Digitalisierung-KI icon

Digitalisierung & KI

Standpunkte Wir brauchen einen Neun-Punkte-Plan für neue Zukunftslust!

Dennis-Kenji Kipker und Michael Littger vom Cyberintelligence Institute
Dennis-Kenji Kipker und Michael Littger vom Cyberintelligence Institute Foto: CII

Die Zeit ist reif für ein Bundesministerium für Digitale Transformation und Künstliche Intelligenz, das die Selbstblockade in zentralen Politikfeldern aufbricht und eine Digital Government Governance initiiert, die sich an internationalen Erfahrungen orientiert. Dabei kann sie selbst zur Blaupause modernen Regierungshandels werden. Dennis-Kenji Kipker und Michael Littger mit einem Vorschlag, in den Überlegungen aus Verbänden und Expertenkreisen eingeflossen sind.

von Dennis-Kenji Kipker und Michael Littger

veröffentlicht am 28.02.2025

Lernen Sie den Tagesspiegel Background kennen

Sie lesen einen kostenfreien Artikel vom Tagesspiegel Background. Testen Sie jetzt unser werktägliches Entscheider-Briefing und erhalten Sie exklusive und aktuelle Hintergrundinformationen für 30 Tage kostenfrei.

Jetzt kostenfrei testen
Sie sind bereits Background-Kunde? Hier einloggen

Die Herausforderungen 2025 sind dringlich: Während der geopolitische Umbruch eine neue Selbstverortung Deutschlands und Europas in der Welt verlangt, dulden die technologischen, industrie- und klimapolitischen Fragen der Gegenwart keinen weiteren Aufschub. Sie erfordern nicht weniger als die Neuerfindung effizienter Regierungsarbeit. Es geht um ein neues Grundverständnis staatlichen Handelns, das die Potenziale in Wirtschaft, Gesellschaft und Wissenschaft entfalten kann, Vertrauen zurückgewinnt und international zum inspirierenden Vorbild avanciert.

Die Gestaltung dieser Anforderungen erfordert Klarheit in den Zielen sowie praktikable Ansätze für ihre kraftvolle Umsetzung. In diesem Spannungsfeld eröffnet ein neues Bundesministerium Gestaltungsräume, das sich auf digitale Aufgabenfelder der Transformation fokussiert. Mit neuen Strukturen und Arbeitsmethoden werden die Grundlagen einer Digital Government Governance geschaffen, die auf weitere staatliche Ressorts und Einrichtungen ausstrahlt.

Transformationsministerium als Zugpferd neuen Regierungshandelns

Die Einrichtung eines Bundesministeriums für digitale Transformation und Künstliche Intelligenz (BMDK) bewirkt einen doppelten Befreiungsschlag zur neuen Legislaturperiode. Einerseits ermöglicht ein solches Ministerium, zentrale Politikbereiche zu bündeln und Synergien für eine Digitalpolitik „aus einem Guss“ freizusetzen. Andererseits schafft es einen Steuerungsraum für digitalkohärentes Regierungshandeln, der über alle Ressorts hinweg wirken kann.

Die Erfahrungen der vergangenen Legislaturperioden zeigen die Notwendigkeit, digitale Aufgabenfelder zu bündeln, um politische Führungsstärke in der digitalen Transformation zu zeigen. Maßstab für einen neuen Zuschnitt sind Hebelwirkung und Synergien, die durch ihre Verortung in einem einzigen Ressort freigesetzt werden – sie betreffen fünf Politikfelder:

