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Verkehr & Smart Mobility

Standpunkte Green Deal Ziele im Angesicht geopolitischer Herausforderungen

Maria Tsavachidis, CEO bei EIT Urban Mobility
Maria Tsavachidis, CEO bei EIT Urban Mobility Foto: EIT Urban Mobility

Der Green Deal war die Errungenschaft der letzten Legislaturperiode im Europaparlament. Doch in Zeiten großer geopolitischer Herausforderungen drohen sich die Prioritäten zu verschieben. Dabei könnte Klimaschutz, auch für die Aufrechterhaltung unseres wirtschaftlichen Wohlstands und der öffentlichen Gesundheit sorgen – besonders in Städten.

von Maria Tsavachidis

veröffentlicht am 15.07.2024

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Nach der Wahl einer neuen EU-Spitze werden sich die neu gebildeten Arbeitsgruppen mit einem doppelten Mandat konfrontiert sehen: Sie müssen die ehrgeizigen klimapolitischen Ziele des Green Deal vorantreiben und gleichzeitig auf geopolitische Krisen wie den anhaltenden Konflikt in der Ukraine reagieren.

Die jüngsten Europawahlen haben Befürchtungen verstärkt, dass neue Machtverschiebungen im EU-Parlament den Green Deal gefährden könnten. Die Debatte über die Vereinbarkeit von Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit in Europa, insbesondere in Zeiten von Kriegen und Energieknappheit, wird immer intensiver geführt. Politische Diskurse drängen derzeit aufgrund der Krisensituation auf mehr Wirtschaftsfreundlichkeit und lassen Investitionen in nachhaltige Projekte weniger dringlich erscheinen.

Mittlerweile hat sich jedoch überparteilich die Erkenntnis durchgesetzt, dass zukünftig Klimaschutz ein entscheidender, wenn nicht der stärkste Motor für Innovation und Wirtschaftswachstum sein wird.

Emissionen im Verkehr steigen weiter

Die Weltwirtschaft befindet sich derzeit in einer neuen Ära der Industrialisierung, in der die Dekarbonisierung eine zentrale Rolle spielt. Bis 2023 werden weltweit rund 1,78 Milliarden US-Dollar in die Energiewende investiert. Klimaschutz schafft Innovationen, fördert Unternehmertum und ist der Schlüssel zu einer wettbewerbsfähigeren europäischen Wirtschaft.

Verkehr ist der einzige Wirtschaftssektor, dessen CO2-Emissionen noch immer steigen. Auf Basis des Green Deal wurden wichtige Gesetzesinitiativen und Infrastrukturplanungen geschaffen, um die Klimaneutralität des städtischen Verkehrs auf den Weg zu bringen.

Die spezifischen Bedürfnisse der einzelnen Städte und administrative Hürden machen jedoch deutlich, dass ein maßgeschneiderter Ansatz erforderlich ist. Kommunen müssen stärker unterstützt und die spezifischen städtischen Herausforderungen gezielt angegangen werden.

Regulatorischer Rahmen nötig

Die Vision für den städtischen Verkehr ist klar: Er soll sicher, effizient, bezahlbar, für jeden zugänglich und vor allem umweltfreundlich sein. Dafür müssen Hindernisse beseitigt werden, die den Menschen heute das Umsteigen aufs Fahrrad, den öffentlichen Verkehr oder Elektromobilität erschweren.

Von geschützten Fahrradwegen bis hin zu einem bedarfsorientierten und attraktiven öffentlichen Nahverkehr, der an unterschiedliche Bedürfnisse angepasst ist. Nur indem wir Mobilitätslösungen besser auf den Menschen ausrichten, können wir nachhaltiges Verhalten fördern und einfordern.

Auch regulatorische Herausforderungen müssen berücksichtigt werden. Beispielsweise steht der Fokus europäischer Automobilhersteller auf große, ressourcenintensive Elektrofahrzeuge im Widerspruch zum Bedarf der breiten Bevölkerung an kleineren, erschwinglicheren Modellen, dem knappen öffentlichen Raum der Städte und den Klimaneutralitätszielen im Allgemeinen.

Ein unterstützender politischer Rahmen, der sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite die richtigen Anreize für schafft, ist unerlässlich. Dazu gehören zum Beispiel Anreize für den schnellen Ausbau und die Standardisierung der Ladeinfrastruktur, für die Herstellung und den Kauf kleinerer, leichterer Elektrofahrzeuge, für das einfache Buchen und Bezahlen verschiedener Verkehrsmittel für eine nahtlose Mobilität von Haustür zu Haustür.

Positive Dynamik verflogen

Städte sind Vorreiter des Klimaschutzes und der Mobilitätswende. In Europa haben sich mehr als einhundert Städte dazu verpflichtet, bis 2030 klimaneutral zu werden. Zur Umsetzung ihrer ehrgeizigen Ziele brauchen sie jedoch mehr Autonomie und direkten Zugang zu Finanzmitteln, beispielsweise für den Ausbau der Fahrradinfrastruktur.

Daneben könnte eine Ausweitung der kommunalen Entscheidungskompetenzen die Mobilitätswende erheblich beschleunigen, etwa auf Maßnahmen wie die Einführung und Regulierung von Umweltzonen oder die Erhebung von innerstädtischen Straßenbenutzungsgebühren.

Während der Pandemie hat sich unsere Sichtweise auf nachhaltige Mobilität und ihren Beitrag zu lebenswerten Städten radikal verändert. Angesichts der aktuellen geopolitischen und wirtschaftlichen Herausforderungen droht diese positive Dynamik wieder verloren zu gehen.

Klimaschutz und Wohlstand verzahnen

Damit das nicht geschieht, müssen wir ein neues Narrativ für nachhaltige Mobilität finden, das im gesamten politischen und gesellschaftlichen Spektrum Unterstützung findet. Ein Narrativ, das die Mobilitätswende als Imperativ nicht nur für den Klimaschutz, sondern auch für die Aufrechterhaltung unseres wirtschaftlichen Wohlstands und der öffentlichen Gesundheit positioniert.

Trotz aller Herausforderungen kann man optimistisch auf die Entwicklung der urbanen Mobilität blicken. Wenn Kommunen, Wirtschaft und Wissenschaft weiterhin gemeinsam innovativ und entschlossen handeln, können wir sicherstellen, dass der Ausbau zu einer klimafreundlichen und besseren Mobilität in Europas Städten gelingt.

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