Schon lange wird über eine klima- und menschenfreundlichere Gestaltung des Mobilitätssektors gesprochen. Passiert ist indes wenig. Und wo nun endlich der Aufbruch in Richtung Elektromobilität stattfindet, drohen wir durch die Fokussierung auf Privatfahrzeuge und Pkw Fehlentwicklungen der Vergangenheit zu zementieren.
Mehr E-Autos vermeiden zwar bei ausreichender Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien CO2-Emissionen, benötigen bei gleichbleibender Fahrzeugzahl aber erhebliche Ressourcen für die Herstellung und genauso viel öffentlichen Raum wie ihre fossilen Vorgänger. Zudem verhindert der Fokus auf privat und damit exklusiv genutzte Pkw innovative Alternativen zum eigenen Auto.
So sind beispielsweise E-Lastenräder stark gegenüber der Autoförderung benachteiligt, und auch faire Bedingungen für innovative Sharing-Konzepte werden erschwert, während klimaschädliche Hybrid-SUV mit Milliardenbeträgen gefördert wurden und werden. Eine neue Regierung muss daher bei der Verkehrswende andere Schwerpunkte setzen und endlich wirklich technologieoffen und halterunabhängig denken.
Wir haben 48,2 Millionen Pkw in Deutschland und damit 14 Prozent mehr als noch zehn Jahre zuvor. 164 Millionen Tonnen Treibhausgase im Verkehrssektor im Vor-Pandemie-Jahr 2019 und damit praktisch genauso viele wie noch 30 Jahre zuvor. Allein diese beiden Zahlen zeigen, dass trotz aller Verkehrswende-Debatten der Vergangenheit bislang kaum Fortschritte bei dem eigentlich allseits beschworenen Umbau unseres Mobilitätssystems erreicht worden sind.
Immerhin: Zuletzt steigen die Zulassungszahlen von Elektroautos steil an. Diese können – sofern mit echtem Ökostrom betrieben – ein wichtiger Baustein für die notwendige Emissionsreduktion im Verkehr sein und auch für eine Lärmentlastung in den Städten sorgen. Das daher erfreuliche Wachstum des Elektroautoanteils ist nicht zuletzt auf ein ambitioniertes Förderprogramm der alten Bundesregierung zurückzuführen. Auf den ersten Blick ist die Elektroautoförderung damit eine Erfolgsgeschichte, bei genauerem Hinsehen zementiert das Programm durch seinen zu engen Fokus aber bestehende Fehlentwicklungen im Verkehrssektor.
Andere Fahrzeugklassen und Nutzungsformen in den Blick nehmen
Der Abschied vom Verbrenner und der Umstieg aufs Elektroauto ist definitiv richtig und förderwürdig. Ein einfacher Antriebstausch unserer gesamten Pkw-Flotte trägt aber nichts dazu bei, unsere Städte zu entlasten, braucht erhebliche Ressourcen und verbessert auch nicht die Mobilitätsmöglichkeiten der Menschen, die sich schon heute kein eigenes Auto leisten können. Um den Fortschrittsanspruch der ja auch Innovationsprämie genannten staatlichen Kaufunterstützung wirklich einzulösen, müsste die Förderung deutlich über die Pkw-Förderung hinausgehen und sowohl andere Fahrzeugklassen als auch neue Nutzungsformen in den Blick nehmen.
Zunächst zu den Fahrzeugklassen: Der Pkw ist für viele Menschen das gewohnheitsmäßige Verkehrsmittel, nicht zuletzt, weil ein Auto in Sachen Transport sowie weitere Wege auch ungemein praktisch ist. Transportaufgaben, insbesondere in Städten, lassen sich aber inzwischen auch sehr gut mit E-Lastenrädern bewältigen, selbst viele Gewerbe setzen statt der gewohnten Transporter inzwischen auf diese Art des umweltfreundlichen Lastenverkehrs.
Und für Privathaushalte lassen sich damit nicht nur so gut wie alle im Alltag anfallenden Einkäufe erledigen, sondern auch der Kindertransport wird dank der elektrischen Unterstützung mit dem E-Lastenrad zur gut bewältigbaren und gesundheitsfördernden Aufgabe.
