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Standpunkte Ein echt unabhängiges Gremium für Facebook

Foto: Daniel Biskup (Hansjörg Durz)

Die Pläne von Facebook, ein Aufsichtsgremium für die Löschung von Hasskommentaren zu etablieren, gehen dem CSU-Bundestagsabgeordneten Hansjörg Durz nicht weit genug. Er fordert ein öffentlich legitimiertes Gremium zur Kontrolle von sozialen Medien.

von Hansjörg Durz

veröffentlicht am 02.08.2019

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Facebook möchte ein Aufsichtsgremium etablieren, das über die Löschung von Hasskommentaren entscheidet. Nach derzeitigen Plänen entzieht sich dieses „Oversight Board for Content Decisions“ jedoch öffentlicher Kontrolle. Die ist jedoch notwendig, um einem solchen Gremium die notwendige Legitimität zu verleihen.

„Reguliert das Internet!“ So war ein Artikel von Facebook-Chef Mark Zuckerberg betitelt, der Ende März unter anderem in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ erschien. Dass sich das Unternehmen nach den Äußerungen von Zuckerberg und jüngst in Berlin von Nick Clegg nun darum bemühen will, bei der Aufarbeitung der gesellschaftlichen Folgen seines eigenen Produktes mitzuwirken, ist zu begrüßen. Noch vor nicht allzu langer Zeit hat Facebook jede Verantwortung für den Inhalt der Social-Media-Plattform zurückgewiesen. Eine Haltung, die noch nie wirklich überzeugte. Denn wer öffentlichen Diskursraum schafft, ist für diesen auch verantwortlich. Insbesondere, wenn es einer der reichweitenstärksten Diskursräume ist, die die Menschheit je gesehen hat.

Facebooks Vorschlag für ein Aufsichtsgremium, das durch seine Arbeit auch Leitlinien des Sagbaren setzen soll, klingt zunächst plausibel. Eine Definition dessen, was juristisch unzulässige Äußerungen sind, haben wir in Deutschland jedoch längst: das Strafgesetzbuch. Auch Gremien zur Festsetzung solcher Regeln existieren bereits. Man nennt sie Parlamente. Die Auslegung dieser Regeln übernehmen Gerichte.

Der Großteil wird von Algorithmen gelöscht

Welche Inhalte im Netz innerhalb von 24 Stunden gelöscht werden müssen, regelt auf nationaler Ebene das Netzwerkdurchsetzungsgesetz und auf europäischer Ebene ein freiwilliger Verhaltenskodex. Beide Regelungen fußen auf den Vorgaben des Strafgesetzbuches.

Um diesen Vorgaben gerecht zu werden, unterhält Facebook wie andere Unternehmen auch ein Team zur Überprüfung und Löschung von Nutzerinhalten. Der Großteil wird jedoch von Algorithmen gelöscht. Dabei bleibt der Löschvorgang für betroffene Nutzer intransparent. Denn eine unabhängige Überprüfung der Löschpraxis besteht nicht. Allenfalls beim Unternehmen selbst kann sich beschwert werden. Damit sind Unternehmen wie Facebook sowohl im exekutiven als auch judikativen Rahmen für die Bekämpfung von illegaler Hassrede verantwortlich. Ein unabhängiges Gremium kann diese Machtballung aufbrechen.

Die Idee einer Schiedsstelle ist im Grundsatz bedenkenswert, da es in der Löschpraxis immer Grenzfälle und Fehler geben wird. Schließlich ist Sprache sensibel und der Grat zwischen einer rechtswidrigen Beleidigung und Satire mitunter sehr schmal. Doch in einer Demokratie zählt jede Stimme – bei Wahlen, aber auch im öffentlichen Diskurs. Deshalb muss jeder das Recht haben, von unabhängiger Stelle gehört zu werden, bevor sein Beitrag aus dem öffentlichen Diskursraum verschwindet.

Ein Gremium, das Argumente beider Seiten prüft

Gerichtsverfahren sind jedoch in diesem Fall zu langatmig. Eine Löschung beziehungsweise Freischaltung eines Nutzerbeitrages mit jahrelangen Gerichtsprozessen zu erzwingen, ist angesichts der Geschwindigkeit der Kommunikation in sozialen Netzwerken nicht praktikabel.

Deshalb benötigt es eine alternative Form der Streitbeilegung: ein öffentlich legitimiertes Gremium, an das sich Nutzer wenden können, wenn sie mit der Löschpraxis eines sozialen Netzwerkes nicht einverstanden sind. Das Gremium nimmt die Rolle eines Mediators ein, prüft Argumente beider Seiten und trifft innerhalb einer kurzen Zeitspanne eine Entscheidung. Diese ist solange bindend, wie kein gerichtliches Urteil über diesen Fall gesprochen wurde. Der Rechtsweg bleibt somit selbstverständlich stets offen.

Um die Entwicklung einer europäischen Öffentlichkeit zu stärken, wäre eine Etablierung einer solchen Institution auf EU-Ebene sinnvoll. Ein globales Gremium, wie Facebook es vorschlägt, bleibt aber utopisch. Denn schon auf europäischer Ebene wird es schwierig genug, die strafrechtlichen Regelungen entsprechend anzugleichen. Weit weniger utopisch wäre allerdings die Finanzierung einer solchen Institution durch die Betreiber von sozialen Medien – als Teil der „Betriebskosten“ ihres Produktes.

Zum Schluss bleibt festzuhalten, dass ein solches Aufsichtsgremium kein Allheilmittel für die Etablierung eines angemessenen Umgangstons im Netz ist. Denn das Strafrecht in Deutschland vermittelt den Nutzern weder Medien- noch Sozialkompetenz. Und auch Filterblasen lassen sich damit nur schwerlich durchbrechen. Hierzu sind weitere Ideen zu entwickeln, die einen konstruktiven, demokratischen Diskursraum im Netz gestalten.

Der CSU-Bundestagsabgeordnete Hansjörg Durz ist stellvertretender Vorsitzender im Ausschuss Digitale Agenda, digitalpolitischer Sprecher der CSU im Bundestag sowie Mitglied der Enquete-Kommission Künstliche Intelligenz.

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