Deutschland ist für 25 Prozent aller europäischen Treibhausgase (THG) verantwortlich und damit ein entscheidender Akteur und Signalgeber für den Klimaschutz in Europa. Die Hälfte der Emissionen in Deutschland werden im Emissionshandelssystem (ETS) erfasst; davon stammen 70 Prozent aus den großen Anlagen zur Stromerzeugung. Die bisherigen Erfolge des ETS bei der Reduktion von THG hielten sich allerdings in Grenzen. Die bestehende Energiebesteuerung im Nicht-ETS-Bereich Wärme und Verkehr dient derzeit überwiegend der Finanzierung öffentlicher Aufgaben (Verkehrsinfrastruktur; Strom- und Energiesteuer). Sie hat keine klimarelevante Wirkung. Es bleibt also noch viel zu tun, um zu einer dem Paris-Ziel angemessenen THG-Reduktion in Deutschland zu gelangen.
Inzwischen liegen zahlreiche Lösungsansätze und Vorschläge auf dem Tisch. Sie sind ausreichend dokumentiert, um zu handeln. Ein ambitioniertes Klimaschutzgesetz mit einem konkreten Vorschlag für eine wirksame CO2-Bepreisung kann es daher noch in diesem Jahr geben.
In der aktuellen Diskussion droht unter dem Schlagwort „CO2-Steuer“ eine Neuausrichtung der bisherigen Steuern und Umlagen auf Energie am Klimaschutz gegen ein mengenbasiertes Instrument der CO2-Bepreisung wie dem ETS ausgespielt zu werden. Damit werden jedoch falsche Fronten aufgebaut und es wird wertvolle Zeit verloren. Eine Ertüchtigung des ETS auf der Basis eines CO2-Mindestpreises und eine parallele Reform der Steuern und Umlagen auf Energie auf der Basis der energieträgerspezifischen CO2-Emissionen stellen keinen Widerspruchdar. Beide sind notwendige Bestandteile wirksamer Klimaschutzstrategien.
Eine neue Studie des CO2-Abgabe e.V. vergleicht verschiedene Varianten einer CO2-Bepreisung auf ihre Klimaschutzwirksamkeit. Untersucht wurden fünf Varianten:
(A) eine europaweite oder nationale Ausweitung des derzeitigen ETS auch auf die Nicht-ETS-Sektoren „Wärme“ und „Verkehr“;
(B) eine Ertüchtigung des bestehenden ETS mittels eines CO2-Mindespreises bei unverändertem Geltungsbereich mit Senkung von Stromsteuer und EEG-Umlage
(C) eine CO2-Besteuerung der Nicht-ETS-Sektoren mit Gegenfinanzierung der Stromsteuer und einer Pro-Kopf-Klimaprämie;
(D) wie C, jedoch mit vollständiger Gegenfinanzierung von EEG- und KWKG-Umlage, sowie der Stromsteuer und der Brennstoffsteuern, dafür Verzicht auf die Klimaprämie;
(E) einer Verknüpfung von Variante B mit Variante C mit vollständiger Gegenfinanzierung von EEG- und KWKG-Umlage sowie der Stromsteuer und der Brennstoffsteuern
Für die Varianten B, C und E wurde von einem Einstiegspreis von 40 Euro pro Tonne CO2 ausgegangen, in Variante E gilt dieser für beide Systemteile; die Variante D beginnt mit einen Preis von 80 Euro pro Tonne. Die CO2-Preise steigen um fünf Euro pro Tonne und Jahr bis sie ein Niveau von 180 Euro pro Tonne erreichen.
Eine europaweite oder nationale Ausweitung des ETS auf die Nicht-ETS-Sektoren Wärme und Verkehr (Variante A) ist keine in der notwendigen kurzen Zeitspanne umsetzbare realistische Option. Wesentliche Gründe sind die langen Vorlaufzeiten für die Entscheidungen in der EU. Die zentralen europäischen Vorgaben zum bestehenden ETS sind gerade erst nach langjährigen Diskussionen reformiert worden. Ausgestaltungsvorschläge und Analysen für die Wechselwirkungen bei einer Ausweitung auf die Nicht-ETS-Sektoren liegen nicht vor. Zusätzlich zur Ausweitung muss die zulässige Menge an Emissionsberechtigungen an den Pariser Klimaschutzzielen ausgerichtet werden, um die THG-Reduktion zuverlässig zu erreichen. Das entscheidende Kriterium einer sehr raschen Umsetzung dieser CO2-Bepreisungvariante ist daher nicht erfüllbar.