Für weitere Strecken bedarf es ebenfalls nicht immer eines Autos, mit E-Rollern oder anderen elektrischen Leichtfahrzeugen lässt sich selbst für mobilitätseingeschränkte Personen auch der Weg in den Nachbarort ressourcenschonend und bequem bewältigen. Müsste eine staatliche Förderung nicht genau ein solch effizientes und damit gesellschaftsdienliches Verkehrsverhalten belohnen, anstatt weiter viel Geld für die Zementierung ohnehin gewohnter Mobilitätsmuster auszugeben?
Bei einem Elektro-Kleinwagen im 24-Monatsleasing zeigt sich die aktuelle Ungleichbehandlung der Fahrzeugförderung besonders eklatant: Dabei kann der staatliche Anteil sogar über die Hälfte der gesamten Kosten für Nutzung sowie Wartung und Verschleiß ausmachen. Damit wird das Leasen eines solchen Elektroautos etwa genauso günstig wie die Miete eines elektrischen Lastenrades – eine kontraproduktive Verzerrung, die eben genau wieder auf die Autonutzung zentriert ist statt das Aufbrechen der bisherigen Mobilitätsgewohnheiten zu fördern.
Ähnliches gilt für die Nutzungsmodelle: Heute dominieren der Privatbesitz und die exklusive Nutzung von Fahrzeugen – und dies steht auch bei der bisherigen Elektroautoprämie im Vordergrund. Dabei könnte der verstärkte Einsatz von Miet- und Sharingmodellen nicht nur dafür sorgen, die Fahrzeugauslastung deutlich zu erhöhen, damit den Bestand zu reduzieren und so öffentliche Räume wieder stärker für Menschen nutzbar zu machen.
Miet- und Sharingangebote können auch Menschen den Einstieg in alternative Fahrzeugangebote, wie beispielsweise E-Lastenräder oder E-Leichtfahrzeuge, einfacher machen und damit eine immer nachhaltiger werdende Multimodalität fördern. Und nicht zuletzt ermöglichen solche Angebote durch die entfallenden Investitionskosten auch Menschen mit geringerem Einkommen die passgenaue Nutzung etwa der durchaus kostspieligen E-Lastenräder. Ein staatliches Fördersystem, das einen Wandel im Verkehrsbereich vorantreiben soll, muss daher unbedingt eben auch solche Nutzungsmodelle berücksichtigen.
Eine gut ausgestaltete Förderung gerade für Sharingkonzepte mit E-Autos aber auch insbesondere für E-Lastenräder oder anderen nachhaltige Leichtfahrzeuge hat das Potenzial, einen sich selbst verstärkenden Effekt zu entfalten und so gerade nicht zu einer Dauersubvention werden zu müssen.
Weniger private Pkw machen Sharingmodelle lohnender
Denn aktuell lohnen sich entsprechende Konzepte aufgrund hoher Anfangskosten und zunächst geringer Nutzer:innenzahlen oft noch nicht – aber je attraktiver solche Sharingangebote gestaltet werden können und je höher die Fahrzeugverfügbarkeit wird, desto leichter fällt es den Menschen, auf private Pkw zu verzichten. Und je mehr Menschen keine Pkw mehr haben, desto effizienter und lohnender funktionieren solche innovativen Mobilitätsangebote. So kann staatliches Geld sinnvoll dafür verwendet werden, einen wirklichen Wandel in der alltäglichen Mobilität vieler Menschen einzuleiten.
Das Mobilitätsförderregime muss also ganzheitlicher aufgestellt werden, wir brauchen keine Elektroauto-Kaufprämie, sondern einen Verkehrswende-Anschub. Dieser kann durchaus auch den Umstieg vom Verbrenner zum E-Pkw mitberücksichtigen, muss aber dringend auch andere Fahrzeugtypen und Nutzungskonzepte in den Blick nehmen.
Das oben genannte Beispiel, bei dem ein Elektro-Kleinwagen per Leasing über die Hälfte der Nutzungsgebühren gefördert bekommt, würde übertragen auf E-Lastenräder beispielsweise eine Förderung von ungefähr 2500 Euro bedeuten, die dann eben explizit auch für gewerbliche Weitervermieter gelten müsste. Eine neue Bundesregierung muss Gleichbehandlung bei der Fahrzeugförderung schaffen, wenn wir nicht nur einen Wechsel im Motorraum, sondern eine wirklich nachhaltiges, effizientes und innovatives Mobilitätssystem erreichen wollen.