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Energie & Klima

Standpunkte Klimaschutz braucht Klimageld

Leonard Burtscher, Umweltinstitut München
Leonard Burtscher, Umweltinstitut München

Zum 1. Januar steigt der CO₂-Preis für fossile Brennstoffe wie Heizöl, Diesel, Benzin und Gas – ein effektives Mittel im Kampf gegen den Klimawandel. Doch wie lässt sich dieser Weg sozial gerecht gestalten? Leonard Burtscher vom Umweltinstitut München plädiert dafür, dass die Einnahmen aus der CO₂-Bepreisung direkt an die Bürger:innen fließen, um soziale Ungleichheiten zu verhindern. Burtscher beleuchtet die politischen Herausforderungen sowie mögliche Finanzierungswege des Klimageldes.

von Leonard Burtscher

veröffentlicht am 18.12.2023

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Während die Klimakrise national wie international vor allem ärmere Menschen trifft, wird sie größtenteils von reichen Menschen verursacht. Global gesehen emittiert das reichste Prozent mehr CO2 als die ärmsten 66 Prozent. In der EU sind die reichsten zehn Prozent für einen etwa 15-mal höheren CO2-Ausstoß verantwortlich als die ärmsten zehn Prozent.

Der CO2-Preis bietet eine gute Möglichkeit, um diejenigen direkt an den Kosten zu beteiligen, die für die Emissionen verantwortlich sind. Für einkommensschwache Haushalte führt ein CO2-Preis aber zu Belastungen, die eines Ausgleichs bedürfen, damit Klimaschutz nicht gegen soziale Gerechtigkeit ausgespielt werden kann.

Jetzt ist der richtige Zeitpunkt für die Einführung des Klimageldes

Auf einen solchen “sozialen Kompensationsmechanismus”, also auf die Einführung eines Klimageldes, hat sich die Ampelregierung in ihrem Koalitionsvertrag geeinigt. Passiert ist jedoch noch fast nichts. Dabei wäre der beste Zeitpunkt für das Klimageld das Jahr 2021 gewesen, als die Bundesregierung die CO2-Bepreisung für Verbraucher:innen einführte. Der zweitbeste Zeitpunkt ist: jetzt.

Denn die Lösung der selbstverschuldeten Haushaltskrise der Ampel sieht unter anderem vor, dass der CO2-Preis ab Januar von derzeit 30 auf 45 Euro pro Tonne steigt. Zwar sind die daraus folgenden Verteuerungen von fossilen Brennstoffen weiterhin eher symbolischer Natur – Benzin wird dadurch knapp vier Cent pro Liter teurer – politische Sprengkraft entfalten sie aber allemal: Die nächste Kampagne des Springer-Verlags ist schon absehbar, und Rechtspopulisten reiben sich die Hände.

Diese offene Flanke des Klimaschutzinstruments CO2-Preis muss daher dringend geschlossen werden. Gerade vor den Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen sowie zum EU-Parlament nächstes Jahr müssen die Menschen sehen, dass die Politik in der Lage ist, die Menschen bei der großen Transformation hin zu einer klimaneutralen Welt mitzunehmen. Funktionierende Politik bleibt das beste Gegenmittel gegen Populismus.

Die Finanzierung des Klimageldes gibt es nicht ohne politischen Mut

Nachdem die Corona-Milliarden aus der Ausstattung des Klima- und Transformationsfonds (KTF) wegfallen, sind mehrere Alternativen zur Finanzierung der grünen Transformation denkbar: die Ausrufung eines Klimanotstands, wie es zum Beispiel die Klima-Ökonomin Claudia Kemfert vorschlägt und die daraus folgende Ermächtigung für die Bundesregierung, ein weiteres Sondervermögen aufzulegen. Die Abschaffung der Schuldenbremse und die Aufnahme von grünen Investitionen in den Bundeshaushalt, oder ein “Klima-Soli” wie vom Wirtschaftsweisen Achim Truger gefordert.

Am sinnvollsten wäre es aber, umweltschädliche Subventionen abzubauen. Das nun beschlossene Ende der Kerosinsteuerbefreiung für Inlandsflüge und der Abbau der Steuerbegünstigung bei Agrardiesel sind ein wichtiger Anfang, aber bei weitem nicht ausreichend. Würden Pendlerpauschale, Dienstwagenprivileg und die Energiesteuervergünstigung für Diesel abgeschafft oder zumindest ökologisch reformiert, wären nicht nur Gelder für klimafreundliche Investitionen verfügbar, sondern umweltschädliche Aktivitäten würden nicht mehr finanziert werden.

Dem Klima wäre damit gleich doppelt geholfen. Nach Schätzung des Umweltbundesamtes summieren sich die fossilen Subventionen auf jährlich etwa 65 Milliarden Euro, bis zu 24 Milliarden davon ließen sich laut dem Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaf (FÖS) kurzfristig abbauen und schon für den Haushalt 2024 verwenden. Das Institut für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel sah 2020 nur einen sehr kleinen Teil aller fossiler Subventionen (etwa zwei Milliarden Euro) als gesamtwirtschaftlich sinnvoll an. Eine fehlende Finanzierung des Klimageldes kann daher kein Argument sein, um die Einführung weiterhin auf die lange Bank zu schieben. Ohne politischen Mut wird sie aber nicht gelingen.