  1. Das Aufgabenfeld Digitalpolitische Grundsätze knüpft an ein übergeordnetes Zielbild zur Digital- und Transformationspolitik der künftigen Bundesregierung an und entwickelt daraus verbindliche Leitlinien und Ziele. Es umfasst auch europäische und internationale Digitalpolitik und ihre Vertretung in den relevanten Gremien. Als Ausweis neuer Transparenz digitalen Regierungshandelns werden die Fortschritte über ein öffentlich einsehbares Dashboard nachgehalten.
  2. Das Aufgabenfeld KI, Plattformen und Dienste übersetzt Politikziele in konkrete Vorhaben und Projekte. Im Fokus stehen der Ausbau von KI-Ökosystemen, Kapazitätssteigerung von Netzinfrastrukturen und Rechenzentren sowie die Verfügbarkeit von Datenbeständen und -räumen sowie digitale Wirtschaftsinitiativen für KMU und Start-ups. Ihre Erfolge hängen mit der Wettbewerbspolitik zusammen, die ebenfalls sinnvollerweise in diesem Feld angesiedelt sein sollte.
  3. Das Aufgabenfeld der Verwaltungsdigitalisierung stellt einen Ankerpunkt in der Transformationsagenda des BMDK dar: Im Fokus steht die Etablierung von digitalen Identitäten, die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes, die Einführung einer öffentlichen Cloud unter Einbeziehung von KI als Standard für die Bundesverwaltung. Mit Blick auf die Zuständigkeiten der Länder für die Landesverwaltung wird das BMDK über die Digitalagentur als Umsetzungstreiber Angebote bereitstellen.
  4. Das Aufgabenfeld Digitale Souveränität für digitales Vertrauen, Cybersicherheit und Resilienz gestaltet die Rahmenbedingungen entlang der politischen Zielvorgaben in Abstimmung mit Nationalem Sicherheitsrat und sowie mit Sicherheit befassten Ressorts. Die Verortung des Datenschutzes bringt hohe Eingriffsschwellen mit den Anforderungen steigender Datenverarbeitung in Ausgleich. Eine Verzahnung mit der Forschungsförderung zu sicheren Wertschöpfungsketten und Quantentechnologie stärkt dieses Mandat zusätzlich.
  5. Das neue Aufgabenfeld der Digitalkompetenzen verantwortet die Förderung digitaler Kompetenzen außerhalb des formalen Bildungssystems, um Resilienz, Vertrauen und digitale Teilhabe der Menschen im unmittelbaren privaten und beruflichen Lebensalltag zu stärken. Dieser Bereich ergänzt die schulischen und beruflichen Aus- und Fortbildungssysteme durch den Aufbau bundesweiter Unterstützerstrukturen.

Digitalkohärentes Regierungshandeln aus einem Guss

Mit dem Aufgabenbereich Digitales Regierungshandeln wird der Steuerungsraum für die künftige Digital Government Governance (DGG) geschaffen, der die ressortübergreifende IT-Konsolidierung verantwortet sowie konkrete Befugnisse für kohärentes Regierungshandeln ausübt. Das bedeutet:

  • Die Konsolidierung der IT auf Bundesebene im Zuge gemeinsamer Plattformen und Dienste (TechStacks) wird in dieser ressortübergreifenden Verantwortung zum BMDK verlagert.
  • Um Regierungsvorhaben mit Digitalbezug einer verbesserten Steuerung zu unterwerfen, erhält das BMDK ein Set an neuen Koordinationsbefugnissen, insbesondere einen robusten Digitalcheck im Hinblick auf Infrastrukturen, Technik, Plattform und Cybersicherheit.
  • Die Koordination agilen Verwaltungsmanagements fördert die bedarfsbezogene Zusammenarbeit fachübergreifender Teams und Task Forces auch in Krisensituationen und entlastet von wiederkehrenden Aufgaben im Bereich der Legistik, Budgets, Technik und Vertragswesen.
  • Die Konzentration auf Kernbereiche des ministeriellen Handelns fördert schlanke Strukturen, zugleich erhöht es die Anforderungen eines strategischen Aufsichts- und Beteiligungsmanagements von Behörden und Agenturen.

Digitalagentur zur Umsetzung politischer Leitvorgaben

Eine Digitalagentur stärkt die Handlungsfähigkeit des BMDK. Ihre Strukturen sollten an internationalen Erfahrungen wie in Großbritannien und Schweden anknüpfen. Die Digitalagentur organisiert die ministerielle Vorhaben. Im Rahmen der Verwaltungsmodernisierung und IT-Konsolidierung des Bundes stellt sie Infrastrukturen, Plattformen und Dienste anhand vorgegebener Standards für IT-Architekturen und Sicherheit bereit, denen eine ressortintern- und übergreifende Verbindlichkeit zukommt (Digitalcheck). Im Verhältnis zu den Bundesländern fungiert die Digitalagentur als Umsetzungstreiber, der in Abstimmung mit IT-Planungsrat und Fitko Angebote bundeseinheitlicher Lösungen initiiert und zur Akzeptanz von Standards beiträgt. Bewährte Trägerschaften wie Gov Digital werden eingebunden.

Die Digitalagentur konsolidiert zudem die zersplitterten Fachaufsichten für Regulierungs- und Umsetzungsakte der Europäischen Union (EU). Auch die Aufsicht über Agenturen und Behörden erfährt im Zuge der Umressortierung eine Konsolidierung unter dem Dach des BMDK. Initiativen wie die Sprind, der Govtech-Campus und das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) sollten durch eine erweiterte Governance mit dem BMDK verbunden werden.

