Eine Welt ohne Bargeld? Das ist nicht nur für Ikonen des Kapitalismus wie Dagobert Duck oder die außerirdische Spezies Ferengi aus der Serie Star Trek unvorstellbar. Der Geruch frischer Scheine, ein Bündel unter dem Kopfkissen – für viele Menschen ist der Besitz von Bargeld mehr als nur ein Notgroschen, er ist selbstverständlich.
Wie wichtig Bargeld ist, fällt manchmal erst auf, wenn die Sparkassenfiliale im Ort schließt, oder wenn ich im Supermarkt die Arbeit der freundlichen Kassenperson an einer bargeldlosen Kasse selbst übernehmen muss. Wenn ich am Parkautomaten nur noch per App zahlen kann und das Smartphone keinen Akku mehr hat oder wenn ich den Schwimmbadbesuch vorab im Internet buchen und bezahlen muss.
So entsteht eine neue Abhängigkeit von der Funktionsfähigkeit, Verlässlichkeit und Vertraulichkeit technischer Systeme. Die Deutsche Bundesbank möchte „Bargeld weiterhin als ein attraktives, verlässliches, wettbewerbsfähiges und allgemein akzeptiertes Zahlungs- und Wertaufbewahrungsmittel erhalten“ und hat dazu Themenpapiere erarbeiten lassen. Das ist gut so, denn Bargeld erfüllt in unserer Gesellschaft wichtige Funktionen und ermöglicht Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.
Bargeld ist bedeutsam für Individuum und Gesellschaft
Bargeldloses elektronisches Bezahlen mit Karte oder Smartphone stellt für zahlreiche Menschen eine wesentliche Erleichterung im Alltag dar. Es geht schnell, weil das lästige Abzählen der Münzen und Scheine entfällt, genauso wie der Gang zum Bankautomaten. Voraussetzung für diesen Komfort sind ein Bankkonto, Kreditfähigkeit und der Wille zum Einsatz. Pech für alle, die da passen müssen?
Die stetige Entwicklung zum bargeldlosen Zahlen hat auch Schattenseiten. Jede einzelne Zahlung wird von zahlreichen Dienstleistern mitverfolgt und gespeichert. In Summe liefert das Zahlungsverhalten umfassende Auskünfte zu den Gewohnheiten und Umständen der nutzenden Person. Beim Zahlen mit Bargeld hingegen braucht es keine Zusagen der Dienstleister, sorgsam und fair mit den gesammelten Informationen umzugehen. Denn Bargeld lässt sich nicht im Detail zurückverfolgen.
Beim Erhalt barer Zahlungsmöglichkeiten geht es nicht nur um die Befindlichkeiten einzelner Personen. Die Funktion des Bargelds, Bezahlvorgänge anonym – also ohne Preisgabe personenbezogener Daten – durchzuführen, ist nur ein Aspekt, der jedoch sowohl für das Individuum als auch für die Gesellschaft bedeutsam ist. Anonymität entsteht durch eine weitreichende Nutzung und Verfügbarkeit. Die Möglichkeit, Bargeld bei allen Alltagsgeschäften als Zahlungsmittel zu verwenden, stellt in einer freiheitlichen Demokratie einen hohen Wert dar. Im Gegensatz dazu ermöglichen elektronische (Zahlungs-)Spuren Überwachung und Profiling.
Kontrollverlust und Beeinflussbarkeit
Inzwischen wissen wir, dass Profiling und der darauf aufbauende Handel mit Informationen demokratiegefährdende Ausmaße erreicht. Die Dichte der Überwachung – vom Surfen im Internet über die Parkraumüberwachung vor dem Supermarkt bis zur Zahlung an der Kasse – ist in ihrer Gesamtheit problematisch und führt dazu, dass kaum ein Schritt im Leben unbeobachtet bleibt. Die allgegenwärtige Weitergabe von Daten und deren Analyse werden wirtschaftlich, politisch und in der Kriegsführung zur Beeinflussung genutzt.
