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Verkehr & Smart Mobility

Kaufprämien Weniger für E-Autos, keine mehr für Plug-in-Hybride

Die von der Ampel-Koalition beschlossene Reduzierung der E-Auto-Förderung wird von der Autoindustrie scharf kritisiert. Aus der Politik und von Umweltverbänden kommen hingegen Forderungen nach weitergehenden Maßnahmen.

Mortsiefer

von Henrik Mortsiefer

veröffentlicht am 27.07.2022

aktualisiert am 10.11.2022

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Die Vergangenheit habe gezeigt, dass Kaufprämien den Umstieg auf Elektromobilität beschleunigten. „Dass die Politik diese stark kürzt und PHEVs gar nicht mehr fördert, ist ein verheerendes Zeichen für die Verbraucher:innen und bremst die Transformation hin zur klimaneutralen Mobilität“, twitterte am Dienstag VDA-Präsidentin Hildegard Müller. Die Reduzierung der Prämie sei „ein heftiger Dämpfer für den Anreiz, sich ein E-Auto anzuschaffen“.

Von einer „schlechten Nachricht für den Klimaschutz“ sprach auch Reinhard Zirpel, Präsident des Verbandes der Internationalen Kraftfahrzeughersteller (VDIK). Der Markt für E-Fahrzeuge werde sich daher in Deutschland möglicherweise in den kommenden Monaten und Jahren weit weniger dynamisch entwickeln. „Das gilt umso mehr, als auch die Ladeinfrastruktur bisher keinen Anreiz für einen E-Auto-Kauf bietet“, so Zirpel.

Aus der FDP kamen weitere Forderungen nach einer stärkeren Reduzierung der Prämien: „Bald sollten die Subventionen nicht nur sinken, sondern enden“, twitterte Franziska Brandmann, Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen und FDP-Vorstandsmitglied. „Ich bin Fan von E-Mobilität und überzeugt: Diese wird sich auch durchsetzen, ohne dass die Gesellschaft jedem, der ein E-Auto kauft, mehrere tausend Euro schenkt.“

Wiebke Zimmer, stellvertretende Direktorin von Agora Verkehrswende, erklärte: „Die Bundesregierung merkt, dass sie nicht das Geld hat, um die Transformation zur Elektromobilität herbeizufördern, und kürzt die Fördermittel.“ Die Frage bleibe, wie die Regierung 15 Millionen reine Elektroautos bis 2030 auf die Straße bringen wolle. „Dafür wird sie auch an den Privilegien und Subventionen für Verbrennerfahrzeuge ansetzen müssen“, sagte Zimmer. Eine am CO2-Ausstoß orientierte Reform der Kfz-Besteuerung mit „starkem Preissignal bei der Erstzulassung“ sei dafür „die nächstbeste Wahl“ gewesen, kombiniert mit den Kaufprämien als Bonus-Malus-System beim Autokauf.

ADAC-Verkehrspräsident Gerhard Hillebrand sagte: „Eine komplette Streichung der Förderung hätte den Hochlauf der E-Mobilität massiv gefährdet, insofern ist die Einigung auf eine Fortsetzung richtig.“ Nicht hinnehmbar sei es, wenn Verbraucher, die bereits einen batterieelektrischen Pkw bestellt hätten, nun vor dem Hintergrund von Lieferschwierigkeiten deutlich weniger Förderung erhielten. Es müsse einen Bestandsschutz geben.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) erklärte am Abend, die Elektromobilität habe den Übergang in den Massenmarkt geschafft. Das Eine-Million-Ziel sei 2021 erreicht worden und in diesem Jahr werde man bereits nah an die zwei Millionen herankommen. „E-Fahrzeuge werden also immer beliebter und brauchen in absehbarer Zukunft keine staatlichen Zuschüsse mehr.“

Prämie für Plug-in-Hybride läuft Ende 2022 aus

Die staatliche Förderung für Elektroautos und Plug-in-Hybride wird im kommenden Jahr deshalb umgestellt. Die Ampel-Koalition einigte sich nach einem monatelangen Streit zwischen FDP und Grünen auf folgende Änderungen: Die Förderung für E-Autos, die weniger als 40.000 Euro kosten, sinkt ab Januar 2023 von derzeit 6000 auf 4500 Euro. Für teurere E-Autos soll es nur noch 3000 Euro (statt 5000 Euro) geben, ab einem Kaufpreis von mehr 65.000 Euro zahlt der Staat weiterhin keine Kaufprämie. 

