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Standpunkte T für Transformation: Wie wir gut aus der Krise kommen

Robert D. Atkinson, Präsident der Information Technology and Innovation Foundation
Robert D. Atkinson, Präsident der Information Technology and Innovation Foundation Foto: ITIF

Konjunkturpakete für die Zeit nach der Coronakrise müssen transformativ sein, ist Robert D. Atkinson überzeugt. Der Gründer und Präsident des US-Think-Tanks ITIF skizziert, wie Regierungen den aktuellen Anlass nutzen können, um resiliente, inklusive und nachhaltige Volkswirtschaften und Gesellschaften zu gestalten.

von Robert D. Atkinson

veröffentlicht am 12.06.2020

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Als Reaktion auf die durch Covid-19 verursachte Wirtschaftskrise gelten öffentliche Investitionen als ein probates Mittel für den Wiederaufschwung. In der Vergangenheit hatten Regierungen bei ihren fiskalpolitischen Maßnahmen drei Ziele: Dass diese rechtzeitig (timely) getroffen werden – beispielsweise, um noch während der wirtschaftlichen Rezession zu wirken–, zielgerichtet (targeted) erfolgen, also mit hohen Multiplikationseffekten, und vorübergehend (temporary) sind, also auslaufen, wenn die Krise überwunden ist.

Von bloßer Rettung zu neuer Normalität

Genauso wichtig wie diese drei Prinzipien ist allerdings die Frage, ob nicht zumindest einige Maßnahmen auch transformativ sein können; das heißt, ob sie Investitionen ermöglichen, die noch lange, nachdem sie ihre ursprüngliche Funktion erfüllt haben – Nachfrage und Arbeitsplätze zu schaffen –, auch Wachstum und Innovationen antreiben können. Zudem ist offen, ob Covid-19 ein seltenes Jahrhundertereignis bleiben wird oder die Neue Normalität einläutet. Daher sollten Politikerinnen und Politiker die Gelegenheit nutzen, die Wirtschaft so zu gestalten, dass sie in Zukunft robuster gegen lange und weitreichende Kontaktsperren ist.

Das bedeutet, dass Regierungen vorrangig Maßnahmen ergreifen sollten, die zwei Zwecken dienen: der Umwandlung bestehender Systeme, insbesondere durch Informations- und Kommunikationstechnologie, und der Stärkung wirtschaftlicher Resilienz und der Fähigkeit, Pandemien zu bewältigen.

Neue Technologien für einen resilienten Arbeitsmarkt

Die Covid-19-Pandemie hat eine enorme Kluft gerissen, zwischen Arbeiten, die mit wenig oder gar keinem Körperkontakt erledigt werden können, und Arbeiten, für die das nicht gilt. Viele der ArbeitnehmerInnen, auf die Ersteres zutrifft, können von zu Hause aus arbeiten. Dagegen sind viele der Menschen auf den zweitgenannten Arbeitsplätzen entweder erwerbslos oder haben ein höheres Risiko, an Covid-19 zu erkranken. Durch verstärkte Automatisierung können mehr Arbeitsplätze in die erstgenannte Kategorie verlagert und eine insgesamt höhere und sicherere Beschäftigung erreicht werden. Möglich sind unter anderem: automatisierte Bestellungen und Bedienung in Restaurants; Automatisierungen im Einzelhandel, zum Beispiel durch Bodenreinigungsroboter; autonome mobile Maschinen in Warenlagern; automatisierte Lieferketten; sowie autonom fahrende Taxis, Lastwagen und Güterzüge.

Regierungen können diese Entwicklungen auf verschiedene Weise vorantreiben, zum Beispiel durch kompetitiv ausgeschriebene Zuschüsse für experimentelle Unternehmen, durch höhere Mittel für Forschungszentren, die an der nächsten Robotergeneration arbeiten und durch vorübergehende Steueranreize für Unternehmen, die automatisierte Systeme einführen. Und selbstverständlich sollten die Regierungen parallel dazu verbesserte Umschulungs- und Weiter- beziehungsweise Qualifizierungsmöglichkeiten für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer schaffen.