So zeigen aktuell die Angebote auf dem Berliner Datenmarktplatz „Datarade“, über den Milliarden Standortdaten verkauft werden, dass nicht nur die Betroffenen jegliche Kontrolle verlieren und sich ein Missbrauch durch Regulierung kaum verhindern lässt. Das räumte auch das Bundesministerium für Verbraucherschutz (BMUV) jüngst in einer Stellungnahme bei Netzpolitik.org ein. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits im Volkszählungsurteil deutlich gemacht, dass ein solches Szenario in einem freiheitlichen, demokratischen Rechtsstaat nicht akzeptabel ist.
Bargeld als wichtiges Tauschmittel
Ein weiterer bedeutsamer Aspekt von Bargeld ist, dass es eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht. Die Star-Trek-Welt der nächsten Generation, in der Kapitän Jean-Luc Picard erklärt, Geld sei abgeschafft, weil die Welt ihrer infantilen Phase entwachsen sei, schließt ein, dass Hunger, Gier und die Notwendigkeit von Eigentum überwunden wurden. Solange wir aber in einer kapitalistischen – dem Anspruch nach sozialen – Marktwirtschaft verharren, bleibt Bargeld gerade für Menschen, denen die Teilhabe in vielen gesellschaftlichen Bereichen sonst verwehrt würde, ein wichtiges physikalisches Tauschmittel.
So wie die Möglichkeiten zum bargeldlosen Bezahlen zunehmen, so sinken auch die Möglichkeiten der Bargeldversorgung. Letztlich entsteht ein Zwang, elektronische Zahlungsmittel zu nutzen. Dieser Zwang führt bei vielen Menschen zu einer Einschränkung im Alltag – bargeldloses Bezahlen ist für sie unerwünscht oder wird als Hürde wahrgenommen. Auch für routinierte Nutzende von Karte und Smartphone stellt sich ein Problem ein, wenn diese gehackt oder gestohlen werden.
Dass die Versorgung mit Bargeld immer knapper wird, liegt nicht nur an der schwindenden Zahl von Sparkassen und Banken und deren Geldautomaten. Mit dem Wachsen des Internethandels gehen die Angebote vor Ort zurück. Denn wer kann, kauft im Internet und zahlt elektronisch. Zwar bietet so mancher Supermarkt mittlerweile die Auszahlung von Bargeld bei Kartenzahlung an. Doch auch hierbei bestehen Einschränkungen. Wer das möchte, muss mit einer Bankkarte zahlen und vorher für einen Mindestbetrag eingekauft haben.
Bargeld zählt zur Daseinsvorsorge
Aufgabe des Staates ist es, den Zugang zu Bargeld im Rahmen der Daseinsvorsorge sicherzustellen. Erfüllen Banken und Sparkassen ihre Aufgaben der Bargeldversorgung der Bevölkerung nicht mehr und können sie nicht stärker in die Pflicht genommen werden, so muss der Staat selbst Geldautomaten aufstellen. Gemeindezentren oder Bibliotheken würden sich dafür anbieten und gleichzeitig einen Zugang zu digitalen Diensten insgesamt gewährleisten.
Was unter Effizienzgesichtspunkten bei Banken und Unternehmen die Kosten senkt, erhöht die Kosten im Sozial- und Sicherheitsbereich. Nicht nur für ältere Menschen ist ein Leben in der digitalen Welt schwierig. Der Kontakt beim Austausch von Bargeld stellt eine wichtige Begegnung im Alltag dar. Wird Geld nur noch als Buchgeld auf dem Konto elektronisch verwaltet, gewährt dies den digital affinen Menschen einen Vorteil und führt zu mehr Ungleichheit, die das soziale Gefüge weiter destabilisieren kann.
Die Initiative der Bundesbank liefert eine wichtige Argumentationshilfe, warum Bargeld im Alltag weiterhin eine große Rolle spielen und überall angenommen werden sollte.
Kirsten Bock, Referentin für Datenschutzrecht bei der Stiftung Datenschutz, hat am Projekt „Bargeld der Zukunft – Ein gesellschaftlicher Dialog" der Deutschen Bundesbank mitgewirkt. Ihre Argumentation zu datenschutzrechtlichen Aspekten des Bargelds ist in das Themenpapier „Bargeld erhalten – für persönliche und gesellschaftliche Resilienz sowie Autonomie“ eingeflossen.