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Verkehr & Smart Mobility

Standpunkte Neu denken beim Jobticket

Oliver Wittke, Vorstand Verkehrsverbund Rhein-Ruhr
Oliver Wittke, Vorstand Verkehrsverbund Rhein-Ruhr Foto: VRR/Paul Schneider

Die vergünstigte Variante des Deutschlandtickets, das Jobticket, könnte die Finanzierung des von Bund und Ländern subventionierten Fahrscheins zusätzlich stützen – sofern mehr dieser Tickets verkauft werden. Dafür muss die Politik die richtigen Weichen stellen. Doch auch die Branche sollte offen für ein neues Denken sein.

von Oliver Wittke

veröffentlicht am 17.12.2024

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Die Einführung des Deutschlandtickets ist die größte Erfolgsgeschichte des ÖPNV der vergangenen 40 Jahre. 14 Millionen verkaufte Abos mit steigender Tendenz, so viele wie nie zuvor, legen davon ein eindrucksvolles Zeugnis ab. Einfach, komfortabel, günstig, digital und bundesweit gültig: Das hat die Fahrgäste offenbar überzeugt. Rund sechs Prozent mehr Fahrgäste hat das dem ÖPNV beschert. Und es hätten noch viel mehr sein können. Dazu später mehr.

Im Verkehrsverbund Rhein-Ruhr, dem größten der Republik, nutzen 98 Prozent aller Studierenden und über 70 Prozent der Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I und II das Deutschlandticket. Rekordwerte, die in der Vergangenheit ihresgleichen suchten. Aber in einem Punkt wurde der Start des Deutschlandtickets verstolpert: Von rund drei Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern besitzen gerade einmal 128.000 an Rhein, Ruhr und Wupper das Deutschlandticket Job. Selbst wenn man die 520.000 Beschäftigten hinzuzählt, die das Ticket allein aus eigener Tasche zahlen, bleibt noch viel Luft nach oben.

Dauerhafte Finanzierungszusage gefordert

Was sind die Gründe? Hier muss zuallererst die politisch verursachte fehlende Planungssicherheit genannt werden. Auch zweieinhalb Jahre nach Einführung des Deutschlandtickets haben es Bund und Länder nicht geschafft, auch nur eine mittelfristige Finanzierung sicherzustellen. Stattdessen werden im Stil einer „Hand-in-den-Mund“-Politik in den vergangenen zwei Jahren jeweils im Herbst unter Festlegung des Preises die Finanzierung für das folgende Jahr beschlossen. Das erinnert an längst vergangene Zeiten im Sozialismus, als eine Brotpreiskommission ohne Konsultation der Bäcker die Brotpreise für das kommende Jahr festlegte.

Um das Deutschlandticket Job zur dritten Säule der Finanzierung des ÖPNV zu etablieren (neben den Fahrgasteinnahmen und den staatlichen Zuschüssen), muss die Dauerhaftigkeit des Tickets sichergestellt werden. Darum wird es eine der ersten Aufgaben einer neuen Bundesregierung und Bundestagsmehrheit sein müssen, das Deutschlandticket und seine Finanzierung im ÖPNV-Gesetz für einen längeren Zeitraum festzuschreiben.

Klar ist aber auch, dass eine Verkehrswende als Bestandteil der Energiewende allein mit der Ausfinanzierung des Status quo nicht zu erreichen sein wird. Daher bedarf es der Etablierung der oben bereits erwähnten dritten Säule der Finanzierung. Dafür bietet sich das Deutschlandticket Job an. Nur so lassen sich die notwendigen Angebotsausweitungen im ÖPNV finanzieren. In diesem Zusammenhang ist es notwendig, verbindliche Regelungen zur Einführung des Deutschlandtickets Job in umfassender Weise zu schaffen.

Öffentlicher Dienst sollte Vorreiterrolle einnehmen

Und hier kommen die Tarifparteien ins Spiel: Sie müssen künftig nicht nur über die Höhe der Löhne und die Länge der Arbeitszeit reden und entscheiden, sondern auch darüber, wie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz umweltfreundlich und CO2-reduziert erreichen können. Dass es geht, zeigt die Stadt Bochum: Seit zwei Jahren erhalten 204 Auszubildende zusätzlich zur Ausbildungsvergütung ein kostenloses Deutschlandticket Job. Und ganz nebenbei punktet die Stadt Bochum damit im Wettbewerb um die klügsten Köpfe.

Im Übrigen sollte der öffentliche Dienst eine Vorreiterrolle bei der allgemeinen Einführung des Deutschlandtickets Job einnehmen. Dazu ist es dringend notwendig, das Beamtenbesoldungsrecht zu ändern, denn Stand heute dürften Beamte ein kostenfreies Jobticket gar nicht annehmen, Tarifbeschäftigte aber schon.

Umdenken auch in der Nahverkehrsbranche

Diese einfache Änderung wäre dann ganz nebenbei auch ein Schritt in Richtung Angleichung der sehr unterschiedlichen, nicht immer nachvollziehbaren Behandlungsweise dieser zwei Beschäftigungsgruppen, von denen eine ja nicht gleicher ist als die andere, egal ob auf kommunaler, Landes- oder Bundesebene. Wohlwissend, dass die Tarifparteien über diesen Vorschlag nicht in Begeisterungsstürme verfallen werden, ist ein neues Denken hier dringend geboten.

Verkehrswende und Klimaschutz sind nicht allein politische Projekte, sondern können nur mit tatkräftiger Unterstützung der Verkehrsteilnehmer gestemmt werden. Und da ist die Gruppe der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nun einmal eine der größten.

Und eine Bemerkung zum Schluss: Neu denken muss auch die Nahverkehrsbranche. Wir brauchen hier einfach mehr Effizienz und mehr Kundenorientierung. Deshalb hat der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr in Folge der Einführung des Deutschlandtickets beschlossen, zum 1. März 2025 75 Prozent aller Tarife abzuschaffen, zum 1. Januar 2026 den Nahverkehrsverbund Niederrhein aufzulösen und zum 1. Januar 2025 die Verbandsumlage um zehn Prozentpunkte zu senken. Das gab es in Deutschland noch nie. Und seit dem 1. September 2024 erhalten nicht nur unsere Azubis, sondern alle im Team das Deutschlandticket Job. Natürlich kostenlos.

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