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Digitalisierung & KI

Standpunkte Wie die digitale Transformation in Unternehmen gelingt

Urs M. Krämer, CEO in Deutschland und Österreich bei Sopra Steria
Urs M. Krämer, CEO in Deutschland und Österreich bei Sopra Steria Foto: Sopra Steria

Zu langsam, zu schwerfällig, zu unflexibel? Um die Herausforderungen der Digitalisierung zu bewältigen, suchen viele Unternehmen ihr Heil in der Umstrukturierung ihrer Organisation. Doch bevor wir also das nächste große Change-Projekt in Angriff nehmen, sollten wir uns intensiv mit dem Kommunikationsverhalten der handelnden Personen beschäftigten, schreibt Urs M. Krämer von Sopra Steria.

von Urs M. Krämer

veröffentlicht am 13.09.2021

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Zwei von drei Entscheidern stehen aktuell unter großem Druck, sich organisatorisch zu verändern. Getrieben durch die Digitalisierung der eigenen Prozesse und veränderte Kundenerwartungen wollen sich Unternehmen wie Verwaltungen für die Zukunft dringend schneller, flexibler und vorausschauender aufstellen. Allein – auch das macht die „Potenzialanalyse Organisation x.0“ von Sopra Steria und dem F.A.Z.-Institut deutlich – den Königsweg dahin gibt es nicht. Auch Konzepte wie Agilität, Selbstorganisation oder Hierarchieabbau sind letztlich kein Patentrezept für den Wandel.

Wenn flache Hierarchien zum Bottleneck werden

Beispiel Hierarchieabbau: Was bei der pauschalen Forderung nach weniger Hierarchie gern vergessen wird: Klassisch aufgebaute Unternehmen sind gut geölte Effizienzmaschinen, die mit wenig Reibungsverlusten punkten können. Umgekehrt helfen flache Hierarchien auch nicht, wenn dazwischen eine dicke Lehmschicht sitzt. Auch ist Hierarchieabbau keinesfalls ein Garant für schnellere Entscheidungen. Im Gegenteil: Werden Entscheidungsebenen abgebaut, wird die verbleibende Ebene schnell zum Bottleneck, weil sie schlicht nicht mehr hinterher kommt.

Wenn autonome Teams neue Silos bilden

Beispiel Selbstorganisation: Durch mehr Autonomie für einzelne Einheiten und mehr Eigenverantwortung für jeden Mitarbeiter wollen sich viele Konzerne in innovative Start-ups verwandeln. Die Idee ist verlockend. Doch in der Realität schlummert eben nicht in jedem Mitarbeiter ein kleiner Unternehmer, der nur darauf wartet, geweckt zu werden. Und die Auslagerung von Aktivitäten in autonome Teams hat auch schon dazu geführt, dass diese sich allzu weit vom Mutterschiff entfernt haben. Da entstehen dann häufig genau die Silos, die man an anderen Stellen unbedingt aufbrechen will.

Beispiel Agilität: Kaum ein Konzern, der nicht schon mit agilen Methoden experimentiert hat; und vor allem Finanzinstitute suchen ihr Heil in groß angelegten Change-Projekten, in der Hoffnung, die gesamte Organisation zu ‚agilisieren‘. Allerdings ist längst nicht bewiesen, dass Agilität wirklich als Allzweck-Waffe taugt – dafür mangelt es allein schon an der Messbarkeit.

Wenn Software zur Quelle der Wertschöpfung wird

Ich bin davon überzeugt, dass es in größeren Organisationen auch in Zukunft ein Nebeneinander verschiedener Geschwindigkeiten und Kulturen geben wird. Soll die Reaktionsfähigkeit der gesamten Organisation verbessert werden, bringt es kaum etwas, wenn einzelne Teams möglichst agil arbeiten. Es geht vielmehr darum, „Agilität zu optimieren“, also die Prozesse und Interaktionen so auszusteuern, dass das Gesamtsystem profitiert. Das gilt ganz besonders dort, wo Software jetzt zunehmend zur Quelle der Wertschöpfung wird. Zu beobachten ist diese Entwicklung gerade in der Automobilindustrie. Hier prallen eine ingenieursgetriebene Kultur und lange Entwicklungszyklen auf ein „agiles Mindset“ und das Arbeiten in kurzen Sprints. Entscheidend ist, dafür zu sorgen, dass die verschiedenen Welten nicht aneinander vorbei agieren oder sich gar gegenseitig lähmen.

Wenn wir jetzt verstärkt – und unter Druck – über die Neuausrichtung von Organisationen nachdenken, sollten wir weniger auf Strukturen starren, sondern vor allem die Schnittstellen ins Visier nehmen. Die entscheidenden Erfolgsfaktoren sind Durchlässigkeit und Transparenz, denn wir dürfen eine Organisation nicht als festgeschriebenes Framework begreifen. Das Gegenteil ist richtig: Eine kluge Organisation liefert das Regelwerk für Veränderung und die Basis für Innovationen. Hier ist die Führung gefragt. Sie muss sich intensiv mit ihren Teams und Prozessen auseinandersetzen. Eine Führungskraft, die nicht in den Maschinenraum hinabsteigt, hat schon verloren. Nur so kann sie erfahren, was wirklich in ihrem Unternehmen vor sich geht und ein Vorbild für alle anderen Beschäftigten sein, es ihr gleichzutun. Standard-Rezepte gibt es natürlich nicht. Jede Organisation ist einzigartig, gemeinsam haben sie alle jedoch Beschäftigte, die mitgenommen und verstanden werden wollen. Scheitern Unternehmen daran, wird es eng. Denn schon Conway wusste: Die Ergebnisse einer Organisation sind niemals besser als deren Kommunikation.

Urs M. Krämer ist seit Februar 2019 im Konzernvorstand der Sopra Steria Gruppe. Sopra Steria ist eine Management- und Technologieberatung mit 46.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in fast 30 Ländern.

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