Progressives Pro-Kopf-Klimageld: Reiche zahlen mehr und erhalten weniger

Das Öko-Institut hat kürzlich sieben verschiedene Varianten untersucht, wie ein Klimageld ausbezahlt werden könnte, etwa in Abhängigkeit vom Einkommen, Sozialleistungen, ergänzend oder pro Kopf. Progressiv wirken alle Varianten, insbesondere wenn die Auszahlung einkommensteuerpflichtig ist: Reiche zahlen in jedem Fall deutlich mehr in die Kasse (den Klima- und Transformationsfonds) ein, erhalten nach Steuerabzug aber am wenigsten zurück.

Das Klimageld ist allerdings keine eierlegende Wollmilchsau und nicht geeignet, alle Verteilungsprobleme zu lösen, wie das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung letzte Woche feststellte. Ein Pro-Kopf-Klimageld wirkt dennoch progressiv und ist sozial gerecht – deshalb fordert dies ein breites Bündnis von Umwelt- und Sozialverbänden. Und seit die Bundesregierung angekündigt hat, dass sie mit den Erlösen aus der Erhöhung des CO2-Preises die Haushaltslöcher stopfen will, taucht die Forderung immer häufiger und prominenter auf.

Würden sämtliche Erlöse aus der CO2-Bepreisung rückerstattet, stünden bei dem nun beschlossenen CO2-Preis von 45 Euro pro Tonne ab nächstem Jahr jedem Menschen in Deutschland bereits rund 170 Euro pro Jahr Klimageld zu (Hochrechnung auf Basis einer MCC-Studie). Eine vierköpfige Familie könnte pro Jahr mit etwa 670 Euro Entlastung rechnen. Davon lassen sich zwar kein E-Auto und auch keine Wärmepumpe kaufen, aber die Auszahlung deckt bei klimafreundlichem Verhalten mehr als die Zusatzkosten durch die CO2-Bepreisung.

Damit erfüllt eine Pro-Kopf-Auszahlung neben der progressiven Wirkung eine weitere wichtige Funktion: Sie sichert Klimaschutzmaßnahmen politisch ab. Darüber hinaus besitzt die Pro-Kopf-Auszahlung einen weiteren großen Vorteil: Sie wäre sofort umsetzbar.

Die Auszahlung des Klimageldes ist durchaus möglich

Wie das Klimageld “einfach und spürbar” ausbezahlt werden kann, hat das Ariadne-Projekt schon letztes Jahr aufgezeigt. Dies hielt Finanzminister Christian Lindner aber nicht davon ab, zu behaupten, dass die öffentliche Verwaltung in Deutschland nur 100.000 Überweisungen am Tag ausführen kann. Dieses Argument ist genauso zu bewerten wie der angebliche Mangel an Verkehrsschildern zur Umsetzung eines Tempolimits auf der Autobahn: als hanebüchener Unsinn.

Die Familienkassen führen bereits jetzt monatlich 17 Millionen Überweisungen aus und könnten mit Auftrag des Bundeszentralamts für Steuern schnell für eine sichtbare Überweisung des Klimageldes sorgen, wie Boris Konopka auf klimablog.org ausführlich dargestellt hat. Der vom Bundesministerium der Finanzen (BMF) vorgeschlagene Mechanismus ist dagegen kompliziert, teuer und wird voraussichtlich erst im Jahr 2025 zur Verfügung stehen.

Dass es auch einfacher gehen kann, zeigen unsere Nachbarn: In Österreich wurde ein “Klimabonus” nur acht Monate nach Einführung eines nationalen CO2-Preises erstmals ausgezahlt. In Deutschland gibt es den CO2-Preis seit fast drei Jahren und das Klimageld kann angeblich erst übernächstes Jahr ausgezahlt werden. Der fehlende Auszahlungsmechanismus in Deutschland entpuppt sich als Ausrede, um über den fehlenden Mut zur Finanzierung des Klimageldes hinwegzutäuschen.

Fazit: Die Anhebung des Preispfades im nationalen Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) ab 2024 ist richtig und wichtig für den Klimaschutz. Akzeptanz kann aber nur mit einem sozialen Ausgleich wie dem Klimageld geschaffen werden. Die Erhöhung des CO2-Preises darf daher nicht zur Finanzierung des Haushalts herhalten. Die Einnahmen aus dem BEHG müssen dagegen endlich in voller Höhe an die Bürgerinnen und Bürger ausbezahlt werden, um einen steigenden CO2-Preis dauerhaft politisch abzusichern.

Leonard Burtscher ist promovierter Physiker und Referent für Energie- und Klimapolitik beim Umweltinstitut München.

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