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Verkehr & Smart Mobility

Standpunkte Plädoyer für ehrlichen Klimaschutz im Verkehr

Caroline Tiefenbach, Referentin für Klimaschutz im Verkehr, Deutsche Umwelthilfe
Caroline Tiefenbach, Referentin für Klimaschutz im Verkehr, Deutsche Umwelthilfe Foto: DUH

Die Agrosprit-Lobby fokussiert sich auf den Verbrennungsmotor und „alternative Kraftstoffe“ als Klimaretter im Verkehr. Das ist ein Irrweg und lenkt von der überfälligen Verkehrstransformation ab.

von Caroline Tiefenbach

veröffentlicht am 20.01.2025

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Die Industrie will erwiesenen Tatsachen einer jahrzehntelangen Debatte nicht ins Auge blicken: Kraftstoffe aus Anbaupflanzen sind nicht klimafreundlich. Das wurde einmal mehr auch im Background-Standpunkt von Gerolf Bücheler, Geschäftsführer des Bundesverbands Bioenergie, in der vergangenen Woche deutlich.

Richtig ist: Im Verkehrssektor wird immer noch zu wenig CO2 eingespart. Es bedarf zusätzlicher Maßnahmen. Sich dabei auf „alternative Kraftstoffe“ zu verlassen, ist allerdings gefährlich. Es geht nicht darum, sich Alternativen zur Elektromobilität zu versperren oder Ideologien zu verfolgen. Was der Klimaschutz im Verkehr und auch die kriselnde Automobilindustrie aber dringend brauchen, ist eine klare Ausrichtung der Transformation.

Die Zeit der technologieoffenen Suche nach den besten Lösungen ist vorbei. Der batterieelektrische Antrieb ist allen Alternativen im Straßenverkehr gegenüber klar im Vorteil. Es ist nun Zeit für Technologieklarheit und das Schaffen entsprechender Rahmenbedingungen.

Agrokraftstoffe sind klima- und umweltschädlich

Kraftstoffe aus Ackerpflanzen wie Soja, Raps und Palmöl (Agro- oder „Bio“-Kraftstoffe) haben eine schlechtere Klimabilanz als fossile Kraftstoffe. Dies belegen zahlreiche wissenschaftliche Studien (der EU, internationaler Forschungsinstitute, des ifeu Instituts u.v.a.). Die Faktenlage ist schon lange klar. Dennoch wird die Agrosprit-Lobby nicht müde, das Gegenteil zu behaupten. Die Story klingt ja auch schön, der Kraftstoff hat schließlich sogar „Bio“ im Namen und offizielle Bilanzen bescheinigen erhebliche CO2-Einsparung gegenüber fossilen Kraftstoffen.

Diese Bilanzen sind allerdings unvollständig, was die zuständige Bundesanstalt in den besagten aktuellen Bilanzen selbst anmerkt. Denn sogenannte indirekte Landnutzungseffekte bleiben in der Klima-Bilanzierung unberücksichtigt.

Die Ausweitung von Anbauflächen für Agrosprit führt indirekt zur Zerstörung wertvoller Ökosysteme, wie zum Beispiel des Amazonas-Regenwalds. Hierdurch entweichen gewaltige Mengen CO2, sodass die Gesamt-CO2-Emissionen höher sind als bei fossilem Kraftstoff. Das Umweltbundesamt stuft die Förderung für Agrokraftstoffe daher bereits seit 2008 als klimaschädliche Subvention ein.

Daneben werden zur Produktion von Agrokraftstoffen riesige Mengen fossile Rohstoffe eingesetzt (absurderweise werden für Pflanzensprit in E10 ungefähr so viele Fossile verbraucht wie für fossiles Benzin selbst) sowie umweltschädliche Pestizide und Düngemittel.

Vor diesem Hintergrund weitere Anreize für Agrosprit über die THG-Quote zu setzen, würde kein weiteres Gramm CO2 im Verkehr einsparen, ganz im Gegenteil. Dass der Staat Agrosprit über die THG-Quote fördert und als CO2-Einsparungsquelle bilanziert, ist fatal. Ehrlicher Klimaschutz, der über schöne Zahlen auf dem Papier hinausgeht, bedeutet, die Förderung von Kraftstoffen vom Acker zu beenden.

Die anstehende Umsetzung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED III) bietet die Möglichkeit, den Ausstieg endlich national zu regeln. Nach unabhängigen Berechnungen können die EU-Vorgaben der RED III auch ohne Ackerkraftstoffe eingehalten werden. Apropos ehrliche Klimalösungen: Durch ein Tempolimit könnten die angeblich durch Agrosprit kompensierten zwölf Millionen Tonnen CO2 tatsächlich eingespart werden.

