Energie-Klima icon Energie & Klima

Standpunkte Ausschreibungsdesign resilienter und nachhaltiger gestalten

Christian Meyer
Christian Meyer (Grüne), niedersächsischer Energieminister Foto: Sven Brauers

Das Auktionsdesign für Offshore-Windparks muss schnellstmöglich überarbeitet werden, argumentiert der niedersächsische Energieminister Christian Meyer auf Grundlage einer vom Land finanzierten Studie im Auftrag der Stiftung Offshore Windenergie. Die negativen Folgen des bisherigen Designs wögen die hohen Staatseinnahmen mehr als auf und gefährdeten die Energiewende.

von Christian Meyer

veröffentlicht am 20.05.2025

Lernen Sie den Tagesspiegel Background kennen

Sie lesen einen kostenfreien Artikel vom Tagesspiegel Background. Testen Sie jetzt unser werktägliches Entscheider-Briefing und erhalten Sie exklusive und aktuelle Hintergrundinformationen für 30 Tage kostenfrei.

Jetzt kostenfrei testen
Sie sind bereits Background-Kunde? Hier einloggen

Die scheidende Bundesregierung hat zum 1. Januar 2023 ein neues Ausschreibungsmodell für Offshore-Windparks eingeführt, das durch seine spezifische Ausgestaltung primär auf das Erzielen möglichst hoher Staatseinnahmen ausgelegt ist. Kriterien wie europäische Fertigung, Klimaschutz und Nachhaltigkeitskriterien wie der CO2-Fussabdruck oder Vorgaben für grünen Stahl fehlen völlig. Auch sicherheitspolitische Erwägungen wie die Gefahr der Manipulation und Steuerung von Offshore-Anlagen, etwa durch chinesische Schalttechnik, spielen keine Rolle.

Daher ist zu befürchten, dass beim Ausbau der Offshore-Windenergie nicht-nachhaltige Billiganbieter wie Windräder aus China genutzt werden könnten und die heimische Windindustrie verdrängen, obwohl die EU in ihrer Krisenstrategie bis 2030 hohe Anteile eigener Fertigung von Windrädern aus der Europäischen Union versprochen hat. Das bisherige Ziel der Auktionen, möglichst hohe Einnahmen zu Lasten von Resilienz und Nachhaltigkeit, könnte mittel- und langfristig zu Fehlentwicklungen führen.

Fokus auf Auktionserlöse greift zu kurz

Das eingeführte Vergabeverfahren führt dazu, dass der Höchstbietende stets den Zuschlag erhält – das haben die ersten zwei Jahre nach Einführung gezeigt. Zwar wurden für einen Teil der Flächen auch qualitative Kriterien definiert, doch kritisieren Vertreter aus Branche und Landespolitik seit langem, dass diese keine entscheidende Rolle spielen und nur als Mindestvoraussetzungen fungieren. Besonders problematisch ist zudem, dass keine Begrenzung für die maximal erwerbbare Fläche pro Bieter existiert. Dadurch könnte die Marktstruktur einseitig zugunsten großer Akteure verändert werden.

Auch fehlen Anreize für CO2-arme Fertigung und europäische Produktion über die laschen Mindestvoraussetzungen hinaus. Damit wird etwa auch die Transformation der Stahlindustrie hin zu CO2-armen Stahl behindert. Auch aus Sicherheitsgründen sollten im sensiblen Bereich der Offshore-Windkraft Anbieter und Steuerungstechnik etwa aus China ausgeschlossen werden, wie Sicherheitskreise seit langem warnen.

Studie liefert erstmals belastbare Zahlen

Diese einseitige Ausrichtung auf das kurzfristige Höchstgebot führt zu zahlreichen Kollateralschäden, etwa in der Lieferkette und beim Erfüllen der Ausbauziele. Bislang fehlte es jedoch an einer wissenschaftlich fundierten Quantifizierung und Analyse möglicher negativer Folgen des derzeitigen Ausschreibungsdesigns. Die Europäische Kommission hatte die Mitgliedsstaaten bereits in ihrem Wind Power Package aus Oktober 2023 aufgefordert, diese dringend durchzuführen. Diese Lücke schließt nun die von der Stiftung Offshore-Windenergie in Auftrag gegebene Studie des Beratungsunternehmens enervis energy partners. Die Untersuchung analysiert unter anderem die Auswirkungen auf die Investitionskosten (Capex) der Betreiber und die Preise für Strombezugsverträge (PPAs).

