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Standpunkte Wir brauchen einen bundesweiten Geothermie-Gipfel

Herbert Pohl, Gründer und CEO Deutsche Erdwärme
Herbert Pohl, Gründer und CEO Deutsche Erdwärme Foto: Deutsche Erdwärme

Obwohl der Stromsektor dank des Ausbaus erneuerbarer Energien Fortschritte macht, bleibt der Wärmebereich das „Stiefkind“ der Energiewende. Die Geothermie hat das Potenzial, die Wärmewende stark zu beschleunigen. Doch trotz ihrer Stärken spielt sie in Deutschland bisher eine Nebenrolle. Ein bundesweiter Geothermie-Gipfel könnte Weichen stellen, um die goldenen Jahre der Geothermie-Skalierung einzuläuten, schreibt Herbert Pohl, Gründer und CEO von Deutsche Erdwärme.

von Herbert Pohl

veröffentlicht am 08.01.2025

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Die Geothermie bietet große Vorteile: Sie liefert zuverlässig Energie unabhängig von Wetter und Tageszeit, ist regional verfügbar und zudem preisstabil. Studien des Fraunhofer IEG und anderer Forschungseinrichtungen zeigen, dass die Geothermie in Deutschland technisch in der Lage ist, bis zu 25 Prozent des gesamten Wärmebedarfs zu decken.

Doch aktuell liegt ihr Anteil an der Wärmeversorgung bei weniger als einem Prozent und nur rund 1 bis 2 Anlagen gehen pro Jahr in Betrieb. Warum diese Diskrepanz? Ein Grund liegt in den Herausforderungen der Technologie: Die Erschließung geothermischer Ressourcen erfordert hohe Anfangsinvestitionen und langfristige Planungen. Zudem sind Genehmigungsverfahren komplex und dauern oft Jahre.

Das Geothermie-Beschleunigungsgesetz: ein erster Schritt

Die Politik hat das Problem erkannt. Der aktuelle Entwurf des Geothermie-Beschleunigungsgesetzes (GBG), der noch in der Abstimmung ist, soll den Ausbau erleichtern. Geplant sind Maßnahmen wie die Verkürzung von Genehmigungsverfahren, standardisierte Umweltverträglichkeitsprüfungen und finanzielle Anreize für Kommunen und Unternehmen.

Doch so wichtig dieser Schritt ist: Das GBG allein wird nicht reichen, um die Geothermie aus ihrer Nische zu holen. Denn es adressiert nur einzelne Hindernisse und lässt andere, wie die fehlende Infrastruktur für Wärmenetze oder die Absicherung der Preise, weitgehend unberührt. Deshalb brauchen wir einen bundesweiten Geothermie-Gipfel, um eine umfassende Strategie zu entwickeln.

Warum ein Geothermie-Gipfel nötig ist

Ein Geothermie-Gipfel bietet die Chance, alle relevanten Akteure an einen Tisch zu holen: Politik, Wissenschaft, Wirtschaft, Kommunen und Zivilgesellschaft. Ziel sollte es sein, die Potenziale der Geothermie systematisch zu erschließen und die Wärmewende mit konkreten Maßnahmen zu beschleunigen.

1. Industrie mobilisieren und stärken

Ein entscheidender Hebel für den Erfolg der Geothermie in Deutschland ist die Mobilisierung der Industrie. Viele Unternehmen aus für die Geothermie relevanten Branchen haben im Laufe der letzten Jahrzehnte ihre Präsenz in Deutschland reduziert und ins Ausland verlagert. Es braucht gezielte Strategien, um diese Unternehmen zurückzuholen, noch bestehende Niederlassungen auszubauen oder neue Gründungen zu fördern. Dies erfordert insbesondere Investitionen in die Ausbildung und Weiterbildung. Deutschland muss die Fachkräftebasis durch Bildungsinitiativen stärken und für ausländische Fachkräfte attraktiver werden, um den steigenden Bedarf zu decken.

2. Wärmenetze als Schlüsselinfrastruktur ausbauen

Ohne ein flächendeckendes Netz für Fernwärme bleiben die Nutzungsmöglichkeiten der Geothermie begrenzt. Der Gipfel sollte klären, wie der Ausbau dieser Netze vorangetrieben werden kann, etwa durch eine verstärkte Förderung von Wärmenetzprojekten oder durch die Verankerung eines gesetzlichen Netzausbauplans.

3. Einheitliche Rahmenbedingungen schaffen

Ein Kernproblem der Geothermie sind langwierige und uneinheitliche Genehmigungsverfahren, die je nach Bundesland stark variieren. Während das GBG hier erste Erleichterungen bringen soll, bleibt die Frage, wie eine länderübergreifende Harmonisierung erreicht werden kann. Einheitliche Standards könnten Investoren Planungssicherheit bieten und die Verfahrensdauer deutlich reduzieren.

4. Finanzielle Anreize setzen

Die Erschließung geothermischer Ressourcen ist kapitalintensiv. Ein Gipfel könnte gezielte Förderprogramme erarbeiten, die Investitionen erleichtern – etwa durch Zuschüsse, zinsgünstige Kredite oder die Erweiterung der bestehenden Innovationsförderung auf Geothermieprojekte.

Keine Wärmewende ohne Geothermie

Deutschland hat sich verpflichtet, bis 2045 klimaneutral zu werden. Dieses Ziel ist ohne eine tiefgreifende Transformation des Wärmesektors nicht erreichbar. Geothermie kann, neben anderen erneuerbaren Wärmequellen wie Solarthermie und Biomasse, eine zentrale Rolle spielen. Doch dafür braucht es mehr als gute Absichten. Es braucht eine nationale Strategie, die die Rahmenbedingungen verbessert, Investitionen erleichtert und die Gesellschaft in die Transformation einbindet.

Ein bundesweiter Geothermie-Gipfel wäre ein Signal, dass Deutschland die Wärmewende ernst nimmt. Er könnte die Grundlage schaffen, um die Geothermie von einer unterschätzten Technologie zu einem zentralen Baustein der Energiewende zu machen. Jetzt ist der Moment, die Tiefen unseres Planeten für eine nachhaltige Zukunft zu erschließen. Die Zeit zu handeln, ist jetzt.

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