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Standpunkte Kommunikation ist der Schlüssel zur Mobilitätswende

Jörg Müller
Jörg Müller, Geschäftsführer der Kommunikationsagentur Lots Foto: Foto: PR

Die Verkehrswende kommt nicht in Gang – trotz neuer Angebote, trotz groß angelegter Werbekampagnen. Warum fällt es Menschen so schwer, vom eigenen Auto auf Bus, Bahn, Fahrrad oder Sharing-Dienste umzusteigen? Die Antwort liegt nicht allein im Angebot, sondern vor allem in der Kommunikation.

von Jörg Müller, Lots

veröffentlicht am 11.06.2025

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„Das Angebot ist vorhanden – wir müssen es nur richtig kommunizieren, damit die Menschen umsteigen!“ Dieser Satz fällt immer wieder in Gesprächen mit Akteur*innen der Mobilitätsbranche. Doch die Realität zeigt: Wäre es tatsächlich so einfach, hätte die Verkehrswende längst einen großen Sprung nach vorn gemacht.

Technische Innovationen und neue Mobilitätsangebote allein reichen nicht aus, um das Mobilitätsverhalten nachhaltig zu verändern. Das liegt auch daran, dass Angebote häufig so kommuniziert werden, dass sie nur kurz Aufmerksamkeit bekommen. Dabei hat Kommunikation ein so viel größeres Potenzial – wenn man den richtigen Ansatz wählt.

Verhaltensänderung ist ein stetiger Prozess

Dafür ist es zunächst unabdingbar zu wissen, wie Verhaltensänderung funktioniert und wo Kommunikation überhaupt ansetzen kann. Tief eingeprägte Routinen bestimmen unseren Alltag – und insbesondere unser Mobilitätsverhalten. Wer täglich mit dem eigenen Auto fährt, tut dies meist nicht aus rationaler Abwägung, sondern aus Gewohnheit.

Erst wenn Menschen durch emotional ansprechende Botschaften einen persönlichen Mehrwert erkennen, sind sie bereit, ihre Mobilitätsgewohnheiten zu hinterfragen und zu ändern. Doch dieser Wandel ist kein spontaner Akt, sondern ein Prozess, der in mehreren Stufen abläuft: Von der Bewusstwerdung zur Absichtsbildung, Handlung und schließlich Stabilisierung. Auf diese jeweilige individuelle Veränderungsbereitschaft müssen kommunikative Maßnahmen präzise abgestimmt werden:

  • Bewusstwerdung: Menschen müssen zunächst das Problem erkennen. Emotionale Ansprache, soziale Vergleichswerte und anschauliche Geschichten sind entscheidend, um Aufmerksamkeit zu erzeugen und den Bedarf für Veränderungen sichtbar zu machen.
  • Absichtsbildung: Ist ein Problembewusstsein vorhanden, helfen konkrete Informationen, Alternativen und Anreize dabei, die Absicht zur Veränderung zu stärken. Psychologische Instrumente wie Nudges und die Förderung der Selbstwirksamkeit spielen hier eine zentrale Rolle.
  • Handlung: Wer bereit ist zu handeln, benötigt praktische Unterstützung, um die ersten Schritte zu gehen. Probefahrten, Bonusprogramme und digitale Begleittools wie Apps können Hemmschwellen abbauen und die Umsetzung erleichtern.
  • Stabilisierung: Um nachhaltige Verhaltensänderungen zu erreichen, ist es essenziell, neue Routinen zu stabilisieren. Soziale Bestätigung, Erfolgsgeschichten und der Aufbau von Communities tragen dazu bei, dass Menschen langfristig bei neuen Mobilitätsformen bleiben.

Entscheidend für den Erfolg kommunikativer Maßnahmen ist also die präzise Kenntnis der Zielgruppen. Sprich: zu wissen, wie veränderungsbereit die adressierten Menschen sind, und wie diese besonders wirksam angesprochen werden können. Gelegentlich ist es sehr aufwändig und wenig lohnend, Menschen ein Problem bewusst zu machen.

Es kann strategisch lohnenswerter sein, gezielt diejenigen zu adressieren, die bereits die Absicht entwickeln, eine Veränderung vorzunehmen. Dabei ist das Wissen um die Ängste, Barrieren, Einstellungen, Motivationen und Lebensrealitäten der Zielgruppen ungemein wichtig und ein echter Gamechanger. Die Erhebung dieser Informationen ist der erste und unverzichtbare Schritt jeder erfolgreichen Kommunikation.

Kontinuierliche Begleitung im Prozess

Menschen benötigen nicht nur einen initialen Anstoß, sondern fortlaufende Unterstützung, Ermutigung und Rückmeldung, während sie ihre Routinen ändern und neue Wege ausprobieren. Kommunikation darf sich nicht auf singulären Kampagnen ausruhen, sondern muss die Menschen bei ihrem Veränderungsprozess aktiv über alle Stufen hinweg mit den passenden Maßnahmen begleiten.

Testen und Evaluieren sind dabei unerlässlich. Werden die Maßnahmen nicht fortlaufend überprüft, bleibt ihr Erfolg dem Zufall überlassen und Sie kommunizieren im Blindflug. Nur durch kontinuierliche Evaluation lassen sich Schwachstellen erkennen und strategische Anpassungen vornehmen. So wird Kommunikation zu einem lernenden System, das sich gemeinsam mit den Menschen weiterentwickelt und nachhaltige Wirkung entfalten kann.

Wissenschaft und Praxis erarbeiten neuen Ansatz

All diese Erkenntnisse sind wissenschaftlich fundiert und praktisch erprobt. Hervorgebracht hat sie ein von der Kommunikationsberatung Lots initiiertes Forschungsprojekt. Über sechs Monate hinweg arbeiteten Wissenschaft und Praxis im engen Dialog zusammen. Eine Peergroup aus 18 Akteur*innen der Mobilitätsbranche brachte ihre Alltagserfahrungen ein, während Forscher*innen aus Verhaltenspsychologie, Soziologie, Kommunikationswissenschaften und Mobilitätsplanung wissenschaftliche Modelle beisteuerten.

Das Ergebnis: Ein Framework, das Theorie und Praxis miteinander verschränkt – und damit erstmals eine strukturierte, praxistaugliche Anleitung für wirksame Veränderungskommunikation bietet. Das Framework umfasst vier klare Schritte: Zielgruppenanalyse, Schärfung des Veränderungsziels, Entwicklung maßgeschneiderter Maßnahmen und kontinuierliche Evaluation.

Es setzt nicht auf einmalige Impulse, sondern auf die kontinuierliche Begleitung der Zielgruppen über den gesamten Prozess hinweg. Damit unterscheidet es sich grundlegend von klassischen Kampagnenansätzen. Es eröffnet neue Perspektiven für nachhaltige Mobilitätskommunikation und zeigt ganz klar: Kommunikation ist der Schlüssel zur Verkehrswende.

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