Konjunkturpaket setzt an richtigen Stellen an

Die Bundesregierung hat gerade ein zukunftsweisendes Konjunkturpaket angekündigt, welches ein „Zukunftspaket“ in Höhe von 50 Milliarden Euro enthält. Das ist deshalb so wichtig, weil Regierungen eine Schlüsselrolle dabei spielen, den universellen Zugang zu digitaler Infrastruktur zu gewährleisten und die Entwicklung und Einführung von Technologien der nächsten Generation zu fördern. Das Paket enthält richtigerweise die Finanzierung einer angemessenen Breitbandversorgung in allen und vor allem auch ländlichen Regionen, damit Menschen von zu Hause aus arbeiten und studieren können und die Beschleunigung des Ausbaus von 5G-Mobilfunknetzen, insbesondere bei sogenannten weißen Flecken, also dort, wo der Ausbau nicht wirtschaftlich ist. Es scheint, dass die Bundesregierung mit ihrem Konjunkturpaket richtigerweise auch die Gelegenheit nutzt, in digitale Infrastrukturen der nächsten Generation zu investieren, wie zum Beispiel in sichere elektronische Identifizierungsmöglichkeiten, elektronische Patientenakten und den Einsatz von Smart-City-Technologie.

Und schließlich bietet die aktuelle Situation die Chance, alle Regierungs- und Verwaltungsebenen zu digitalisieren, was nicht nur die Modernisierung veralteter Systeme einschließt, sondern auch Technologien wie Künstliche Intelligenz, Open Data, Cloud Computing, robotergestützte Prozessautomatisierung, mobile Systeme und offene APIs. Das Konjunkturpaket sieht vor eine Reihe dieser Bereiche zu finanzieren.

Gaia-X: Lieber lassen

Obwohl das geplante Paket der Bundesregierung größtenteils eine mutige und zukunftsorientierte Initiative zu sein scheint, würde der genannte „Aufbau einer souveränen Infrastruktur” ein unliebsames Vorhaben darstellen. Wahrscheinlich ist damit nämlich die Unterstützung des „Gaia-X“-Projekts gemeint, welches im Geiste des Merkantilismus des 19. Jahrhunderts eine weltweit führende US-Cloud ersetzen soll. Das Investitionspaket sollte an dieser Stelle vielmehr an der Förderung von IT-Innovation in Deutschland festhalten und technisch-nationalistische Bemühungen der chinesischen Regierung überlassen.

Innovationen für saubere Energie als Schlüssel für jeden Green Deal

Was ist mit der Green Economy? Viele haben einen „Green Deal“ als Kernstück europäischer Konjunkturmaßnahmen gefordert. Allerdings besteht der einzige Weg zur Lösung der Klimakrise darin, weltweit den Ausstoß von Treibhausgasen zu stoppen. Viele der Instrumente eines Green Deal würden aber lediglich Europa helfen, Emissionen zu reduzieren und nicht der ganzen Welt. Solange kohlenstoffarme Energie für den Großteil des weltweiten Bedarfs nicht billiger als kohlenstoffreiche Energie ist, werden die globalen Emissionen nur wenig sinken. Darum sollte sich jeder Green Deal zuallererst auf Innovationen im Bereich der regenerativen Energieerzeugung konzentrieren – nicht nur auf den Einsatz zwar bestehender, aber teurerer Technologien.

Covid-19 hat der Welt schreckliche gesundheitliche und wirtschaftliche Kosten auferlegt. Aber wenn die Regierungen mit klugen Investitionen in Technologie und Innovation antworten, können sie dazu beitragen, ihre Volkswirtschaften zu transformieren und Gesellschaften fit für die Zukunft zu machen.

Robert D. Atkinson ist Präsident der Information Technology and Innovation Foundation (ITIF). Mit einem umfassenden Hintergrund in der Technologiepolitik hat er Forschungsprojekte zu Technologie und Innovation durchgeführt und ist ein geschätzter Berater der politischen Entscheidungsträger in den USA. 

Atkinson hält kommenden Dienstag ab 17.15 Uhr die Keynote beim Online-Workshop „#Tech4Society– New Technologies and the Economy“ des Progressiven Zentrums. Der Workshop ist Teil des einwöchigen und internationalen Progressive Governance Digital Summit 2020 und kann im Livestream der Konferenz nach Anmeldung mitverfolgt werden.

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