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Energie & Klima

Standpunkte CETA – Sargnagel für das Klima

Alessa Hartmann, Referentin bei PowerShift
Alessa Hartmann, Referentin bei PowerShift

Die Niederlande wollen heute über CETA abstimmen, das Handelsabkommen der EU mit Kanada. Die Ratifizierung käme einer Selbstentmachtung der Politik im Kampf gegen die Klimakatastrophe gleich, warnt Alessa Hartmann von der Berliner NGO Powershift in ihrem Standpunkt.

von Alessa Hartmann

veröffentlicht am 18.02.2020

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Bis in die Nacht hinein haben die Abgeordneten des niederländischen Unterhauses kürzlich zum Handelsabkommen der EU mit Kanada (CETA) gestritten. Am heutigen Dienstag soll über das Abkommen abgestimmt werden. Die Niederlande könnten das umstrittene Abkommen zu Fall bringen. 71 Abgeordnete gehören zum Lager der CETA-Befürworter. Aber ebenfalls 71 Abgeordnete wollen CETA ablehnen. Dazwischen stehen zwei unentschlossene Parteien mit insgesamt 8 Abgeordneten. 

Besonders umkämpft in den CETA-Verhandlungen waren die sogenannten Konzernklagerechte, gegen die in den vergangenen Jahren Hunderttausende Europäer*innen auf die Straße gingen. Diese Konzernklagerechte, die in CETA und vielen der mehr als 3.000 weltweit unterzeichneten Handels- und Investitionsverträgen festgehalten sind, verlangsamen und verteuern Klimaschutzbestrebungen. Sie fressen Zeit, die wir im Kampf gegen den Klimawandel schlicht nicht mehr haben. Auch Kanadische Unternehmen spielen dabei eine unrühmliche Rolle.

Konzernklagen gegen Niederlande, Frankreich, Italien... 

Im September wurde öffentlich, dass der deutsche Energieriese Uniper eine Klage wegen des Kohleausstiegs der Niederlande anstrengt. Unsere Nachbarn wollen ihren CO2-Ausstoß bis 2030 um knapp 50% senken. Uniper fordert nun „Schadensersatz“, weil ein Kohleausstieg die Investitionen des Unternehmens entwerte und Gewinneinbußen absehbar seien. Schon vor dem niederländischen Beschluss eines Kohleausstiegsgesetzes am 10. Dezember drohte Uniper mit einer Konzernklage. Im Raum steht eine „Schadensersatzforderung“ von einer Milliarde Euro.

Frankreich sah sich mit einer ähnlichen Drohung konfrontiert. Im Sommer 2017 schlug der damalige Umweltminister Hulot ein Gesetz zur Beendigung der Förderung fossiler Brennstoffe auf französischen Boden bis 2040 vor. Der kanadische Öl- und Gasförderer Vermilion drohte über eine Anwaltskanzlei mit einer teuren Konzernklage. Als Teil einer breiten Lobbykampagne war diese Klagedrohung eine starke, geheime Waffe im Kampf gegen den Klimaschutz. Das Gesetz wurde schließlich entscheidend verwässert.

Italien hat ebenso mit Konzernklagen zu kämpfen. Das britische Öl- und Gasunternehmen Rockhopper verklagt den Staat derzeit auf 350 Millionen Euro „Schadensersatz“. Zum Schutz der Umwelt hatte das italienische Parlament neue Ölbohrungen vor der Adriaküste verboten. Der Konzern fordert nun etwa siebenmal mehr „Schadensersatz“ als er vorher investiert hatte. Auch in diesem Fall droht eine Konzernklage eine Umwelt- und Klimaschutzmaßnahme zu verteuern oder gar rückgängig zu machen.

In den nächsten Jahren werden Klimakatastrophen wie Hitzesommer, Dürren, Missernten und noch schneller schmelzende Gletscher die Regierungen zu stärkeren Klimaschutzmaßnahmen zwingen. Die Wirtschaftskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer, die zahlreiche Unternehmen vertritt, die gegen staatliche Regulierungen klagen, sieht für sich schon neue Geschäftschancen aufziehen. In Zukunft sei mit vermehrten Klagen gegen Klimaschutzmaßnahmen zu rechnen, so Freshfields.

Der Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz kritisiert, die Klagerechte flößen Regierungen Angst ein, Klimaregulierungen zu erlassen. Denn die Regierungen wissen: Konzernklagen drücken dem Klimaschutz ein teures Preisschild in Form von „Schadensersatz“ für Konzerne auf.

EU will CETA zum Goldstandard machen 

Auch das EU-Handels- und Investitionsabkommen mit Kanada (CETA) enthält Konzernklagerechte, die einem wirksamen Klimaschutz entgegenstehen. Die EU will CETA zu einem Goldstandard für Konzernklagen machen. Die EU-Kommission hat in dem Abkommen mit Kanada ein Investitionsgerichtssystem etabliert. Wird CETA ratifiziert, ist dies ein großer Auftrieb für die Pläne der EU-Kommission, einen multilateralen Investitionsgerichtshof zu schaffen, an dem zukünftig Konzernklagen verhandelt werden sollen.

Eine Ratifizierung CETAs durch den Bundestag und Bundesrat in den kommenden Wochen würde Konzernklagerechte zu einem noch festeren Bestandteil der Globalisierung machen. Konzerne und Investoren können mit CETA weiterhin gegen Umwelt- und Klimaregulierungen klagen.

Mit einer Ratifizierung durch die Mitgliedsstaaten wäre es auch vielen US-Unternehmen möglich, europäische Staaten über ihre kanadischen Tochterunternehmen zu verklagen. Umgekehrt ist dieser Weg europäischen Unternehmen versperrt, da Kanada und die USA in ihrem neuen Abkommen (dem sogenannten USMCA, dem Nachfolger des amerikanischen NAFTA-Abkommens) Konzernklagerechte zwischen ihren beiden Staaten ausgeschlossen haben. 

Die kanadische Außenministerin Chrystia Freeland begründete diese Entscheidung damit, dass Investor-Staat-Klageverfahren (ISDS) die kanadischen Steuerzahler*innen mehr als 300 Millionen Dollar gekostet hätten und die Rechte von Unternehmen über die von unabhängigen Regierungen stellten. Obwohl Freeland maßgeblich an dem Abschluss der CETA-Verhandlungen mit Konzerklagerechten beteiligt war, argumentierte sie im Falle des nordamerikanischen Abkommens, dass dadurch ihre Regierung in ihrem Recht gestärkt würde im öffentlichen Interesse zu regulieren, die öffentliche Gesundheit und die Umwelt zu schützen.

Eine Ratifizierung von CETA käme einer Selbstentmachtung der Politik im Kampf gegen die Klimakatastrophe gleich. Zukünftige Klimaschutzmaßnahmen würden durch weitere Konzernklagen nur unnötig verteuert und ausgebremst. Bundestag und Bundesrat müssen endlich auf die Proteste von Fridays For Future hören. Klimaschutz muss ins Zentrum aller politischen Bemühungen gestellt werden. Dazu gehört es auch, Konzernklagerechte zu stoppen und keine neuen Handels- und Investitionsschutzabkommen wie CETA zu unterzeichnen.

Alessa Hartmann ist Referentin für Handels- und Investitionspolitik bei der Berliner NGO PowerShift e.V. Sie untersucht die Folgen der europäischen Handels- und Investitionspolitik seit zehn Jahren.

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