Hohe Gebote, hohe Finanzierungsbedarfe, hoher Druck

Das Ergebnis fällt ernüchternd aus. Denn letztlich ist es einfach: Die milliardenschweren Gebotssummen bedeuten nichts anderes als höhere Finanzierungsbedarfe und Risiken. Und das in einer Zeit, in der die Unternehmen durch diverse Entwicklungen ohnehin massiv unter Druck stehen. Die Signale aus der Branche sind entsprechend alarmierend. Danach gibt es für die Erwerber der Offshore-Lizenzen zwei zentrale Hebel, die Rentabilität des Projektes dennoch sicherzustellen: den produzierten Strom teurer zu verkaufen oder beim Einkauf der Großkomponenten zu sparen.

Beides hat extrem negative Folgen für die Energiewende. Zudem könnte der starke Kostendruck die Betreiber dazu zwingen, vermehrt auf chinesische Komponenten zurückzugreifen, was die europäische Windindustrie massiv schwächen würde. Die unzureichende Berücksichtigung des Local Contents und des Carbon Footprints der verwendeten Komponenten ist ein blinder Fleck des Auktionsdesigns, der dringend angegangen werden muss. Damit wir letztlich nicht nur nachhaltig Strom erzeugen, sondern dies auch mit nachhaltig erzeugten Windkraftanlagen, unter anderem aus grünem Stahl.

Droht eine Welle von Projektabbrüchen?

Ein weiteres Risiko des aktuellen Auktionsdesigns liegt in der hohen Wahrscheinlichkeit von Projektabbrüchen. Betreiber geben ihre Gebote auf Basis von Annahmen hinsichtlich Investitionskosten, Strompreisprognosen etc. ab. Das Ausschreibungsdesign ist somit im Wesentlichen darauf angelegt, dass solche Angebote gewinnen, welche auf den riskantesten Prognosen basieren. Falls sich ihre Annahmen als zu optimistisch erweisen, könnte sich der Bau wirtschaftlich nicht mehr lohnen. In einem solchen Fall kann das Unternehmen die Projekte stornieren und lediglich die hinterlegte Garantiesumme verlieren.

Sollten Offshore-Windprojekte in Deutschland abgebrochen werden, wären nicht nur die versprochenen Einnahmen aus der Auktion hinfällig, sondern auch bereits angelaufene Netzanschlusskosten würden die Allgemeinheit belasten. Gleichzeitig würden die geplanten Strommengen fehlen, was die Energiewende ausbremsen könnte. Auch die bislang unzureichende Pönalisierung von Projektabbrüchen muss daher auf den Prüfstand.

Fazit: Hohe Risiken für wenig Entlastung

Die Studie zeigt deutlich, dass das aktuelle Ausschreibungsdesign erhebliche Risiken birgt. Auch wenn hohe Auktionseinnahmen isoliert betrachtet positiv wirken, wiegen die potenziellen negativen Folgen schwer – steigende Finanzierungsbedarfe, höhere Risiken, mögliche Projektabbrüche und eine zunehmende Abhängigkeit von chinesischen Zulieferern.

Die aktuelle Strategie könnte somit langfristig nicht nur die Offshore-Windbranche, sondern auch die gesamte Energiewende sowie die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschafts- und Industriestandorts Deutschland gefährden. Darauf muss die neue Bundesregierung schnellstmöglich eine Antwort finden und das Auktionsdesign überarbeiten.

Lernen Sie den Tagesspiegel Background kennen

Sie lesen einen kostenfreien Artikel vom Tagesspiegel Background. Testen Sie jetzt unser werktägliches Entscheider-Briefing und erhalten Sie exklusive und aktuelle Hintergrundinformationen für 30 Tage kostenfrei.

Jetzt kostenfrei testen
Sie sind bereits Background-Kunde? Hier einloggen