Kontrollverlust und Suchterscheinungen bei Jugendlichen, Desinformation und Cybermobbing sowie ein anhaltend schwaches Pisa-Ranking: Jeder zehnte Jugendliche in Europa hat Probleme, seine Social-Media-Nutzung zu kontrollieren, meldet die Weltgesundheitsorganisation (WHO). 61 Prozent der Jugendlichen in Deutschland zwischen 14 und 17 Jahren hatten schon einmal als Opfer, Täter oder Mitwisser Erfahrungen mit Cybermobbing, berichtet eine aktuelle Studie der Krankenkasse „Barmer“. Und die Pisa-Studie 2022 schloss: Kinder, die in der Schule das Smartphone abschalten, haben bessere Noten.
Die Diskussion um die Handynutzung von Kindern und Jugendlichen hat aktuell wieder an Fahrt gewonnen. Sie ist berechtigt und wir müssen sie weiterhin intensiv führen. Als Mutter kenne ich – wie Millionen anderer Eltern – die Herausforderung: In welchem Alter ist das erste Handy angemessen? Wie viel Bildschirmzeit ist vertretbar? Wie schütze ich mein Kind vor Cybermobbing und gefährlichen Übergriffen von Erwachsenen? Fragen und Sorgen, die viele von uns schon beschäftigt haben.
Viele Schulen verbieten Smartphones
Ohne Zweifel haben Smartphones und Tablets in den Händen von Kleinkindern nichts verloren. „Bildschirmfrei bis 3“ fordert der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ). Zahlreiche Studien bestätigen, dass digitale Medien die Entwicklung von Sprache, Motorik und sozialen Fähigkeiten bei Kleinkindern beeinträchtigen.
Wie sieht es mit älteren Kindern und Jugendlichen aus? Genauso wie sie gelernt haben, mit Messer und Gabel umzugehen, ohne sich und andere zu verletzen, müssen Kinder den Umgang mit digitalen Medien lernen. Aktuell wird in vielen Ländern der Welt ein umfassendes Handyverbot an Schulen diskutiert. Die Forderung: Schülerinnen und Schüler dürfen ihr privates Smartphone auf dem Schulgelände nicht nutzen. An 59 Prozent der weiterführenden Schulen in Deutschland gilt ein solches allgemeines Handyverbot schon jetzt.
Kinder müssen souveränen Umgang mit digitalen Medien lernen
Ein solches Handyverbot in Schulen greift aber zu kurz. Das Verbot behandelt Symptome, nicht die Ursache. Junge Menschen müssen lernen, verantwortungsvoll mit digitalen Medien umzugehen. Eine Studie des Lehrstuhls für Sozialpädagogik der Universität Augsburg hat zahlreiche europäische Forschungspapiere dazu ausgewertet, wie Jugendliche digitale Medien nutzen.
Die Ergebnisse sind eindeutig: Ein Verbot von privaten Smartphones an Schulen ist nur sinnvoll, wenn Fachkräfte es pädagogisch begleiten. Wir müssen jungen Menschen die Fähigkeiten vermitteln, die sie in unserer digitalisierten Welt benötigen. Das bedeutet auch mit kritischen Situationen umzugehen, mit denen sie so oder so im Alltag konfrontiert werden. Nicht nur im Elternhaus, sondern auch in der Schule können und sollen Kinder den souveränen und verantwortungsvollen Umgang mit digitalen Medien lernen: Was teile ich? Was ist wahr, was nicht? Was ist Desinformation? Und wie erkenne ich ungesunde Nutzungsmuster? Was ist ein schlechter Witz und wo fängt Cybermobbing an?
Unternehmen geben Hilfestellung in einer komplexen digitalen Welt
Die Telekommunikationsanbieter übernehmen hier Verantwortung, schließlich stellen sie überhaupt erst den technischen Zugang zu digitalen Inhalten bereit. Seit 2018 ist O2 Telefónica Teil der Corporate Digital Responsibility (CDR)-Initiative des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz. Die Mitglieder verpflichten sich zu einer menschen- und werteorientierten Digitalisierung.
Beim Digitalgipfel 2024 der Bundesregierung, der kürzlich stattfand, berichteten und diskutierten Mitglieder der Initiative darüber, wie Unternehmen, Politik und Zivilgesellschaft Verantwortung übernehmen können. Mit Partnern wie dem Deutschen Kinderhilfswerk, der Cybermobbing-Hilfe und der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM) engagiert sich unser Unternehmen dafür, aufzuklären und präventiv zu handeln. Die Initiative „Wake Up“ ist ein Gemeinschaftsprojekt der FSM, O2 Telefónica und weiteren Partnern. Sie sensibilisiert Jugendliche und Eltern für einen kompetenten, sicheren und verantwortungsvollen Umgang im Netz. Sie berät und informiert zum Beispiel in Workshops, auf Informationsveranstaltungen und über Unterrichtsmaterialien Jugendliche über Herausforderungen wie Desinformation, Hassrede und Cybermobbing.
In den vergangenen Jahren hat die Initiative über diese Formate viele Tausend Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte und Eltern erreicht. Es gibt viele unternehmerische und ehrenamtliche Projekte, um junge Menschen in einer komplexen digitalen Welt zu unterstützen. Das Ziel: Lücken im Erfahrungsschatz Heranwachsender zu schließen.
Medienkompetenz gehört in den Lehrplan
Es ist wichtig, dass Kinder und Jugendliche früh lernen, die Wirkung digitaler Medien zu verstehen und mit ihnen umzugehen. Medienkompetenz und der Umgang mit digitalem Zugang zu Wissen gehören heutzutage genauso in den Lehrplan wie Lesen, Schreiben und Rechnen. Unsere Jugend wächst in einer digitalen Welt auf. Und das ist gut so. Die Digitalisierung kann – richtig verstanden und genutzt – unser Leben einfacher, sicherer und nachhaltiger machen. Das gelingt aber nur, wenn wir Verantwortung übernehmen und den europäischen Wertekanon – Freiheit, Sicherheit, Rechtsstaatlichkeit – tief in der digitalen Welt verankern. Und damit kann man nie früh genug beginnen.
Valentina Daiber ist Vorständin Recht und Corporate Affairs von O2 Telefónica. In dieser Funktion verantwortet sie die Bereiche Recht, Compliance, Corporate Security und Datenschutz sowie die Regulierungsarbeit des Unternehmens, die Beziehungen zu Behörden und Regierungsstellen und den Bereich Corporate Responsibility & Sustainability. Zudem führt sie die Hauptstadtrepräsentanz von Telefónica und das Basecamp in Berlin.