Es hat sich viel bewegt in Richtung nachhaltiger Mobilität in Deutschland in den vergangenen Jahren: Der ÖPNV hat sich vielerorts dank Mieträdern, On-Demand-Angeboten, Carsharing und nicht zuletzt dank des Deutschlandtickets ernsthaft auf den Weg zum Mobilitätsdienstleister gemacht. Gerade hat die (alte) Bundesregierung eine Strategie für den Fußverkehr veröffentlicht, und immer mehr Städte und Landkreise schaffen (alltags-)taugliche Fahrradinfrastruktur.
Auch die verkehrspolitischen Debatten haben sich verändert. Vor zehn Jahren waren die Debatten auf den Verkehrsministerkonferenzen noch geprägt von Diskussionen über den Pkw und die Straße. Heute wird stattdessen über deutschlandweit einheitliche Tarife für den öffentlichen Verkehr, die Finanzierung des ÖPNV-Ausbaus, den Bau von Fahrradschnellwegen, die Finanzierung der Schiene, Sharing-Systeme für den ländlichen Raum und Mobilitätsgesetze gesprochen.
Und auch in Städten und Gemeinden wird heute stärker als früher erst einmal danach gefragt, welche Art Mobilität für wen notwendig ist, wie diese umweltfreundlich und für alle bezahlbar erfolgen kann, bevor anschließend passende Lösungen gesucht werden.
Das ist ein Fortschritt, den wir neben engagierten und mutigen Verkehrspolitiker:innen insbesondere auch dem Druck der Zivilgesellschaft und nicht zuletzt den unzähligen kompetenten Verkehrsplaner:innen und Mobilitätsmanager:innen verdanken, die, nicht immer offensichtlich, einen grundlegenden Perspektivwechsel vollzogen haben: weg von der technischen Sicht auf den Verkehr hin zum Blick auf die Mobilität als soziales Phänomen und die Frage, wie wir uns als mobile Menschen dabei unterstützen können, unabhängiger von fossilen Fortbewegungsarten am öffentlichen Leben teilzuhaben, wie wir letztlich mehr Wahlfreiheit für nachhaltige Mobilität schaffen.
Nachhaltige Mobilität wird auch zum Konfliktthema
Doch während einerseits der skizzierte Fortschritt vielerorts real erlebbar ist, zeigen sich scheinbar genauso deutlich gegenläufige Tendenzen, wird nachhaltige Mobilität zum Konfliktthema. Hauptsächlich dann, wenn es konkret wird, wenn Autospuren zu Busspuren und Parkstreifen zu Radwegen oder Parklets werden. Slogans wie zum Beispiel „Berlin, lass Dir das Auto nicht verbieten“ auf Wahlplakaten sind Indizien einer daraus folgenden, aus fachlicher Sicht unproduktiven Politisierung.
Und es ist zu befürchten, dass auch in den anstehenden Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene der Verkehr eines der Felder sein wird, wo (ebenso unproduktive) ideologische Grabenkämpfe ausgetragen werden. Es ist naheliegend, dass die Reizthemen Tempolimit auf Autobahnen, Neuzulassungen von Verbrenner-Pkw, Förderung von E-Autos und die Finanzierung des Deutschlandtickets die Verhandler entweder an ihre Grenzen bringen oder schnell und ohne Rücksicht auf (lokale) Verluste abgeräumt werden.
Dabei könnte Mobilität ganz anders diskutiert werden – nicht als spaltendes, sondern als integrierendes Thema. Und so wird es vielerorts auch diskutiert. Überall dort, wo die Mobilitätswende nicht als reine Planungsaufgabe verstanden wird, sondern vor allem als gesellschaftlicher Wandel, als Ergebnis produktiver Politisierung im Sinne ergebnisorientierter Aushandlungsprozesse. Überall dort, wo ein Gesamtkonzept für Mobilität erarbeitet wird, wo Beteiligung großgeschrieben wird und faire Teilhabemöglichkeiten im Mittelpunkt stehen. Überall dort, wo Mobilitätsmanagement gemacht wird.
Denn das Mobilitätsmanagement als „Lösungssuchmaschine“ für nachhaltige Mobilität setzt bei den Bedürfnissen an und ermöglicht ebensolche produktive Aushandlungsprozesse als Basis für die konkrete Umsetzung, vor der eigenen Haustür, in Land und Stadt.
Lastenräder plötzlich keine Trigger mehr
Mobilitätsmanagement wird in vielen Städten in Deutschland bereits eingesetzt. Auf der gerade zu Ende gegangenen Deutschen Konferenz für Mobilitätsmanagement sind mehr als 400 Expert:innen zusammengekommen, um miteinander zu diskutieren, wie mit Mobilitätsmanagement die Mobilitätswende konkret gemacht wird. Wie verschiedene Akteure wie Verkehrsverbünde, Verwaltung, Unternehmen, Politik, Vereine und Bürger:innen zusammengebracht werden können, um gemeinsam passgenaue Lösungen für die Mobilität der Zukunft zu entwickeln.
Und das funktioniert, das wurde auf der DECOMM 2025 eindrücklich gezeigt. Da sind Lastenräder plötzlich keine Triggerpunkte mehr, sondern willkommene Verkehrsmittel für Handwerkerinnen und Schornsteinfeger. Da werden On-Demand-Fahrzeuge als kostengünstige und komfortable Zubringer zu Bus und Bahn verstanden und geschätzt.
Da nutzen Menschen die App des regionalen Verkehrsverbunds, um sich ein Auto für den Familienausflug zu mieten oder ein Fahrrad für den Weg von der S-Bahnstation zum Ausbildungsplatz. Da bleiben Unternehmen trotz Großbaustellen auf Straße und Schiene erreichbar, weil Kommunen und Arbeitgeber Pendler:innen passende Alternativen zur Verfügung stellen.
Nun wäre es die Hoffnung, dass sich die Verhandler des Themas Verkehr für die Koalitionsverhandlungen Inspiration vom Mobilitätsmanagement holen und sich erst an eine (unideologische) Gesamtstrategie für den Sektor machen. Und dass sie danach den Ländern, Städten und Gemeinden größtmögliche Flexibilität bei der Umsetzung von Maßnahmen mithilfe des Mobilitätsmanagements lassen und sich guten Lösungen und tragfähigen Kompromissen vor Ort nicht in den Weg stellen.