Erweiterte Suche

Energie & Klima

Standpunkte Auslandsinvestitionen effektiv vor politischen Risiken schützen

Markus Perkams und Boris Scholtka, Partner der Wirtschaftskanzlei Addleshaw Goddard
Markus Perkams und Boris Scholtka, Partner der Wirtschaftskanzlei Addleshaw Goddard Foto: Addleshaw Goddard

Vor den politisch gewollten Investitionen in die Gewinnung klimaneutraler Energien in Afrika sind die Unternehmen gut beraten zu prüfen, welche Investitionsschutzabkommen für sie einschlägig sein könnten, empfehlen Markus Perkams und Boris Scholtka von der Wirtschaftskanzlei Addleshaw Goddard. Zugleich sollten die Investoren frühzeitig sicherstellen, dass ihre Projekte von der Bevölkerung des Empfängerstaats akzeptiert werden und für diese wirtschaftlich und sozial vorteilhaft sind.

von Markus Perkams und Boris Scholtka

veröffentlicht am 29.02.2024

Lernen Sie den Tagesspiegel Background kennen

Sie lesen einen kostenfreien Artikel vom Tagesspiegel Background. Testen Sie jetzt unser werktägliches Entscheider-Briefing und erhalten Sie exklusive und aktuelle Hintergrundinformationen für 30 Tage kostenfrei.

Jetzt kostenfrei testen
Sie sind bereits Background-Kunde? Hier einloggen

Der russische Angriff auf die Ukraine hat viele Länder in Afrika schlagartig zu wichtigen Partnern für die deutsche Energiewende befördert. Algerien, Angola, Namibia oder Tunesien etwa bieten ideale Bedingungen für den Ausbau erneuerbarer Energien, insbesondere zur Gewinnung grünen Wasserstoffs. Hochrangige Vertreter der Bundesregierung und große Wirtschaftsdelegationen bereisen inzwischen regelmäßig mögliche Partnerländer, um die politisch gewollten Investitionen in die Gewinnung klimaneutraler Energien voranzutreiben. Vor zwei Wochen unterzeichneten Deutschland und Algerien eine Absichtserklärung über den Aufbau der Produktion von grünem Wasserstoff in Nordafrika, der über den geplanten südlichen H2-Korridor in die EU geliefert werden soll. 

Ein Hindernis für die dafür erforderlichen Investitionen bilden jedoch die in den Empfängerländern bestehenden politischen Risiken. Die willkürliche Beeinträchtigung oder gar der verdeckt stattfindende Entzug von Eigentumsrechten stellen nach wie vor eine reale Gefahr dar. Private Investoren müssen sich daher fragen, wie sie das Fehlen von ausreichendem lokalem Rechtsschutz kompensieren können, wenn sie ihre Investitionen möglichst rechtssicher vornehmen wollen.

Internationale rechtliche Absicherung

Die Antwort auf die Frage liegt im Wesentlichen in der Internationalisierung der rechtlichen Absicherung der Investitionen. Hierfür stehen Investoren drei kumulativ oder alternativ nutzbare Instrumente zur Verfügung, deren Effizienz durch die frühzeitige Beachtung weicher Faktoren gesteigert werden kann.

Vertragliche Garantien: Das erste Instrument für die Etablierung eines stabilen Rechtsrahmens ist die risikoorientierte Ausgestaltung der den Projekten zugrundeliegenden Vertragswerke. Die effektive Absicherung der Investition hängt hier wesentlich davon ab, von dem Empfängerland ausreichende Garantien für den Bestand der Investition zu erhalten. Diese können, je nach Projekt, eine Einstandspflicht für Abnahmeverpflichtungen, die Beibehaltung einer bestimmten Steuerquote oder den Schutz vor spezifischen Risiken, wie etwa Enteignungen, betreffen. Sie sollten in jedem Fall durch internationale Schiedsklauseln flankiert werden, die eine Austragung von Streitigkeiten außerhalb der Jurisdiktion des Empfängerstaats ermöglichen. 

Versicherungen: Das zweite Instrument bildet die Möglichkeit zum Abschluss von Versicherungen gegen politische Risiken. Anbieter solcher Versicherungen sind staatliche beziehungsweise internationale Akteure und die private Versicherungswirtschaft. Exemplarisch können die Garantien des Bundes für Direktinvestitionen, die jüngst durch den „Klima-UFK“ auf nachhaltige Energieträger erweiterten ungebundenen Finanzkredite des Bundes oder die Multilateral Investment Guarantee Agency der Weltbank genannt werden. Die abgedeckten Risiken haben häufig den Bruch von Verträgen, Enteignungen aller Art oder Schäden durch kriegerische Auseinandersetzungen zum Gegenstand. Ein Vorteil dieser Versicherungen ist, dass der Investor von einer politischen Flankierung des Versicherungsgebers profitieren kann. Eine Involvierung der Weltbank etwa kann die Anreize für den Empfängerstaat erhöhen, einen einmal entstandenen Konflikt doch noch einvernehmlich zu lösen. 