Die Kaufprämie für aufladbare Plug-in-Hybride (PHEV), die noch einen Verbrennungsmotor an Bord haben, soll Ende 2022 ganz auslaufen. Außerdem soll die reduzierte Förderung für reine E-Autos ab 1. September 2023 nur noch an private Autokäufer ausgezahlt werden und nicht mehr für Dienst- oder Handwerkerfahrzeuge gelten. Geprüft wird aber eine Ausweitung auch auf Kleingewerbetreibende und gemeinnützige Organisationen. Offen ist, ob der Steuervorteil für Dienstwagen-PHEVs beibehalten wird, deren private Nutzung aktuell nur mit 0,5 Prozent (statt einem Prozent) des Nettolistenpreises pro Monat versteuert werden muss.

Insgesamt wird der Fördertopf deutlich kleiner. Gezahlt werden soll daraus nur so lange, bis die Fördermittel ausgegeben wurden. Das könnte Schätzungen zufolge schon im Laufe des kommenden Jahres der Fall sein. Laut Regierungskreisen stehen für die Förderung reiner E-Autos in den Jahren 2023 und 2024 ingesamt 3,4 Milliarden Euro zur Verfügung. Im Koalitionsvertrag war eine Förderung bis 2025 vereinbart worden.

Offen ist ebenfalls, ob auch der Eigenanteil der Autohersteller an den Prämien sinkt, bislang legen sie die Hälfte des Bundesanteils drauf. So können E-Autokäufer aktuell bis zu 9000 Euro Zuschuss für ihren Neuwagen bekommen. Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) ist mit den Herstellern hierzu „im Austausch“.

Über die Förderung von E-Autos hatte es Streit in der Bundesregierung gegeben. Die nun vereinbarte Neuregelung gehört zum Wirtschaftsplan für den Klima- und Transformationsfonds (KTF), den das Kabinett an diesem Mittwoch beschließen will. Finanzminister Christian Lindner (FDP) wollte die Kaufprämien abschaffen und nicht mehr aus dem EKF finanzieren. Wirtschaftsminister Robert Habeck hatte im April vorgeschlagen, zumindest die Förderung für Plug-in-Hybridautos früher als geplant Ende 2022 zu streichen. Außerdem hatten die Grünen ein Bonus-Malus-System vorgeschlagen, bei dem zugleich neue Benziner und Dieselfahrzeuge mit einer höheren Kfz-Steuer verteuert würden. FDP und SPD lehnen dies ab.

Grüne scheitern mit Malus für Verbrenner

Der nun gefundene Kompromiss weicht an weiteren Stellen von Habecks Referentenentwurf vom April ab. So hatte der Wirtschafts- und Klimaminister vorgeschlagen, die unterschiedlich hohen Fördersätze für Fahrzeuge oberhalb und unterhalb einer bestimmten Preisschwelle abzuschaffen. Auch sollte der Gesamtfahrzeugpreis (brutto, inklusive Sonderausstattung) statt des Netto-Listenpreises darüber entscheiden, ob ein Auto eine Förderung erhält oder nicht. 

Die Ampel-Koalition einigte sich jetzt zudem darauf, dass die Förderung ab Januar 2024 noch einmal reduziert wird. So soll die Förderschwelle dann auf 45.000 Euro Netto-Listenpreis sinken. Darüber wird kein Zuschuss mehr gezahlt, preiswertere Neuwagen sollen dann nur noch einen Zuschuss von 3000 Euro bekommen.

Maßgeblich für die Förderung soll auch künftig das Datum der Zulassung des Fahrzeugs sein – trotz teils sehr langer Lieferfristen. Die Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie, Hildegard Müller, warnte davor. „Durch die zusätzliche Deckelung der Förderung und den unklaren Vergabezeitpunkt droht die Prämie zu einem Glücksspiel für die Verbraucherinnen und Verbraucher zu werden“, sagte sie. Das BMWK widersprach. Für Käuferinnen und Käufer bestehe nun Planungssicherheit, „denn die Lieferzeiten der meisten Elektrofahrzeug-Modelle liegt unterhalb von zwölf Monaten“.

Insbesondere PHEVs sind für die deutschen Hersteller wichtig, weil sie als Elektroautos in die CO2-Bilanz eingerechnet werden dürfen, obwohl sie in der Praxis überwiegend mit dem Verbrennungsmotor gefahren werden. 2021 waren 26 Prozent aller in Deutschland neu zugelassenen Pkw (2,6 Millionen) mit einem Elektroantrieb ausgestattet, davon gut die Hälfte mit einem Plug-in-Hybrid-Antrieb.

Der Bund hat allein im vergangenen Jahr gut drei Milliarden Euro an Kauf- und Leasingprämien für Elektroautos ausgezahlt (Background berichtete). Dabei entfielen knapp 61 Prozent der Förderung (gut 1,87 Milliarden Euro) auf reine Elektroautos, der Rest (gut 1,2 Milliarden Euro) kam Käufern und Leasingnehmern von Plug-in-Hybriden oder Brennstoffzellenfahrzeugen (203.500 Euro) zu Gute. mit dpa

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