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Energie & Klima

Standpunkte Der Offshore-Wind-Ausbau kann ein Wirtschaftswunder entfachen

Stefan Thimm, Geschäftsführer des Bundesverbandes Windparkbetreiber Offshore (BWO)
Stefan Thimm, Geschäftsführer des Bundesverbandes Windparkbetreiber Offshore (BWO)

Das gestrige Ergebnis der Offshore-Windausschreibung sendet ein eindeutiges Signal und bietet großartige Chancen für die Wertschöpfungskette, schreibt BWO-Geschäftsführer Stefan Thimm im Standpunkt. Für das erhoffte Wirtschaftswunder brauche es aber weitere, industriepolitische Weichenstellungen.

von Stefan Thimm

veröffentlicht am 13.07.2023

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Heute hat die Bundesnetzagentur die Ergebnisse des dynamischen Gebotsverfahrens für vier Offshore-Wind-Flächen in der deutschen Nord- und Ostsee mit insgesamt 7 Gigawatt zu installierender Leistung bekanntgegeben. Die Gewinner BP und Total Energies sind nicht nur bereit, Offshore-Windenergieanlagen in großem Stil ohne Förderung zu errichten, sondern bezahlen dafür die stolze Summe von 12,6 Milliarden Euro.

Ich freue mich heute über diese großartige Entwicklung – auch wenn diese Summe in Zukunft besser gedeckelt werden sollte. Das heutige Signal ist jedoch eindeutig: Die Branche ist stark und festen Willens, Offshore-Windparks in Deutschland zu errichten und zu einer tragenden Säule der Energiewende zu machen. Und klassische Öl- und Gasproduzenten finden auch in Deutschland den Weg in die Offshore-Wind-Technologie. Das ist begrüßenswert, da die Energiewende als Ganzes von einer höheren Akteursvielfalt profitiert. 

Die heutigen Auktionen werden einen wichtigen Beitrag leisten, die installierte Leistung an Offshore-Windenergie in Deutschland von aktuell 8,4 GW auf mindestens 30 GW bis 2030 und mindestens 70 GW bis 2045 zu steigern. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Ausbauziele für Offshore-Windenergie nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa und in weiten Teilen der Welt dynamisch wachsen. In Ostende haben sich am 24. April 2023 neun europäische Regierungen auf die Ausbauziele von 120 GW bis 2030 und 300 GW bis 2050 Offshore-Windenergie in der Nordsee geeinigt. Hinzu kommt das Vereinigte Königreich mit einem perspektivischen Ausbau von weiteren 100 GW. Die US-amerikanische Regierung plant ebenfalls einen Ausbau auf 30 GW bis 2030. Die asiatischen Staaten haben sich bis 2030 235 GW vorgenommen.

Auch wenn weiterhin Nachbesserungsbedarf im Ausschreibungsdesign besteht, weil die ungedeckelte Gebotskomponente schlussendlich die Verbraucher:innen und die Lieferkette zusätzlich belastet, so will ich heute vor allem die großartigen wirtschaftlichen Chancen entlang der gesamten Wertschöpfungskette in den Fokus stellen. Der Ausbau wird sich nicht nur in den Küstenländern, sondern in ganz Deutschland und Europa bemerkbar machen – vorausgesetzt wir schaffen die dafür erforderlichen industriepolitischen Voraussetzungen, damit die notwendigen Investitionen getätigt werden. 

Die wirtschaftlichen Chancen einer solchen Entwicklung sind enorm. Allein für die Installation der Anlagen zur Umsetzung der europäischen Ziele sind nach Expertenberechnungen zwischen 800 Milliarden und 1,2 Billionen Euro an Investitionen notwendig. Hinzu kommen positive Effekte auf Wertschöpfung und Beschäftigung durch den Betrieb über Jahrzehnte. Bin ich zu euphorisch, wenn ich hier die Chance auf ein Wirtschaftswunder sehe? Ich denke nicht. 

Klar ist jedoch: Weder die heutigen europäischen Produktionskapazitäten, noch die bestehende Hafeninfrastruktur, noch die vorhandenen Fachkräfte reichen aus, um einen solchen Anstieg umzusetzen. Der weltweite Wettkampf um Ressourcen und Produktionskapazitäten hat längst begonnen. Aktuell ist die europäische Wertschöpfungskette in der Lage, Produktionskapazitäten für Fundamente, Turbinen, Kabel oder Errichterschiffe für eine Installation von 7 GW jährlich bereitzustellen. Wir brauchen aber rund 30 GW pro Jahr, um die Ziele umzusetzen.

Gleichzeitig wird der Bedarf an Fachkräften im Bereich der Offshore-Windenergie europaweit von heute etwa 80.000 auf 300.000 steigen. Und als Logistikzentren und Drehscheibe der Energiewende muss die Hafeninfrastruktur mit mehr schwerlastfähigen Standorten ertüchtigt werden. Die Häfen benötigen dafür ebenfalls mehr Flächen zur Produktion, Fertigung, Umschlag, Lagerung und Recycling von Komponenten für die Offshore-Windparks. Hier muss die angekündigte Nationale Hafenstrategie die richtigen Weichen stellen. 

Voraussetzung für eine solche Entwicklung ist aber, dass wir uns dieser Herausforderung stellen. Dafür müssen Politik und Wirtschaft an einem Strang ziehen. Der amerikanische Inflation Reduction Act zeigt uns, wie so etwas funktionieren kann. Ich bin sicher, wir können das auch. Deshalb ist es so wichtig, dass wir einen regulatorischen Rahmen schaffen, der unserer meist mittelständisch geprägten Industrie Sicherheit für die notwendigen Investitionen bietet. Dafür setzen wir mit Nachdruck ein. Es geht unter anderem um die Öffnung des KfW-Programms Offshore-Windenergie für die Lieferkette und um eine beschleunigte Sonderabschreibung für die Investitionskosten. Der maritime Antrag der Regierungsfraktionen aus der vergangenen Woche liefert hier weitere wichtige Impulse. 

Nicht zuletzt sehen die Auktionsregeln vor, dass zehn Prozent der Gebotssumme, also 1,26 Milliarden Euro, je zur Hälfte in den Artenschutz und die Förderung einer umweltschonenden Fischerei fließen. Hier gilt es ebenfalls, die Voraussetzungen zu schaffen, damit diese von Offshore-Windpark-Entwicklern bereitgestellten Mittel sinnvoll eingesetzt werden können, um die Vereinbarkeit des Offshore-Wind-Ausbaus mit dem Schutz der Biodiversität und dem Miteinander mit anderen Nutzergruppen der Meere sicherzustellen. Hier bieten wir allen Beteiligten unsere Zusammenarbeit an – gute Ideen sind gefragt! Und passende Meeresflächen, um Naturschutzprojekte umzusetzen. Hier kann der von Schleswig-Holstein angeregte Nationalpark in der Ostsee erste neue Möglichkeiten bieten. 

Auch wenn es vielleicht etwas abgedroschen klingt: Wir schaffen das!

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