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Energie & Klima

Standpunkte CO2-Preise brauchen politisches Vertrauen

Sebastian Levi, Wissenschaftler an der Hertie School
Sebastian Levi, Wissenschaftler an der Hertie School

CO2-Preise von weit mehr als 100 Euro sind nötig, um die deutschen Klimaschutzziele zu erreichen. Klingt politisch schwierig, aber eine breite Akzeptanz ist möglich. Dafür müsse das politische Vertrauen gestärkt und Grundsatzdebatten vermieden werden, argumentiert Sebastian Levi von der Hertie School in seinem Standpunkt basierend auf einer neuen Studie.

von Sebastian Levi

veröffentlicht am 19.01.2021

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Die kürzlich eingeführten nationalen CO2-Preise sind ein zentraler Baustein des deutschen Klimaschutzprogramms. Knapp ein Drittel der projizierten Emissionsminderungen im Verkehrs- und Gebäudesektor sollen durch die Einführung von Abgaben auf fossile Energieträger erreicht werden, hat das Öko-Institut ermittelt.

Doch dies funktioniert nur, wenn die CO2-Preise stark ansteigen. In den Gutachten über die Wirkung des Klimaschutzprogramms 2030 für das BMU und BMWi rechnen die jeweiligen Autoren mit Preisen von 125 Euro und 180 Euro Euro pro Tonne CO2 im Jahr 2030. Und selbst in diesen Studien werden die Klimaschutzziele verfehlt, von weiteren Ziel-Verschärfungen der Europäischen Union ganz zu schweigen.

Hohe CO2 Preise sind unbeliebt

Das Problem: Die Bundesregierung hat sich nur auf CO2-Preise von 55 bis 65 Euro pro Tonne im Jahr 2026 festgelegt – und selbst dies nur auf Druck der Grünen im Vermittlungsausschuss. Die Koalitionsparteien selbst konnten sich nur auf Preise von 35 bis 60 Euro einigen – zu groß war die Sorge, mit allzu hohen Belastungen den „sozialen Frieden“ zu gefährden und WählerInnen zu verschrecken.

Das ist verständlich, denn CO2-Preise gehören zu den unbeliebteren Klimaschutzinstrumenten im Gegensatz zur Förderung von erneuerbaren Energien und Effizienzvorgaben, die breiten Zuspruch erhalten. Zudem schwindet die Wählergunst, umso höher der CO2-Preis klettert. Bei zehn Euro ist die Zahlungsbereitschaft noch hoch, aber nur wenige sind generell bereit 100 Euro für eine Tonne zu zahlen, zeigt eine Studie des RWI. Dass höhere CO2-Preise dennoch mehrheitsfähig sein können, zeigen Länder wie die Schweiz, Kanada und Schweden. Schweden hat bereits heute schon einen CO2-Preis von über 100 Euro und trotzdem wünschen sich über 60 Prozent der Schweden weitere Erhöhungen. 

Um besser zu verstehen, wie die Akzeptanz für höhere CO2-Preise gewonnen werden kann, analysiert unsere am Wochenende publizierte Studie Ansichten zu CO2-Steuer-Erhöhungen aus ganz Europa mithilfe von Methoden aus dem maschinellen Lernen.

Das Vertrauen in die Politik bestimmt die Akzeptanz von CO2-Preisen

Die Ergebnisse zeigen, dass die Unbeliebtheit von CO2-Steuern auf mangelndes Vertrauen in die Politik zurückgeführt werden kann. Generelle Klimawandelansichten beeinflussen zwar die Akzeptanz von allen Klimaschutzmaßnahmen, aber nur die Akzeptanz von CO2-Steuern ist abhängig vom Vertrauen in die Politik. Das Vertrauen in politische Institutionen kann die Akzeptanz besser vorhersagen als die Besorgnis über den Klimawandel, das Haushaltseinkommen, oder sogar die generelle politische Orientierung.

Politisches Vertrauen ist deshalb so wichtig für die Akzeptanz von CO2-Steuern, weil viele Menschen deren Wirkweise missverstehen. Viele argwöhnen, dass Kohlenstoff-Bepreisung nur eingeführt wird, um den Staatshaushalt aufzubessern oder Umweltsünder mit Strafen zu belegen. Der Lenkungseffekt des Preissignals für Produktion und Konsumverhalten wird hingegen oft übersehen. 

