Digitalisierung-KI icon

Digitalisierung & KI

Standpunkte Warum die Gründung eines globalen Datenobservatoriums gerade jetzt nötig ist

Georges-Simon Ulrich, Vorsitzender der UNO-Statistikkommission und Johannes Jüttig, Exekutivdirektor von PARIS21
Georges-Simon Ulrich, Vorsitzender der UNO-Statistikkommission und Johannes Jüttig, Exekutivdirektor von PARIS21

Ein UNO-geführtes Datenobservatorium könnte den Zugang zu hochwertigen Daten demokratisieren. Es würde Transparenz fördern, Monopole aufbrechen und digitale Souveränität stärken. Die Schweiz dient als Vorbild.

von Georges-Simon Ulrich und Johannes Jütting

veröffentlicht am 06.02.2025

Lernen Sie den Tagesspiegel Background kennen

Sie lesen einen kostenfreien Artikel vom Tagesspiegel Background. Testen Sie jetzt unser werktägliches Entscheider-Briefing und erhalten Sie exklusive und aktuelle Hintergrundinformationen für 30 Tage kostenfrei.

Jetzt kostenfrei testen
Sie sind bereits Background-Kunde? Hier einloggen

Die aktuellen geopolitischen Entwicklungen verdeutlichen, dass die Welt dringend einheitliche Strukturen für den Umgang mit Daten benötigt. Die Dominanz weniger Technologiekonzerne über die globale Datenlandschaft, die Verbreitung von Desinformation und die ungleiche Verteilung des Zugangs zu qualitativ hochwertigen Informationen bedrohen nicht nur unsere Demokratien, sondern auch die soziale und wirtschaftliche Stabilität.

Oft wird argumentiert, dass Soziale Medien direkt das Wählerverhalten beeinflussen können, doch neue wissenschaftliche Erkenntnisse bezweifeln das und sehen stattdessen eher den ungleichen Zugang zu qualitativ hochwertigen Informationen und Daten als Problem. Vor diesem Hintergrund wird die Forderung nach einem globalen vertrauenswürdigen Datenobservatorium (Trusted Data Observatory) zu einer Notwendigkeit, das die Datenherrschaft nicht zentralisiert, sondern mit demokratischen Mechanismen die Daten sichtbar und allgemein verfügbar macht.

Das Datenchaos und seine Konsequenzen

Die COVID-19-Pandemie hat gezeigt, wie kritisch hochwertige Daten für fundierte Entscheidungen sind – Daten können Leben retten oder gefährden. Dennoch bleibt der Zugang zu vertrauenswürdigen Daten fragmentiert und oft monopolisiert, insbesondere Personendaten werden kaum in Wert gesetzt. Die globale Informationsflut wird von mächtigen Akteuren kontrolliert, die wirtschaftliche und politische Entscheidungen beeinflussen, während sich die Bürger:innen in einem Meer aus Falschinformationen verlieren.

Die Lösung liegt in der Schaffung eines globalen Rahmens für die Sichtbarkeit interoperabler Daten, der Standards für Qualität, Zugang und Verlässlichkeit definiert. Dabei sind vor allem Daten der Regierungen und nicht nur Textdaten wie bei Social Media gemeint.

Ein Datenobservatorium als zentrale Lösung

Ein globales Datenobservatorium, das Metadaten – also die Beschreibung von Daten – zentral sichtbar macht, könnte den Zugang zu hochwertigen Daten demokratisieren. Die Schweiz hat mit ihrer eigenen föderalen Struktur und der Harmonisierung von Datenströmen eine Blaupause geliefert, wie so etwas gelingen kann. Ähnlich wie die Schweiz ihre 26 Kantone erfolgreich integriert, könnte ein globales Datenobservatorium die Zusammenarbeit zwischen souveränen Staaten und Regionen wie der EU und Deutschland fördern. Durch harmonisierte Standards würden digitale Souveränität gestärkt und gleichzeitig globale Synergien geschaffen.

Die Schweiz hat mit ihrer Suchmaschine, I14Y genannt, bewiesen, dass eine koordinierte Herangehensweise an die Harmonisierung von Daten und Standards möglich ist. Dabei steht das Auffinden interoperabler Daten im Mittelpunkt, um verschiedene Systeme miteinander kompatibel zu machen, ohne deren Unabhängigkeit zu beeinträchtigen. Dieser Ansatz ist nicht nur die Voraussetzung für das Umsetzen des Once-Only-Prinzips, vor allem ist es die Basis, etwa um über Data-Mesh-Ansätze nachzudenken. Dieser Ansatz ist übertragbar auf internationale Kooperationen, insbesondere durch eine Institution wie die UNO.

