„Die globale Erwärmung ist das größte Marktversagen in der Geschichte der Menschheit. Wir brauchen jetzt endlich einen wirksamen Preis auf CO2 und zwar entweder durch eine Steuer oder durch einen Emissionshandel, der funktioniert.“ Diese Auffassung des früheren Bundespräsidenten und Ökonomen Professor Horst Köhler teilen wir völlig. Die Energiewende ist kein Selbstzweck. Sie ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die den Versuch unternimmt, die globale Überhitzung unseres Planeten in verkraftbaren Schranken zu halten. Diese Überhitzung verschlingt bereits heute Unmengen Geld für die Bekämpfung der Folgen des steigenden Meeresspiegels und die Behebung der dramatischen Unwetterschäden. Sie bedroht ganz real Millionen von Menschenleben und hat das Potenzial, zu einer gigantischen Migrationswelle zu führen. Es ist nicht meine Art, eine Drohkulisse aufzubauen, doch gelegentlich halte ich es für notwendig, mir diese Bedrohung nochmals vor Augen zu führen, wenn wir in Deutschland wieder einmal in einer zähen Grundsatzdebatte zu stecken scheinen.
Wir alle müssen unseren Beitrag leisten, um die Klimaziele zu erreichen, die wir uns als Gesellschaft gesetzt haben, das sollte für uns alle oberste Maxime sein. Die Geowissenschaft hat inzwischen ein neues Erdzeitalter ausgerufen. Sie nennen es das Anthropozän. Erstmals in der Erdgeschichte greift der Mensch mit seinem Handeln so sehr in das Ökosystem der Erde ein, dass er es maßgeblich und dauerhaft verändert.
Deutschland wird international als Vorreiter in der Energiewende wahrgenommen und intensiv beobachtet. Lösungen, die wir als viertgrößte Wirtschaftsnation der Welt erarbeiten, können auch als Blaupause für andere Länder funktionieren. Deshalb ist jetzt eine lösungsorientierte Debatte so maßgeblich. In der nächsten Legislaturperiode müssen wir klare Leitlinien für den Umbau des Kraftwerksparks setzen, um Treibhausgasemissionen effektiv zu reduzieren und Lock-In-Effekte zu vermeiden. 60 Prozent der deutschen Kohlekraftwerke sind älter als 35 Jahre, ein Viertel sogar älter als 40 Jahre. Sie sind gekennzeichnet durch niedrige Wirkungsgrade, hohe Emissionen und mangelnde Flexibilität. Diese Kraftwerke passen weder in das zukünftige Energiesystem, noch können wir damit unsere Klimaschutzziele erreichen. Ökonomisch führen sie dazu, dass moderne gerade gebaute Gas- und Kohlekraftwerke rote Zahlen schreiben und Erneuerbare abgeschaltet werden, mit entsprechenden Zusatzkosten für das Energiesystem. Diese Debatte über den Umbau des Energiesystems ist umso wichtiger, da die Erneuerbaren Energien inzwischen sehr viel günstiger geworden sind, als noch vor wenigen Jahren angenommen. Die jüngsten Ausschreibungsergebnisse zeigen, dass es keine Kostenargumente mehr gegen den Ausbau der Erneuerbaren Energien gibt.
Eine der wesentlichen Diskussionen im Rahmen der Energiewende ist die Frage, wie wir als Gesellschaft die Kosten des Umbaus unsres Energiesektors gerecht und transparent gestalten können, ohne zu hohe Belastungen in der Wirtschaft einerseits und den Bürgern andererseits zu verursachen. Wir stehen bei dieser Frage natürlich im europäischen Kontext. Wir können unsere Märkte nicht losgelöst vom europäischen Wirtschaftsraum betrachten. Die Aufgabe besteht darin, die Kostenverteilung über die gesamte Wertschöpfung im Energiesektor auszubalancieren. Diese Aufgabe gelingt nur, wenn Erzeugung, Netze und Verbraucher ihren Teil beitragen.
Dass wir mit dem bislang eingeschlagenen Pfad die Klimaziele verfehlen werden, ist schon länger bekannt. Der BEE hat darauf in den letzten beiden Jahren schon mehrfach hingewiesen und das auch mit Zahlenmaterial belegt. Dass wir mit dem derzeitigen Tempo auch die von der Bundesregierung beschlossenen Ausbauziele von Erneuerbaren Energieanlagen verfehlen werden, ist eine neuere Erkenntnis.
Wir brauchen dringend einen wirksamen Mechanismus für Klimaschutz und Erneuerbare Energien. Am besten einen marktwirtschaftlichen Mechanismus, der die richtigen Anreize setzt. Nach unserer Auffassung muss dieser Mechanismus am CO2-Preis ansetzen.
CO2 ist der Schlüssel, um die Folgen der Überhitzung möglichst tragbar zu begrenzen, es geht also um die strategische Ausgestaltung der Dekarbonisierung. Strom, Wärme und Kraftstoffe aus Erneuerbaren Energieträgern sind ein wesentlicher Teil dieser Strategie. Ein weiterer, noch weitaus wichtigerer Teil dieser Strategie ist ein stabiles und transparentes Marktsystem für die Verschmutzungsrechte zu erstellen. Die Konstruktion des europäischen Emissionshandels (EU ETS) führt derzeit jedoch zu dessen weitgehenden Marktversagen.
