Es ist nicht lange her, da war die Freude über niedrige Zuschläge bei Auktionen für Offshore-Windprojekte groß. Zu Recht. Merkwürdig ist zwar, dass dabei oft von „Null Cent-Förderung“ gesprochen wird, denn einiges wird den Projekten kostenfrei übergeben: Der Netzanschluss, mit Fertigstellungsgarantie, und der Windstandort selbst werden staatlicherseits quasi verschenkt. Und auch die Verantwortung für die sekündlich erforderliche, energiewirtschaftliche Integration liegt in der Hand Dritter. Zugleich ist das EEG in Verbindung mit dem Netzanschlussregime unverändert großzügig. Und ein Gebot, das ein Unternehmen gegen Verluste auf Basis negativer Preise absichert, hat auch einen Wert. Losgelöst davon: Es ist gut, wenn die Förderung deutlich sinkt und mehr Platz für marktnahe Anreize und Marktintegration entsteht.
Das sollte angemessen gewürdigt werden. Grundlage dieser Gebote war eine positive Erwartung hinsichtlich der Entwicklung der CO2-freien Marktpreise. Denn CO2 spielt für Windkraftwerke keine direkte Rolle. Vielleicht war zudem die berechtigte Erwartung ausschlaggebend, dass die Gesetzgebung den weiteren Ausbau strategischer ausrichtet und nicht alleine auf prozentuale Anteile an Erzeugungskapazitäten oder Endenergieverbrauch - viel Strom egal wann und wo - schielt. Man könnte auch sagen: Es ist bei den Erneuerbaren wie bei einem guten Cocktail: Der Alkoholanteil ist wichtig. Aber wenn die Mischung nicht stimmt, wird es ungenießbar.
Spätestens Corona hat offengelegt, was passiert, wenn die eingespeisten erneuerbaren Strommengen stark über dem Bedarf liegen. Und zwar, ohne dass eine zeitgerechte Markt- und Systemintegration erfolgt und zugleich der Börsenstrompreis alleine relevant ist. Wenn der Wert von Flexibilität oder Kapazität auf diese Weise unbedeutend ist, dann sinkt der Strompreis – und zwar drastisch. Es gibt dabei perspektivisch zunehmend Stunden und sogar Tage, an denen mehr erneuerbarer Strom im Netz landet als verbraucht werden kann. Das führt zu negativen Preisen. In diesem Jahr war das bereits in über 230 Stunden der Fall. Und mehrfach auch in mehr als zehn Stunden am Stück. Ein Rekord. Beim weiteren Ausbau wird dieser Rekord nicht der letzte gewesen sein. Vielleicht wird das schon bald zu jeder dritten Stunde passieren, in denen Offshore-Anlagen typischerweise unter Volllast laufen - sofern der Wind weht.
Es ist nachvollziehbar, dass die Unruhe bei Projektentwicklern steigt. Sie sehen das steigende Risiko niedriger Zuschläge und gleichzeitig sinkender Marktpreise. Angesichts der hohen, in vielen Jahren angesammelten Projektvorlaufkosten ist ein niedriges Gebot gegebenenfalls besser als ein zu hohes, das dann ohne Zuschlag bleibt. Damit wird die Finanzierung eines Milliardenprojektes schwierig. Und wenn diese Projektentwickler zudem in verschiedenen Ländern aktiv sind, fällt ihnen womöglich auf, dass derlei Investitionen auf anderen Meeren vielleicht mit weniger Eigenkapital zu finanzieren sind als vor Helgoland.
Aus dieser Gemengelage heraus erklingt der Ruf nach sogenannten „Contracts-for-Difference“ (CfD) – als Allheilmittel für die Sorgen der Projektentwickler. Dahinter verbirgt sich Folgendes: Der Projektentwickler bewirbt sich in einer Auktion mit einem Festpreis pro Kilowattstunde, der immer gezahlt wird, wenn der Wind weht. Nur, dass eine Vermarktung nur pro forma stattfindet. Der Preis wird stets aufgefüllt, das Risiko, dass der Marktpreis sinkt, abgefedert. Im Tausch dafür verzichtet das Unternehmen darauf, einen höheren Erlös zu erzielen, wenn der Strompreis steigt. Aus der Sicht eines Projektentwicklers eine nachvollziehbare Forderung. Dies beruhigt auch finanzierende Banken. Lediglich die Projektion des Windertrages ist erforderlich und entsprechend kann kalkuliert werden.