Größtes Potenzial liegt in der Stromerzeugung
Die größte und am schnellsten zu realisierende Emissionsminderung ist in Deutschland bei der Stromerzeugung erreichbar. Ein nationaler CO2-Mindestpreis in Verbindung mit dem bestehenden ETS von anfänglich 40 Euro pro Tonne CO2 (Variante B) auf fossile Energieträger zur Stromerzeugung beschleunigt den Kohleausstieg und unterstützt die notwendigen Strukturänderungen im Strommarkt. Er kann zu einem schnellen Erfolg bei der Minderung von THG führen und damit einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung des THG-Minderungsziel 2030 von minus 55 Prozent leisten. Dies dürfte auch die Akzeptanz einer allgemeinen CO2-Bepreisung erhöhen. Das anfängliche Aufkommen in Höhe von 17 Milliarden Euro pro Jahr kann zur Senkung der Stromsteuer, Teilen der EEG-Umlage und/oder zur Finanzierung emissionsarmer Technologien in der Grundstoffindustrie eingesetzt werden.
Ein unveränderter ETS mit den derzeitigen CO2-Preisen (um 25 Euro pro Tonne) und deutlich höhere CO2-Preise im Nicht-ETS-Bereich (Variante C und D) führen zu Verzerrungen im Energiemarkt. Beispiele sind zum Beispiel Fernwärme aus Kohle gegenüber Erdgaseinzelheizungen oder Erdgaseinzelheizungen gegenüber elektrischem Strom für Wärmepumpen aus Kohlekraftwerken. Bei Variante C ist das mobilisierbare Anfangsaufkommen mit rund 13 Milliarden Euro pro Jahr relativ gering, was die Lenkungswirkung beschränkt und begrenzte Spielräume bei den Rückzahlungsmöglichkeiten bietet. Variante D mit hohem Anfangsaufkommen führt anfänglich zu keiner Entlastung des durchschnittlichen Haushalts und erfordert daher eine sorgfältige Gestaltung von Rückzahlungsoptionen an einkommensschwache Haushalte.
Gleiche Einstiegspreise für CO2 über alle Sektoren (beim ETS mit CO2-Mindestpreis) in Höhe von 40 Euro pro Tonne mobilisieren anfänglich das größte Aufkommen mit rund 30 Milliarden Euro pro Jahr. Die Variante E verknüpft die Vorteile der Varianten B und C, vermeidet jedoch Verzerrungen infolge unterschiedlicher CO2-Preise in den Sektoren. Bei der Mittelverwendung bietet sich prioritär die Gegenfinanzierung von EEG-Umlage, KWK-G-Umlage, der Stromsteuer und den Energiesteuern auf Brennstoffe (Wärme) an. Damit wird die Lenkungswirkung hinsichtlich THG-Vermeidung erheblich gesteigert und Fehlanreize, die den effizienten Einsatz erneuerbaren Stroms bei Wärme und Verkehr gegenüber fossilen Brenn- und Kraftstoffen behindern, werden beseitigt.
Die mit der Gegenfinanzierung verknüpfte Strompreisabsenkung bewirkt positive Verteilungswirkungen bei vielen Unternehmen und vor allem bei einkommensschwachen Haushalten. Die Sozialverträglichkeit einer Gegenfinanzierung bestehender Abgaben ist damit vergleichbar mit derjenigen einer Pro-Kopf-Rückzahlung, sie ist allerdings mit deutlich weniger bürokratischem Aufwand verbunden.Variante E setzt jedoch wesentlich früher Anreize für CO2-mindernde Maßnahmen als Variante C, die diese erst ab 2030 bietet. Damit, dass eine Rückerstattung mittels Pro-Kopf-Pauschale die Ausgaben für einen CO2-Preis übertrifft, droht die Gefahr, dass keine klimaschutzwirksamen Investitionen erfolgen. Im Gegenteil: Mit der pauschalen Rückerstattung nimmt die Gefahr sogar zu, dass klimaschädliche Konsumausgaben steigen. In beiden Varianten können mittels gezielter Begleitmaßnahmen Härtefälle vermieden werden.
Keine Einführung einer neuen Steuer notwendig
Das Fazit der Untersuchung des CO2-Abgabe e.V. lautet daher: Eine am CO2-Preis orientierte Reform der Energiesteuern kann durch Anpassung der bestehenden Verbrauchssteuersätze auf fossile Energieträger im bestehenden Energiesteuerrecht umgesetzt werden. Die Einführung einer neuen Steuer ist dazu nicht erforderlich. Auch die Einführung eines CO2-Mindestpreises im ETS kann zügig erfolgen, die aktuellen Vorgaben des ETS erlauben eine rasche nationale Umsetzung. Mit der Variante E werden sowohl die bestehenden energiepolitischen Rahmenbedingungen für eine CO2-Bepreisung optimal genutzt als auch alle Sektoren des Energiesystems gleichermaßen und verursachergerecht in die Pflicht genommen. Die notwendigen weiteren Investitionen in Energieeffizienz und erneuerbare Energien würden so wirksam und zügig angestoßen.
Angesichts des stetig fortschreitenden Klimawandels sind jetzt pragmatische und schnell wirksame Lösungen erforderlich. Dies schließt nicht aus, dass nach 2030 auch ein reformierter, auf das Pariser Klimaziel zugeschnittene ETS mit möglichst dann allen Ländern der EU dazu beitragen kann, die notwendige Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen.