Schnellere Prüfung, kürzere Verwaltungsgerichtsverfahren und sofort bauen – auf den ersten Blick erscheint der Entwurf von Verkehrsminister Andreas Scheuer zum Investitionsbeschleunigungsgesetz durchweg positiv. Er basiert auf einem Beschluss des Koalitionsausschusses und wurde gestern vom Kabinett verabschiedet. Künftig sollen dadurch Genehmigungs- und Planungsverfahren im Infrastrukturbereich beschleunigt und damit noch in dieser Legislaturperiode möglich gemacht werden. Die Krux des Ganzen: Rechenzentren und andere Betreiber digitaler Infrastrukturen profitieren hiervon leider gar nicht. Während der Koalitionsausschuss noch im März dieses Jahres auch für den Ausbau digitaler Infrastrukturen eine „Investitionsoffensive“ und beschleunigte Verfahren angekündigt hatte, fehlt in dem nun beschlossenen Gesetzentwurf davon jede Spur.
Zwar verspricht das Papier eine deutliche Verbesserung hinsichtlich der Elektrifizierung und Digitalisierung von Bahnstrecken und Schienenwegen – doch findet der so dringend benötigte Ausbau digitaler Infrastrukturen keine Beachtung. Damit deckt der jetzige Gesetzentwurf nur einen sehr isolierten Teilbereich ab, während die Bedeutung digitaler Infrastrukturen vollständig ausgeklammert bleibt.
Wettbewerbsnachteil gegenüber anderen Ländern
Dies ist besonders misslich, da vor allem Betreiber von Rechenzentren aktuell mit langwierigen Genehmigungs- und Planungsverfahren zu kämpfen haben. Das betrifft insbesondere die Antrags- und Genehmigungsprozesse für Neubauten, Änderungen und Modernisierungen: Im Schnitt dauert ein solches Genehmigungsverfahren etwa ein halbes Jahr, hinzu kommt dann noch eine zusätzliche Vorbereitungszeit von etwa drei Monaten. Ein deutlicher Nachteil im Vergleich zu vielen Ländern in Europa, Asien oder den USA, wo ein Rechenzentrum in nur wenigen Monaten geplant, gebaut und in Betrieb genommen werden kann. Um im internationalen Wettbewerb nicht abgehängt zu werden, muss Deutschland hier also deutlich schneller werden. Gleichzeitig ist der Leitgedanke der deutschen EU-Ratspräsidentschaft, Europa technisch und digital zu stärken, im jetzigen Gesetzentwurf kaum angemessen gewürdigt worden.
Für solche ambitionierten Ziele wie die Stärkung digitaler Leistungsfähigkeit in Deutschland und Europa sind entsprechende Nachbesserungen nötig – dann hoffentlich im parlamentarischen Verfahren. Für dieses Ziel setzt sich auch die 2018 unter dem Dach des eco - Verbands der Internetwirtschaft gegründete Allianz zur Stärkung digitaler Infrastrukturen in Deutschland ein.
Lösungen im Schulterschluss zwischen Bund, Ländern und Gemeinden
So fordert die aus wichtigen Vertretern der Branche bestehende Initiative seit jeher, dass die Bundesregierung eine konsistente Strategie für den Ausbau digitaler Infrastrukturen erarbeitet und die langwierigen Verwaltungsprozesse für Rechenzentren effizienter gestaltet. Um dem zunehmenden Bedarf sowie dem schnellen Wachstum der digitalen Wirtschaft gerecht zu werden, sollten Bund, Länder und Kommunen bestenfalls im Schulterschluss Lösungen für die Anbieter und Betreiber von digitalen Infrastrukturen finden. Das Investitionsbeschleunigungsgesetz hätte solch ein Vorstoß werden und bundesweit bürokratische Hemmnisse abbauen können. Mit ihrem Gesetzentwurf hat die Bundesregierung jedoch diese wichtige Chance vorerst vertan.
Mit dem Kabinettsbeschluss des Investitionsbeschleunigungsgesetzes will das Bundesverkehrsministerium auch klimafreundliche Mobilität mit auf den Weg bringen – ein weiteres positives Signal. Doch auch hier spielt die digitale Infrastruktur eine ganz entscheidende Rolle: Für vernetzte Mobilitätskonzepte zur Treibhausgasreduktion müssen zunächst leistungsstarke und flächendeckende IT-Lösungen und digitale Infrastrukturen geschaffen werden. Welche Möglichkeiten gerade Rechenzentren für eine nachhaltige Digitalisierung in Deutschland und Europa bereithalten, hat erst jüngst eine vom eco Verband und borderstep mit Unterstützung des Vodafone Instituts veröffentlichte Studie gezeigt.
Nicht zuletzt hat auch die Coronakrise die Bedeutung digitaler Infrastrukturen auf Wirtschaft und Gesellschaft verdeutlicht: Infrastruktur muss auch digital gedacht werden. Folglich sollte die Bundesregierung auch in diesen wichtigen Teilbereich investieren und Verwaltungsprozesse deutlich verschlanken. Schneller prüfen und sofort bauen lautet ab sofort das Credo für die Schiene – warum nicht auch für digitale Infrastrukturen?
Béla Waldhauser ist Sprecher der unter dem Dach des eco Verbands gegründeten Allianz zur Stärkung digitaler Infrastrukturen in Deutschland und Chief Executive Officer der Telehouse Deutschland GmbH.