: Warum der Go-Live erst der Anfang ist

Lernen Sie den Tagesspiegel Background kennen

Sie lesen einen kostenfreien Artikel vom Tagesspiegel Background. Testen Sie jetzt unser werktägliches Entscheider-Briefing und erhalten Sie exklusive und aktuelle Hintergrundinformationen für 30 Tage kostenfrei.

Jetzt kostenfrei testen
Sie sind bereits Background-Kunde? Hier einloggen