Budgetzuweisung und neue Wirtschaftskooperation

Das BMDK erfordert ein eigenständiges Budget im Einzelplan des Bundeshaushalts, das sich auf Einzelprojekte des Ministeriums sowie Querschnittsprojekte erstreckt. Die Querschnittsfinanzierung bestärkt andere Ressorts in der Umsetzung digitaler Vorhaben. Angesichts begrenzter Haushaltsmittel befördern Transformationsfonds als Finanzierungsinstrument Initiativen von Unternehmen. Diese Fonds werden auf Sonderthemen wie Netzinfrastrukturen, KI-Rechenzentren oder Kompetenzförderungen zugeschnitten, um zusätzliche Handlungsräume schaffen.

Als Ausdruck einer neuen Transformationskultur erfordert die Verzahnung von Zielvorgaben und ergebnisorientierter Umsetzung eine moderne Projekt- und Arbeitssteuerung. Die Gesamtaufsicht der Steuerungserfolge liegt beim Chief Digital Officer (CDO), der zum regelmäßigen Erfahrungsaustausch aller Ressorts einlädt. Prozessinnovation, Wirkmessung und Ergebniskultur anhand klarer Leistungskennzahlen und Zeitpläne stehen im Fokus. Zielvereinbarungen sowie neue Formen der Beurteilungssysteme wie auch 360-Grad-Befragungen begründen neue Formen der Würdigung von Engagement. Mehr Entscheidungskompetenzen auf Fachebene, die durch KI unterstützt werden, stärken die Leitungsbereitschaft.

Neue Formen der Personalgewinnung und -förderung

Mit Blick auf den Umzug bereits bestehender Referate und Abteilungen in das BMDK sollten alle Mitarbeitenden mit dem Anforderungsprofil vertraut gemacht werden und Möglichkeiten zu Feedback und Präferenzen eingeholt werden. Um darüber hinaus hervorragende Persönlichkeiten für die Besetzung neu geschaffener Stellen im BMDK zu gewinnen, sollte allen öffentlichen Bediensteten der Bundesverwaltung die Möglichkeit zum Wechsel gegeben werden.

Um die Attraktivität als Arbeitgeber zu bewahren, sollten Fach- und Führungspositionen grundsätzlich auch extern ausgeschrieben und neue Suchräume für Stellenbesetzung erschlossen werden. Anstelle der Überarbeitung des tarifären Gehaltssystems, wie vielfach gefordert wird, sollten die Vorteile herausgestellt werden, an der Schnittstelle eines Bundesministeriums zu wirken, das sich der transformativen Neuaufstellung dieses Landes verschrieben hat.

Um das BMDK von Beginn an mit einem starken Mandat zu betrauen, sollte die Eckpunkte eines digitaltransformativen Zielbilds im Regierungsvertrag (Koalitionsvertrag) festgelegt werden, auf das sich alle Beteiligten verständigen. Aus dem Zielbild können in der Folge die Leitlinien der Legislatur zügig entwickelt werden, um die Arbeit des BMDK mit weiteren Ressorts auf den Weg zu bringen. Je klarer das Zielbild im Koalitionsvertrag, desto schlagkräftiger die Umsetzung.

100-Tage-Countown zum BMDK

Für eine schnelle Wirksamkeit sollte ein 100-Tageplan zu Grunde gelegt werden, innerhalb dessen die Funktionsfähigkeiten des BMDK im Wesentlichen erreicht wird. Der Fokus sollte auf drei Arbeitsthemen gelegt werden: Erstens, die zügige Identifikation und Ausschreibung vakanter Positionen mit einem Fokus auf herausgehobene Anforderungsprofile, zweitens, die Definition neuer Arbeits- und Steuerungsprozesse für die agilen Projektarbeiten der Fachbereiche einschließlich Schulungsvorkehrungen, sowie drittens, die fachliche Entwicklung der leitenden Grundsätze und Leitlinien des BMDK aus dem übergeordneten Zielbild zur Digital- und Transformationspolitik. Analog wird der Fokus auf die schnelle Arbeitsfähigkeit der Digitalagentur gelegt.

Michael Littger ist Strategiedirektor des Cyberintelligence Institute (CII), Dennis-Kenji Kipker ist Professor für IT-Sicherheitsrecht und Wissenschaftlicher Direktor des CII. Der Beitrag entstammt einem CII-Whitepaper zur Positionierung einer transformativen Digitalpolitik für die 21. Legislaturperiode, das hier exklusiv veröffentlicht wurde.

Lernen Sie den Tagesspiegel Background kennen

Sie lesen einen kostenfreien Artikel vom Tagesspiegel Background. Testen Sie jetzt unser werktägliches Entscheider-Briefing und erhalten Sie exklusive und aktuelle Hintergrundinformationen für 30 Tage kostenfrei.

Jetzt kostenfrei testen
Sie sind bereits Background-Kunde? Hier einloggen