Bis 2045 will Deutschland klimaneutral sein. Europa hat sich das Ziel für 2050 gesetzt. Doch der Gebäudesektor bleibt seit Jahren hinter den Zielen des Bundes-Klimaschutzgesetzes (KSG) zurück. Zwar wurde 2023 im Vergleich zum Vorjahr rund 7,5 Prozent weniger CO2 ausgestoßen. Doch trotz dieser Minderung überschritt der Gebäudesektor zum wiederholten Male die erlaubte Jahresmenge an Emissionen. Das ist relevant, weil der Gebäudebetrieb in Deutschland für etwa 35 Prozent des Endenergieverbrauchs und etwa 30 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich ist.
Wie können wir gegensteuern? Welche ungenutzten Potenziale lassen sich noch aktivieren? Fest steht: Die öffentliche Diskussion der letzten Monate und Jahre verkürzte sich zu sehr auf das Thema Heizen und Heizung. Doch in diesem Bereich werden viele Modernisierungen erst in den nächsten zehn oder gar 20 Jahren umgesetzt werden. Wir brauchen zusätzliche, kurzfristig wirksame Hebel, um die CO2-Emissionen zu reduzieren. Um energieeffizienten und klimaneutralen Gebäuden den Weg zu ebnen, braucht es einen ganzheitlichen Ansatz, der alle Potenziale im Gebäude ausschöpft.
Eine Lösung zur CO2-Reduktion liegt im Warmwasser
Ein Gebäudebereich kann einen erheblichen Beitrag zur grünen Transformation leisten: der Bereich der Badezimmer und Sanitärräume. Laut Dena-Gebäudereport ist nach der Erzeugung von Raumwärme die Erwärmung von Trinkwasser der zweitgrößte Posten in der CO2-Bilanz von Gebäuden. In Deutschland entfallen 16 Prozent des Endenergieverbrauchs im Gebäudesektor auf das Warmwasser jenseits der Heizung. In der EU sieht es ähnlich aus. Doch in der politischen Debatte wird dieses Potenzial bislang nicht erkannt. Und weil auf politischer Ebene keine Wahrnehmung besteht, gibt es sie auch nicht auf Ebene der Energieberater – und kommt schon gar nicht in der Realität an, wenn es um konkrete Projekte geht.
Das ernüchternde Ergebnis: Der Hebel eines effizienten und verantwortungsvollen Umgangs mit Warmwasser wird für das Erreichen der Klimaziele im Gebäudesektor bisher kaum genutzt. Die Möglichkeit, Energie über die Verringerung des Warmwasserverbrauchs einzusparen, findet keine Berücksichtigung in den geltenden Gesetzen und Normen. Und es gibt kein ausreichendes Bewusstsein darüber, wieviel Energie allein schon mit wassersparenden Armaturen und Brausen eingespart werden kann. Stattdessen liegt der Fokus fast ausschließlich auf Erwärmungstechnik und Nutzerverhalten.
Einsparpotenzial von bis zu zwölf Prozent
Hinzu kommt: Der Anteil des Warmwassers am Endenergieverbrauch in Gebäuden wird im Zuge energetischer Sanierungen weiter ansteigen. Denn je energieeffizienter ein Gebäude durch bessere Isolierung und modernere Heizungstechnik ist, desto weniger fällt die Heizenergie ins Gewicht – und desto stärker der Warmwasserverbrauch. Angesichts der kurzen Zeitspanne bis 2045 und der immer knapperen Ressourcen von Privatleuten und Staat können wir es uns nicht länger leisten, dieses Potenzial weiter ungenutzt zu lassen.
Eine Studie des Instituts für technische Gebäudeausrüstung (ITG) Dresden und der Dena im Auftrag des Herstellers Hansgrohe hat das Energiesparpotenzial für Gebäude berechnet. Das Ergebnis, so berichten die Autoren Professor Bert Oschatz und Jens Rosenkranz: Wassersparende Armaturen und Brausen ermöglichen Rückgänge bei Gesamtprimärenergiebedarf und Treibhausgasemissionen von Gebäuden zwischen zwei und sechs Prozent. Bei dezentraler Wassererwärmung sind sogar Einsparungen von bis zu zwölf Prozent erreichbar. Die Studie bestätigt zudem, dass der prozentuale Anteil des Energiespar-Potenzials durch wassersparende Armaturen und Brausen umso höher ausfällt, je geringer der Heizwärmebedarf eines Gebäudes ist.
Warmwasserverbrauch muss in die Energiebilanz
Um das Potenzial der Warmwassereffizienz bestmöglich auszuschöpfen, sind Sensibilisierung und Anreize erforderlich:
- Eine Berücksichtigung des tatsächlichen Warmwasserverbrauchs im Energiebedarfsausweis von Gebäuden könnte für mehr Transparenz sorgen und einen Anreiz zum Warmwassersparen setzen.
- Darüber hinaus sollte in Zukunft auch der Verbrauch von Warmwasser in die Standards für energieeffiziente Gebäude aufgenommen werden.
Beide Maßnahmen wären ohne großen Aufwand und ohne erhebliche Mehrkosten umsetzbar. Sie würden das Potenzial, das die Reduktion des Warmwasserverbrauchs bietet, bei Energieberatern, Architekten und Bauunternehmen in den Fokus rücken. Und diese könnten das Thema an Hausbesitzer und Vermieter, an Mieter und die Bevölkerung insgesamt weitertragen. Mehr noch: Die beiden legislativen Maßnahmen würden einen klaren Anreiz zur Modernisierung schaffen, weil ein besserer Wert im Energiebedarfsausweis das Gebäude insgesamt aufwertet.
Um die ganzheitliche Betrachtung von Energieeffizienz und Klimaneutralität im Gebäude voranzutreiben, haben sich 24 Unternehmen der Sanitärindustrie im neuen Industrieverbund VDMA Sanitärtechnik und -design zusammengeschlossen. Im Dialog mit Politik, Interessensgruppen, Verbrauchern und Fachleuten wollen wir das Bewusstsein für die Energie- und CO2-Einsparpotenziale schärfen, die in Badezimmern schlummern – nicht nur mithilfe von Wasser- und Energiespartechnik in Brausen und Armaturen, sondern auch durch die hocheffiziente Aufbereitung von Warmwasser und die Rückgewinnung von Wärme aus dem Abwasser. Last but not least verfolgt der Industrieverbund ein weiteres Ziel: unsere wertvollen Trinkwasserressourcen zu schonen und zugleich die Trinkwasserhygiene zu wahren.
Dr. Laura Dorfer, promovierte Betriebswirtin, ist seit April 2023 Geschäftsführerin des VDMA Fachverbands Armaturen und seit November 2023 zugleich Geschäftsführerin des neu gegründeten Industrieverbunds VDMA Sanitärtechnik und -design.