Ergebnisse der Studie „Trusted Data Observatory“

Das Schweizer Bundesamt für Statistik hat in Zusammenarbeit mit dem Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten in einer umfassenden Studie gezeigt, wie ein „Trusted Data Observatory“ nicht nur Transparenz und Vertrauen fördern, sondern auch ein Katalysator für Innovation sein kann. Der Bericht betont die Bedeutung von Metadaten, die den Ursprung, die Qualität und die Zugänglichkeit von Datensätzen dokumentieren. Das Observatorium könnte weltweit als eine Art Katalog fungieren, der es Nutzer:innen ermöglicht, Daten verlässlich zu identifizieren und zu nutzen. Die Studie wurde letzte Woche mit sehr großem Interesse der Öffentlichkeit im Rahmen des World Economic Forums in Davos vorgestellt.

Ein weiteres Beispiel für die Effektivität internationaler Standards ist das „System of National Accounts“ (SNA) der UN. Dieses Regelwerk für Wirtschaftsdaten gewährleistet seit Jahrzehnten Transparenz und Vergleichbarkeit zwischen Ländern. Der wohl bekannteste Indikator, welcher aus diesem System gewonnen wird, ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP). Im März dieses Jahres wird die UNO-Statistikkommission die Revision dieses Systems verabschieden. Ähnliche Mechanismen könnten genutzt werden, um die digitale Zukunft zu gestalten, beispielsweise durch einheitliche Standards für die Verwendung und den Austausch von Daten.

Herausforderungen und Chancen

Die Monopolisierung der Datenlandschaft durch globale Technologiekonzerne stellt eine der größten Herausforderungen unserer Zeit dar. Sie bedroht die digitale Souveränität von Staaten, insbesondere diejenigen des globalen Südens, die oft keinen Zugang zu globalem Wissen und Technologien haben. Ein globales Datenobservatorium könnte nicht nur die Machtverteilung ausgleichen, sondern auch sicherstellen, dass Daten als öffentliches Gut behandelt werden – zugänglich, transparent und vertrauenswürdig.

Ein globales, vertrauenswürdiges Datenobservatorium ist keine Zukunftsvision, sondern eine Notwendigkeit. Die UNO, die bereits über langjährige Erfahrung in der Schaffung internationaler Standards verfügt, ist der ideale Akteur, um diese Initiative voranzutreiben. Die Schweiz mit ihrer föderalen Struktur und ihrem Erfolg im Bereich der Dateninteroperabilität kann als Vorbild dienen, wie souveräne Einheiten effektiv zusammenarbeiten können. ECOSOC hat diese Notwendigkeit bereits 2022 erkannt und die UNO-Statistikkommission beauftragt, für die Datensysteme der UNO verantwortlich zu sein.

Die Dringlichkeit, jetzt zu handeln, könnte nicht größer sein. Nur durch globale Kooperation und klare Governance können wir die Herausforderungen der digitalen Ära bewältigen und eine gerechte, demokratische und nachhaltige Informationslandschaft schaffen.

Prof. Georges-Simon Ulrich ist Vorsitzender der UNO-Statistikkommission, Chefstatistiker und Datasteward der Schweiz im Bundesamt für Statistik und Professor für Forschungsmethoden und strategisches Management an der Hochschule für Wirtschaft Zürich.

Prof. Johannes Jütting ist Exekutivdirektor von „PARIS21“ (Partnership in Statistics for Development in the 21st Century), einer globalen Partnerschaft mit Sitz bei der OECD, die eine bessere Nutzung und Produktion von Daten in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen fördert.

Lernen Sie den Tagesspiegel Background kennen

Sie lesen einen kostenfreien Artikel vom Tagesspiegel Background. Testen Sie jetzt unser werktägliches Entscheider-Briefing und erhalten Sie exklusive und aktuelle Hintergrundinformationen für 30 Tage kostenfrei.

Jetzt kostenfrei testen
Sie sind bereits Background-Kunde? Hier einloggen