Voraussetzung für einen CfD ist, dass es einen Marktpreis gibt. Problematisch ist, dass ein solcher Windpark gleichzeitig völlig unabhängig von der Marktentwicklung wird. Es ist wirtschaftlich wie ein Einspeisetarif aus den Anfängen des EEG. Nur der Abrechnungsprozess unterscheidet sich. Anders als in den frühen 2000er-Jahren mit nur wenigen Anlagen ist das Risiko von hohen und niedrigen Preisen nicht mehr ausgeglichen. Wahrscheinlich ist angesichts der bereits benannten Umstände, dass die Absicherung sogar einseitig gegen niedrige Preise erfolgt. Denn logischerweise ist – gerade wenn große Offshore-Investitionen mit hoher Auslastung ans Netz gehen – der Markteffekt eines solchen Modells hoch. Der starke Wind auf der Nordsee drückt eben auch auf die Preise. Je mehr Wind weht, desto stärker der Effekt.
Im Normalfall würden Stromkunden in CfD-Modellen über langfristige Verträge das Risiko tragen oder mit dem Windparkbetreiber teilen. Die Frage ist also, warum diese Kunden nicht zu sehen sind. Fehlt die zeitliche Perspektive? Sind die Preise unter diesen Bedingungen zu hoch? Oder profitieren potenzielle Abnehmer beim Fortschreiben des heutigen Modells stärker? Was es auch immer ist, fest steht: Der angebotene Cocktail hat nur wenige Fans.
Befürworter des CfD-Modells wollen also, dass der Staat die Differenzkosten übernimmt. Das ist auf den ersten Blick nachvollziehbar, denn der Staat hat den Zubau der Erneuerbaren „politisch bestellt“ – mit ambitionierten Zielen, aber offensichtlich ungeeigneten Regeln, wie der Zubau erfolgen soll.
Auch einen Cocktail kann man im Nachhinein nicht mehr retten, wenn er einmal gemixt ist. Den Alkoholgehalt mag man steigern können – aber der Geschmack ist nach dem Panschen meistens hin ...
Was wäre also eine wirkliche Lösung? Ideal wäre eine Unterstützung von systemisch sinnvollen, langfristigen erneuerbaren Stromlieferverträgen. Damit wäre der langgehegte Wunsch, nämlich die Vollendung der Energiewende durch die Integration der Erneuerbaren Energien, in greifbarer Nähe. Hatte das nicht am Anfang jeder politischen Debatte zur Einführung und mehrfachen Reformierung des EEG als Planziel gegolten? Es gibt weitere Möglichkeiten, die Erneuerbaren im Markt fest zu verankern. Marktorientiert wäre beispielsweise auch ein Cap Floor-Modell für eine maximal geförderte Strommenge. Das bedeutete eine echte Risikoteilung bei gleichzeitiger Schaffung von Marktanreizen, um bei hohen Preisen zu laufen – Bilanzierung und Netzanschlussbewirtschaftung inklusive.
Der Ansatz der Offshore-Windprojektierer zeigt aber, dass zunehmend der Staat zur Versicherung gegen die staatlich verursachten Risiken herbei gerufen wird. Das ist vielleicht ein Reflex, nachdem das Cocktail-Rezept schon im ersten Anlauf misslungen ist. Es macht aber wenig Sinn, auf Besserung zu hoffen, wenn man dasselbe Rezept noch einmal anrührt. Denn hier hilft eigentlich nichts als ein echter Remix. Schließlich weiß jeder: Zu viel Hochprozentiges zu schnell genossen, hebt vielleicht kurzfristig die Stimmung, endet jedoch stets mit einem heftigen Kater.