Ehrgeizige Treibhausgasziele für eine ferne Zukunft zu setzen – das ist in der Politik ein wohlfeiles Mittel. Gerne überbieten Politiker sich gegenseitig und fordern immer noch höhere Prozentsätze. In der EU und in Deutschland war und ist die Macht dieser politischen Dynamik so groß, dass man sich freiwillig und einseitig zu anspruchsvollen Minderungszielen verpflichtet hat – sogar einschließlich zwischenstaatlicher Strafzahlungen bei Nicht-Erreichung der Ziele für 2030.
Die europäische und deutsche Politik hat diese Ziele ohne
ausführliche Folgenabschätzung und ohne belastbaren Implementierungsplan
festgelegt. Das Binden an diese Ziele geschah also unabhängig von den
Konsequenzen ihrer Umsetzung: nicht abgestimmt auf den Rest der Welt, nicht
abgestimmt auf die Tragfähigkeit der Bevölkerung oder der Staatsfinanzen, nicht
abgestimmt auf die notwendigen Kompensationen zum Erhalt des sozialen Friedens
und der wirtschaftlichen Prosperität. Es ist nicht einmal klar, ob derartige
Ziele in einer offenen, freiheitlich verfassten Gesellschaft überhaupt durchsetzbar
sind, vor allem wenn sie bis zur „Klima-Neutralität 2050“ gesteigert werden.
Die Politik der ehrgeizigen Mengenziele wird dadurch
erleichtert, dass sich aus solchen Vorgaben für die gesamte Volkswirtschaft nicht
direkt ergibt, was sie für einzelne Haushalte oder Unternehmen konkret
bedeuten. Jede und Jeder kann hoffen, dass die großen Minderungsbeiträge von anderen
erbracht werden müssen.
Menge und Preis
Die Verhandlungen über das Ambitionsniveau des
„Klimaschutzes“ werden hingegen konkret, wenn statt über eine Menge über einen
„Preis“ für CO2-Emissionen gesprochen wird. Dieser würde auf den Marktpreis für
Kohle, Öl und Erdgas aufgeschlagen und die Wirtschaftssubjekte dazu verleiten,
die schädlichen Umweltfolgen des CO2-Ausstosses in ihren Investitions- und
Verbrauchsentscheidungen zu berücksichtigen. Je höher dieser Preis, desto höher
die Minderungsanstrengungen. Jede und Jeder kann unmittelbar erkennen, was ein
solcher Preis für die eigene Geldbörse bedeutet.
Für jedes Mengenziel gibt es ein passendes Preis-Niveau. Zu
diesem Preis führt die Summe der individuellen Minderungsentscheidungen zur
jeweiligen gesamtwirtschaftlichen CO2-Minderung. Die Frage ist: Welchen Preis
für CO2 müssten Energieverbraucher in Deutschland mindestens entrichten, damit
die Mengenziele in Summe erreicht werden? Die Antwort ist nicht offensichtlich,
da die (zukünftigen) Zahlungsbereitschaften und somit die Wirkung eines CO2-Preises
unbekannt sind. Zudem gibt es bereits ein komplexes Geflecht von staatlichen
Eingriffen in den Energiesektor, dessen Wirkung bei dieser Rechnung ebenfalls berücksichtigt
werden muss.
Eine aktuelle Studie des Energiewirtschaftlichen Instituts an
der Universität zu Köln (EWI) in Kooperation mit dem Institute for Future
Energy Consumer Needs and Behavior der RWTH Aachen analysiert diesen
Sachverhalt. Unter einer Vielzahl von Annahmen errechnet das Autorenteam, dass
selbst Preisniveaus von rund 90 Euro pro Tonne CO2 zusätzlich zu den bestehenden
Energiesteuern nicht ausreichen könnten, um die Klimaziele 2030 im Verkehrs-
und Gebäudesektor zu erreichen. Zum Vergleich: Derzeit wird Heizöl mit einer Energiesteuer
von umgerechnet etwas mehr als 20 Euro pro Tonne CO2 belastet, Diesel mit rund 180 Euro pro Tonne und
Benzin mit fast 300 Euro pro Tonne – gerade im Wärmesektor wäre die Zusatzbelastung also
enorm.
Die Einführung eines CO2-Preises ist ein zentraler Baustein des aktuellen Klimapakets. Für ihr neues Emissionshandelssystem plant die Bundesregierung allerdings mit einem Preiskorridor von 35 bis 60 Euro pro Tonne für das Jahr 2026, und lässt die weitere Entwicklung offen. Die neue Studie deutet also an, dass ein CO2-Preis deutlich über dem beschlossenen Preispfad nötig wäre, um die Klimaziele zuverlässig zu erreichen.
Effizienz und Verteilung
Die Wirtschaftstheorie geht mit guten Gründen davon aus,
dass ein einheitlicher CO2-Preis der kostengünstigste Weg zur
Treibhausgasminderung ist – ganz gleich übrigens, ob dieser Preis wie eine
Steuer staatlich gesetzt oder durch Zertifikathandel wettbewerblich ermittelt
wird. Fragmentierte Einzelmaßnahmen wie technologiespezifische Subventionen
oder Verbote sind hingegen meist ineffizient. Mittelbar ergibt sich zwar auch daraus
ein Preis für CO2, nämlich das Verhältnis der Mehrkosten zu den erreichten Minderungsmengen.
Dieser implizite Preis ist allerdings weniger transparent und wegen der
Ineffizienz meist höher als eigentlich nötig.
Den verteilungspolitischen Folgen der Klimaziele kann man
also nicht durch eine geschickte Wahl der Minderungsinstrumente ausweichen. Man
kann sie lediglich durch kosteneffiziente Instrumente wie einen CO2-Preis
minimieren, transparent machen und daraus die sinnvollen Kompensationen
ableiten.
Bei allen Schwächen des Klimapakets im Einzelnen ist der darin
vorgesehene Übergang zu einem ganzheitlichen, preisbasierten Ansatz daher ein
Meilenstein in der deutschen Klimapolitik. Denn nun wird über diesen Preis verhandelt.
Damit rücken auch die Verteilungswirkungen der Klimapolitik – und die erforderlichen
Ausgleichsmechanismen – ins Rampenlicht. Hierzu gehören auch Konzepte für sozialen
Wohnraum mit geringem Energiebedarf sowie für die Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur.
Auch das ist im Klimapaket – wenn auch noch unvollständig und bruchstückhaft – erkannt
und adressiert worden.
Kosteneffizienz und gesellschaftlicher Lastenausgleich sind die
zentralen politischen Hebel für eine umfassende Minderung von
Treibhausgasemissionen. Zwar gibt das aktuelle Klimapaket noch keine
abschließenden Antworten auf alle Fragen, aber die grundlegende Erkenntnis
scheint angekommen. Sprich: Die Richtung stimmt.