Investitionsschutzabkommen: Das dritte Instrument hat in der Praxis die größte Bedeutung, unter anderem da die beiden ersten häufig hierauf Bezug nehmen. Dies sind die rund 2500 weltweit existierenden völkerrechtlichen Investitionsschutzabkommen. Die Bundesrepublik ist hier Vorreiter und hat solche Abkommen, meistens auf bilateraler Ebene, mit weit mehr als 100 Staaten abgeschlossen. Die Vertragspartner sind insbesondere Schwellen- und Entwicklungsländer, einschließlich vieler afrikanischer Staaten.

Abkommen geben Unternehmen eigene Rechtsposition

Die Vertragsparteien verpflichten sich in den Abkommen, private Auslandinvestitionen gegen politische Risiken zu schützen. Darunter fallen entschädigungslose Enteignungen, gezielte Diskriminierungen, der Bruch von vertraglichen Verpflichtungen oder generell die unfaire Behandlung von Auslandinvestitionen. Der Clou der Abkommen besteht darin, dass Investoren die Verletzung der Schutzstandards eigenständig geltend machen können, ohne auf den diplomatischen Schutz des Heimatstaates angewiesen zu sein. 

Die Investoren können von der Regierung des Empfängerstaats zunächst verlangen, über eine einvernehmliche Lösung eines Streits zu verhandeln. Die dadurch erzwungene Befassung der höchsten Regierungsebenen mit einem Streit kann eine einvernehmliche Lösung wesentlich erleichtern. Bleibt eine Lösung aus, können die Investoren Klage vor einem internationalen Schiedsgericht außerhalb der Jurisdiktion des Empfängerstaates erheben.

Die Schiedsgerichte können den Investoren, wenn sie die Verletzung eines Abkommens feststellen, umfassenden Schadensersatz zusprechen, einschließlich entgangenen Gewinns. Investoren haben in den letzten 20 Jahren von dieser Möglichkeit vielfach Gebrauch gemacht und so den Verlust der Investition durch staatliche Eingriffe minimieren oder auch Entschädigungen realisieren können. 

Investoren in die aktuell geplanten Energieprojekte sind daher gut beraten, vor ihren Investitionen zu prüfen, ob und welche Investitionsschutzabkommen für sie einschlägig sein könnten. Der Blick sollte dabei über die Prüfung der deutschen Verträge hinausgehen, denn häufig haben andere europäische Staaten wie die Niederlande, Belgien/Luxemburg oder Österreich ebenfalls entsprechende Abkommen mit dem Empfängerland. Die Investition kann dann häufig so strukturiert werden, dass die Investition das bestmögliche Schutzniveau hat, selbst wenn dies nicht in dem Abkommen mit Deutschland enthalten sein sollte. 

Weiche Faktoren ergänzen den Schutz

Eine wichtige Lehre aus der Praxis der letzten 20 Jahre ist, dass selbst die beste Absicherung keine störungsfreie Durchführung eines Investitionsprojekts garantiert. Investoren sollten daher frühzeitig sicherstellen, dass ihre Investition von der Bevölkerung des Empfängerstaats akzeptiert wird und für diese wirtschaftlich und sozial vorteilhaft ist. Ein Leitstern für dieses „Social Licensing“ können die Social Development Goals der Vereinten Nationen von 2015 sein, die unter anderem auf eine nachhaltige Wirkung von Auslandsinvestitionen abzielen. 

In diesem Rahmen können Investoren etwa den frühzeitigen Austausch mit staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen zum Umweltschutz und Arbeitsrecht suchen und so eine Berücksichtigung aller relevanten Belange sicherstellen. Sie können ebenfalls Transparenz bei der Strukturierung ihrer Investition walten lassen, etwas in Bezug auf die Nutzung von Investitionsschutzabkommen, oder als vertrauensbildende Maßnahme die Einbindung regionaler Schiedsinstitutionen und Schiedsrichter vorsehen. Generell gilt: Je höher die so geschaffene Akzeptanz der Investition ausfällt, desto eher können die hier beschriebenen Schutzinstrumente die Investitionen effektiv gegen politische Risiken absichern.    

Dr. Markus Perkams ist Partner für internationale Streitbeilegung bei Addleshaw Goddard in Frankfurt und Lehrbeauftragter für Investitionsschutz an der Universität zu Köln. Dr. Boris Scholtka ist Partner und Leiter der Energierechtspraxis bei Addleshaw Goddard in Berlin.

Lernen Sie den Tagesspiegel Background kennen

Sie lesen einen kostenfreien Artikel vom Tagesspiegel Background. Testen Sie jetzt unser werktägliches Entscheider-Briefing und erhalten Sie exklusive und aktuelle Hintergrundinformationen für 30 Tage kostenfrei.

Jetzt kostenfrei testen
Sie sind bereits Background-Kunde? Hier einloggen