Rückverteilung von CO2-Preiseinnahmen ist kein Selbstläufer

Als wichtige vertrauensschaffende Maßnahme wird oft diskutiert, CO2-Einnahmen nicht einfach dem Bundeshaushalt zuzuführen, sondern stattdessen in emissionsarme Technologien zu investieren oder an die BürgerInnen zurück zu verteilen.

Gerade die pauschale Rückverteilung von CO2-Preiseinnahmen signalisiere den BürgerInnen, dass diese wirklich nur aufgrund ihrer Lenkungswirkung erhoben werden und die Bevölkerung unterm Strich nicht mehr belastet wird. Die bereits erwähnte Studie des RWI zeigt, dass die Mehrheit der Deutschen CO2-Preise von 100 Euro unterstützen würde, wenn deren Einnahmen wieder zurückverteilt werden.

Das Problem hierbei: In der Realität erkennen BürgerInnen oft nicht, wenn ihnen CO2-Preise zurückerstattet werden. Denn dies passiert meist indirekt über Steuererleichterungen oder andere Fördermittel – in Deutschland beispielsweise über die Absenkung der EEG-Umlage, der Reduzierung der Mehrwertsteuer im Bahnverkehr und der Erhöhung der Pendlerpauschale. Das ist unübersichtlich und hilft somit wenig, dauerhaft Vertrauen aufzubauen. Unsere Studienergebnisse zeigen, dass die gegenwärtigen Rückverteilungsmechanismen in Europa die Akzeptanz für weitere CO2-Steuererhöhungen nur marginal erhöhen – gerade einmal um ein Prozent im Vergleich zu Ländern, welche CO2-Preis-Einnahmen nicht rückverteilen.

Kapitalismuskritiker und Marktliberale gemeinsam gegen CO2-Steuern

Ein weiteres Problem ist, dass CO2-Preise sowohl die Abneigung von Kapitalismuskritikern als auch die von Marktliberalen auf sich ziehen können. Unsere Studie zeigt, dass die Ansichten über Marktregulierung einen starken Einfluss haben – und zwar auf nicht-lineare Weise: Sowohl Kapitalismuskritiker als auch Marktliberale sind bezüglich CO2-Abgaben kritischer eingestellt, als BürgerInnen mit moderaten Ansichten zu Marktregulierung.

Während Marktskeptiker oft generell Marktlösungen und die Kommodifizierung der Natur beargwöhnen, betrachten Marktliberale speziell Steuern als illegitimen Eingriff in den freien Markt. Die Umsetzung von CO2-Preisen in Form von Emissionsmärkten hingegen sehen sie oft positiv – obwohl CO2-Steuern und Emissionsmärkte ökonomisch weitestgehend äquivalent designt werden können und in der Realität sowieso oft Mischkonzepte sind.

Pragmatischer Ansatz und Aussicht auf Dividende helfen

Länder wie Schweden zeigen, dass eine breite Akzeptanz von hohen CO2-Preisen möglich ist. Unsere empirischen Ergebnisse legen nahe, dass hierfür politisches Vertrauen gestärkt werden muss, beispielsweise durch die breite Kommunikation der Wirksamkeit, möglichst aber ohne politisch kontroverse Grundsatzdebatten über Marktlösungen anzustoßen. Die Rückverteilung der Einnahmen ist sehr wichtig, aber kein Selbstläufer.

Studien zeigen, dass diese Rückzahlungen sichtbar sein müssten, um nachhaltig Vertrauen aufzubauen – beispielsweise in Form von jährlichen Direktüberweisungen. Dies ist zwar aufwendig und damit teuer, aber auch beim Kohlekompromiss ist viel Geld in die Sicherung gesellschaftlicher Akzeptanz geflossen. Und Investitionen in politisches Vertrauen sind gerade in heutigen Zeiten notwendiger denn je.

Der Standpunkt basiert auf einem Forschungsartikel der am Wochenende in der Fachzeitschrift Energy Research & Social Science erschienen ist und hier abgerufen werden kann.

Sebastian Levi ist Postdoctoral Researcher an der Hertie School und leitet dort im Projekt ARIADNE die Arbeitspakete zur Akzeptanz von Klimaschutzinstrumenten.

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