Auch andere „alternative“ Kraftstoffe sind Nebelkerzen

Kraftstoffe aus Reststoffen, wie häufig auch HVO, führen uns ebenfalls nicht ans Ziel. Nach Schätzungen des Umweltbundesamts sind die Mengen, die dem Verkehr nachhaltig zur Verfügung gestellt werden könnten, so gering, dass hierdurch nicht mal ein Prozent des Energiebedarfs im Verkehr gedeckt werden könnte. Der „Lösungs“-Beitrag kann schon aus diesem Grund bestenfalls minimal sein.

Außerdem sind auch diese Kraftstoffe deutlich weniger klimafreundlich, als sie scheinen. Die Bilanzen, die enorme CO2-Einsparung gegenüber fossilem Sprit ausweisen, sind auch hier irreführend. Die von Herrn Bücheler zu Recht aufgeführte Betrugsproblematik sowie Verlagerungseffekte führen dazu, dass diese Kraftstoffe durch die Hintertür ebenfalls Flächenfraß durch Ackerpflanzen befördern, mit den dargestellten katastrophalen Folgen von Agrosprit.

Die Umsetzung der RED III bietet die Möglichkeit, endlich ein verlässliches Zertifizierungssystem einzuführen und Reststoffe auf die nachhaltigen, im Inland verfügbaren Mengen zu begrenzen.

Und um auch diese Nebelkerze noch auszupusten: E-Fuels sind keine Lösung für den Straßenverkehr. Sie sind deutlich ineffizienter als Elektroantriebe. Aufgrund enormer Energieintensität und -verluste bei der Produktion, unausgereifter Technologien und hoher Kosten werden sie kaum produziert und können noch nicht mal ansatzweise den inländischen Bedarf der unverzichtbaren E-Fuel Anwendungen decken. Für den Straßenverkehr bleibt schlicht nichts übrig.

Klimaschutz nicht am Verbrenner ausrichten

Die Debatte zentriert sich immer noch viel zu stark auf den Verbrenner und wie wir diesem doch noch grünes Leben einhauchen können. Ja, wir haben eine Bestandsflotte von 49 Millionen Pkw, der überwiegende Teil hiervon Verbrenner. Und ja, Pkw werden wir weiterhin brauchen, allein schon in ländlichen Regionen. Klimaschutz im Verkehr bedeutet aber auch, dass nicht alle Pkw 1:1 durch E-Pkw ersetzt werden. Die Gesamtflotte wird abnehmen, unter anderem angetrieben durch den Ausbau von ÖPNV und Sharing-Modellen.

Für den verbleibenden Straßenverkehr ist die möglichst flächendeckende Elektrifizierung der Weg. Ja, die Zulassungszahlen für E-Fahrzeuge sind noch nicht auf dem erforderlichen Niveau. Die Lösung ist aber nicht das Verbrenner-Weiter-So, sondern die stärkere Förderung der E-Mobilität auch und gerade durch verlässliche Rahmenbedingungen.

Natürlich wird es noch eine ganze Weile Verbrenner-Fahrzeuge geben, auch bei fortschreitender Elektrifizierung. Wenn man aber nach Förderung von Agrosprit und E-Fuels für den Straßenverkehr ruft und verbreitet, dass Klimaschutz und der Verbrenner wunderbar miteinander in Einklang zu bringen sind, erreicht man vor allem Folgendes: Verunsicherung von Verbraucher*innen und Industrie und Aufschieben der unumgänglichen Transformation.

Wir verlieren Zeit und Wettbewerbsfähigkeit

Dies schadet am Ende neben dem Klimaschutz der kriselnden Automobilindustrie und gefährdet Arbeitsplätze. Nicht umsonst sprechen sich die IG Metall und auch einige Hersteller dafür aus, endlich entschieden zur E-Mobilität und den auf europäischer Ebene beschlossenen CO2-Grenzwerten für Pkw und Nutzfahrzeuge zu stehen.

Während China uns in der E-Mobilität immer weiter enteilt – womit das Land übrigens keine grüne, sondern kluge Marktpolitik verfolgt –, verlieren wir Zeit und Wettbewerbsfähigkeit mit Scheindebatten. Insofern ist sehr wohl auch die Diskussion um die Antriebsart das Problem.

Es ist allerhöchste Zeit für ein deutliches, technologieklares Bekenntnis der Politik zur Elektromobilität. Die Elektrifizierung des Verkehrs muss stärker gefördert werden, etwa durch die Fortentwicklung der Ladeinfrastruktur, bezahlbare E-Pkw und die Umrüstung der THG-Quote zu einem echten E-Mobilitätsförderinstrument. Die anstehende Umsetzung der RED III bietet in diesem Jahr die Chance, Planungssicherheit für die Industrie zu schaffen.

Zum Schluss ein Appell an die Kraftstoffbranche, ehrliche Klimalösungen auf ihrem heute beginnenden alljährlichen Kongress zu fokussieren. Die reguläre Teilnahmegebühr von 1300 Euro pro Person schließt Klima- und Umweltschutzverbände jedes Jahr aufs Neue praktisch von der Diskussion aus.

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