Derzeit kostet das Recht, eine Tonne CO2 in der Atmosphäre zu deponieren rund fünf Euro, was auf den massiven Zertifikateüberschuss zurückzuführen ist. Dieses Preisniveau hat der ETS bereits seit Anfang 2012. Nach seiner Einführung im Mai 2005 stiegt der Preis zunächst von 17 Euro auf knapp 32 Euro an. Nach der Veröffentlichung der Emissionsberichte im April 2006 brach der Verschmutzungspreis auf zehn Euro ein und endete im April 2007 auf der Nulllinie. Zum Januar 2008 wurde das ETS-System reformiert, ETS II startete mit 25 Euro in den Markt. Das Bild wiederholte sich: nach anfänglichem Anstieg auf 34 Euro sackte der Preis kontinuierlich ab und pendelt seit fünf Jahren um die fünf Euro Marke. Es wird deutlich, dass der EU ETS seinem eigentlichen Zweck, dem Anreiz von Maßnahmen zur Emissionsreduktion, nicht gerecht wird. Auch die wahren Folgekosten der fossilen Energieträger, also etwa die Kosten, die durch die verheerenden Schäden für Klima und Gesundheit entstehen, sind nicht eingepreist. Nach Berechnungen des Umweltbundesamtes müsste der Wert pro Tonne bei 80 Euro liegen. Die im Pariser Klimaabkommen beschlossenen Reduktionsziele für 2030 sind über den Pfad des EU ETS nicht einzuhalten.
Es besteht inzwischen ein breiter Konsens darüber, dass es einen wirksamen Mechanismus zur CO2-Reduktion geben muss. Gleichzeitig wird hierzulande über die Verteilungsgerechtigkeit in der Energiewende diskutiert. Der Bundesverband Erneuerbare Energie hat dazu eine klare Position entwickelt. Er schlägt vor, im Stromsektor die Stromsteuer abzuschaffen und durch eine CO2-Steuer für fossile Stromerzeugung zu erheben. Die Stromsteuer sollte ursprünglich eine ökologische Lenkungswirkung ausüben. Allerdings wird sie als Endenergiesteuer dieser Aufgabe nicht gerecht, mehr noch: die Stromsteuer blockiert die dringend notwendige Sektorkopplung, da sie die erforderliche Flexibilisierung des Energiesystems verhindert. Nach dem Vorschlag des BEE wird das Steueraufkommen aus der Stromsteuer künftig durch eine CO2-Steuer auf fossile Energieträger erzeugt. Dies hat den Effekt eines zusätzlichen CO2-Preises, der die unterschiedlichen Energieträger in Abhängigkeit ihrer Treibhausgasbilanz bewerten kann. Auf diese Weise wird ein nationaler CO2-Preissockel geschaffen, der an die Erreichung der Klimaziele geknüpft werden kann. So wird dieses Modell mit dem EU ETS verbunden und auf europäischer Ebene weiterentwickelt werden. Die jetzt kommende Phase der Energiewende, benötigt marktwirtschaftliche Signale als Basis für die richtigen Investitionsentscheidungen. Dies gelingt nur mit einem wirksamen CO2-Preis. Um eine entsprechende Lenkungswirkung zu erzielen, schlägt der BEE für positive und negative Preise an der Strombörse unterschiedliche CO2-Steuern vor. Mit 20 Euro pro Tonne bei positiven Börsenpreisen bleiben die Belastungen im bestehenden Rahmen, entfalten jedoch schon eine deutliche Wirkung, mit 75 Euro pro Tonne bei negativen Börsenpreisen sollen fossile Kraftwerke betriebswirtschaftlich stärker angereizt werden, ihre Leistung zurückzufahren und in den Netzen Platz für Erneuerbare Energien zu machen.
Nationale Preismechanismen für Verschmutzungsrechte sind in anderen europäischen Staaten gang und gäbe. Acht der 28 EU Staaten haben bereits eine nationale CO2-Steuer eingeführt, darunter Frankreich, England und die Schweiz. Deutschland hat hier Aufholbedarf und kann jetzt ein klares Zeichen setzen. Schweden setzt mit etwa 120 Euro pro Tonne CO2 die Höchstmarke, die Schweiz etwa erhebt umgerechnet 60 Euro pro Tonne für CO2 das nicht im ETS erfasst ist, und Frankreich bildet mit 15 Euro pro Tonne CO2 zusätzlich den untersten Wert. Der Mittelwert liegt selbst ohne Schweden noch über der 30 Euro Marke.
Der BEE und die Branche der Erneuerbaren Energien setzen jetzt auf einen konstruktiven Dialog im Energiesektor. Eine deutsche CO2-Abgabe für fossile Brennstoffe gekoppelt mit der Abschaffung der allgemeinen Stromsteuer bilden zusammen eine wirksame Ergänzung zum EU ETS Handelssystem. Ich lade Sie herzlich ein, mit uns zu diskutieren.