Deutschland liegt beim Digitalisierungsranking auf dem vorletzten Platz Europas, schlechter ist nur Albanien. Dabei ist ohne Digitalisierung keine Innovation zu machen. Ohne Innovation kein Fortschritt. Und ohne Fortschritt kein Wohlstand. Warum tut sich Deutschland so schwer? Werfen wir mal einen Blick auf den Gebäudesektor: Deutschland hat innerhalb der letzten 30 Jahren rund 40 Prozent der CO2-Emissionen einsparen können. Das neue Ziel von 45 Prozent Emissionsminderung laut Klimaschutzgesetz muss nun in weniger als acht Jahren erreicht werden.
Dafür sanieren wir aufwendig Immobilien. Wir tauschen Heizkessel gegen ausgefeilte Heizungssysteme aus. Und denken, die Klimaschutzziele werden allein mit der Hülle und der Heizung der Gebäude erreicht. Wir tun uns schwer, einfache, schnelle, digitale Maßnahmen einzuführen, die sofort CO2-Emissionen senken könnten. Ganz konkret sehen wir es in der aktuellen Diskussion rund um die neue Heizkostenverordnung. Sie verpflichtet die Vermieter bei fernauslesbaren Messgeräten monatlich die Nutzer über ihren Verbrauch zu informieren. Das ist gut so! Denn nur wer kennt, der spart. Allerdings gibt es hierbei einen Haken: Die aktuelle Regelung führt dazu, dass Deutschland, erstens, bei der Digitalisierung nachsitzen muss. Zweitens wird der Verbraucher mit unfairen Mehrkosten belastet. Drittens müssen Tonnen an Papier bedruckt und versendet werden, anstatt das Klima zu schützen.
Den Verbrauch jederzeit per App prüfen
Nach Rechtsauffassung vieler gilt aktuell: Sobald ein Mieter in einem Mehrfamilienhaus die Information in Papierform wünscht, zahlt er nicht die Mehrkosten für Papier und Porto selbst. Stattdessen werden sie auf das ganze Haus umgelegt. Stellen Sie sich einmal vor, Ihr Nachbar möchte seine Kontoauszüge lieber per Post zugeschickt bekommen – würden Sie es auch einsehen, sich bei seinen Portogebühren zu beteiligen? Wir sagen: Wer eine Info auf Papier wünscht, soll auch die Kosten dafür übernehmen. Das ist fair für alle Verbraucher und ist gut für die Umwelt.
Doch noch viel besser ist digital first. Genauso haben wir es bei der Entwicklung unserer monatlichen Verbrauchsinformation mitgedacht: Eine App, in der man seinen Verbrauch und Kosten checken kann, genau wie seinen Kontostand. Wie viel habe ich im Vergleich zum Vormonat sowie Vorjahr verbraucht? Und wie viel im Vergleich zu einem Durchschnittsnutzer? Welcher Kostentrend ist zu erwarten? Und falls es doch mal Rückfragen gibt, ruft man direkt die Hotline an – die zukünftig auch Energiespartipps gibt.
Möglich machen das digitale Messgeräte. Der Besuch des Ablesers und die Autofahrt zum Gebäude ist damit Geschichte. Der Wärmeverbrauch wird vollautomatisch über Funk übermittelt und landet via App, Mail oder Web beim Verbraucher. Ein geschlossenes, digitales System, schnell, präzise und kosteneffizient. Was kostet es den Verbraucher? Rund 45 Cent im Monat – weniger als eine Packung Milch.
Erst der Versand per Post macht es dann richtig aufwändig und teuer, denn auf Papier und per Post bedeutet es gleich fünf Mal so viel. Papier in diese Kette zu integrieren, ist so, als würde man sich die Ergebnisse seiner Lauf-App per Post zuschicken lassen. Wir fordern: Das geltende Recht muss so verändert werden, dass Vermieter ihre Pflicht erfüllt haben, wenn sie ein digitales Informationsangebot über den Verbrauch machen. Schnell, unbürokratisch und ohne Papierberg.
Und: Der Gesetzgeber sollte gleich noch eine Schippe drauflegen und eine mindestens monatliche Verbrauchsinformation ermöglichen. So wie wir heute täglich unser Bankkonto checken, muss es möglich sein, jederzeit den Energieverbrauch zu prüfen und unser Verhalten daran anzupassen. Wir sind ready: Dort, wo wir digitale Funktechnik verbaut haben, können wir täglich informieren – ohne Mehrkosten.
Die Politik muss ihre Hausaufgaben machen – genau wie wir
Genauso wie Deutschland sich schwer tut, von der analogen in die digitale Klasse zu wechseln, braucht es Nachhilfe, wenn es um die Akzeptanz von Neuerungen geht. „Was soll’s bringen, wenn ich weiß, wie viel ich verbraucht habe? Dann ist das Kind doch ohnehin in den Brunnen gefallen.“ Nicht ganz: Was ich verbraucht habe, muss ich zahlen. Aber nur wenn ich es weiß, kann ich es für das nächste Mal einfließen lassen.
Bisher haben wir den Verbrauch nur einmal pro Jahr über die Nebenkostenabrechnung erfahren, teilweise bis zu 18 Monate nach den relevanten Heizmonaten. Künftig kommt das Verbrauchsfeedback kurz nach Monatsende: Hat es sich gelohnt, während längerer Abwesenheit den Heizkörper runterzudrehen? Ist die niedrigere Raumtemperatur im Schlafzimmer eine sinnvolle Einsparmaßnahme, die fortgesetzt werden soll? Wie viel Heizkosten kann ich sparen, wenn meine Kinder nicht mehr so lange duschen? Wird der niedrigere Energieverbrauch nach einer geförderten energetischen Sanierung auch wirklich erreicht?
In diesem Monat gehen die ersten Wärmeupdates an die Mieter raus. Darum: Wir sprechen uns in ein paar Monaten wieder. Wir sind dann mal unsere Hausaufgaben machen…
Dr. Hagen Lessing ist seit Juni 2021 CEO des Immobiliendienstleisters Ista International, der auf die Verbrauchserfassung und -abrechnung von Immobilien spezialisiert ist.