Anfang Juli, in der letzten Sitzungswoche vor der parlamentarischen Sommerpause, wird voraussichtlich das umfassend novellierte WindSeeG verabschiedet werden. Während sich die politische Diskussion vor allem auf das zukünftige Auktionsdesign konzentriert, gerät ein wenig beachtetes Detail in den Hintergrund: Für Inhaber sogenannter Eintrittsrechte sieht der Entwurf keine Übergangsregelung vor. Damit riskiert Deutschland, seinen Ruf als sicherer Investitionsstandort zu gefährden, Energieerzeuger in langwierige Rechtsstreitigkeiten zu verwickeln und den Ausbau der Offshore-Windenergie unnötig zu verzögern.
Eintrittsrechte als Ausgleich für Übertragung an den Bund
Was ist passiert? Als 2017 das WindSeeG erstmals in Kraft trat, übergaben Unternehmen wie Northland Power, RWE und Vattenfall sämtliche Planungen, Gutachten sowie alle bereits eingeräumten Rechte für Projekte, die vor Inkrafttreten des Gesetzes dezentral geplant und genehmigt wurden, an das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH). Diese Vorleistungen hatten allein bei Northland Power einen Gegenwert von rund 15 Millionen Euro. Als Ausgleich erhielten die Unternehmen ein sogenanntes Eintrittsrecht.
Wird eine Fläche von der Bundesnetzagentur auktioniert, auf der Unternehmen ein solches Recht besitzen und Voruntersuchungen durchgeführt haben, dürfen sie am Ende der Auktion das Eintrittsrecht ausüben. Das passierte bisher, indem sie das Vorhaben unter dem bestehenden Marktprämienmodell des WindSeeG zu dem niedrigsten in der Auktion abgegebenen Gebot ausführen (ähnlich einem Vorkaufsrecht bei Immobilien). Da dies in der Vergangenheit in der Regel Null-Cent-Gebote ganz ohne staatliche Förderung waren, besteht darüber hinaus gemäß der aktuellen Gesetzgebung die Möglichkeit, den Strom nicht an der Börse, sondern als Grünstrom durch gesonderte Abnahmeverträge (PPA) an große Industrieunternehmen zu verkaufen (mit Förderung besteht das so genannte Doppelvermarktungsverbot).
Kleines Detail, großer Schaden
Die nun geplanten Änderungen des WindSeeG würden die Eintrittsrechte faktisch entwerten und somit den Investitions- und Vertrauensschutz von Inhabern unterlaufen. Denn die aktuelle Novellierung des WindSeeG sieht für die vom BSH voruntersuchten Flächen einen zweiseitigen „Contract for Differences“ (CfD) vor. Bei diesem Modell sind die Erlösmöglichkeiten exakt auf den Gebotspreis gedeckelt – abweichend von den Konditionen, zu denen die Eintrittsrechte ursprünglich gewährt wurden. Auch eine Vermarktung als Grünstrom zur Dekarbonisierung der Industrie wäre somit nicht mehr möglich, da eine staatliche Förderung fließt.
Die Einführung der neuen Regeln führt darüber hinaus zur Möglichkeit von strategischen Geboten Dritter, die bewusst unwirtschaftliche Konditionen in Kauf nehmen. Damit erhöht sich das Risiko sehr stark, dass Eintrittsrechte de facto gar nicht mehr ausgeübt werden können. Betroffen sind die drei verbleibenden Projekte mit Eintrittsrechten Nordsee Three (Northland Power/RWE) mit einer Leistung von 420 MW, „Delta 1&2“ (Northland Power/RWE) mit 480 MW und „Atlantis“ (Vattenfall) mit 660 MW, deren Flächen allesamt gemäß Flächenentwicklungsplan 2023 versteigert werden sollen.
Deutschland droht ein massiver Imageverlust bei Investoren
Unternehmen wie Northland Power haben 2017 im Vertrauen auf den Bestand der Gesetzgebung und des Auktionsdesigns ihre Rechte abgetreten, die vorhandenen Voruntersuchungen dem BSH übergeben und weiter investiert. Northland Power ist nun bereits seit vielen Jahren in Deutschland in der Offshore-Windenergie tätig und hat mittlerweile zwei große Offshore-Windparks gebaut (Deutsche Bucht mit rund 260 MW und Nordsee One mit rund 330 MW), die von Norddeich aus betrieben werden. In Hamburg beschäftigt Northland Power 170 Mitarbeiter. Wir sind ein verlässlicher Partner der deutschen Energiewende – gleiches erwarten wir von der Bundesregierung in Richtung Unternehmen.
Als kanadisches Unternehmen liegt es quasi in unserer Natur, nach Ausgleich zu suchen. Eine Lösung wäre, für Projekte mit Eintrittsrechten im Gesetz eine Möglichkeit zu schaffen, nach der Ausübung des Eintrittsrechts und vor der Inbetriebnahme des Projekts von einem CfD-Modell in die sogenannte „sonstige Direktvermarktung“ im EEG wechseln zu können – genauso wie es bisher der Fall war. Mit dieser Vorgehensweise würde das unter der jetzigen Novellierung präferierte CfD-Modell für alle anderen voruntersuchten Flächen die Regel bleiben.
Der mögliche Wechsel in die sonstige Direktvermarkung würde die besondere Situation und Rechte der verbleibenden drei Projekte mit Eintrittsrechten angemessen berücksichtigen. Die Ausnahme würde zudem automatisch nach der Auktionsrunde 2023 erlöschen, es existieren dann keine weiteren Projekte mit Eintrittsrechten mehr. Es wäre ein guter Interessenausgleich für alle Seiten, dem sich das Bundeswirtschaftsministerium aber bisher verschließt – inzwischen sogar zur Sorge der kanadischen Regierung.
Mit dieser kleinen und einmalig wirkenden Nachbesserung kann der Gesetzgeber im parlamentarischen Verfahren jetzt den Weg freimachen für einen unbehinderten Ausbau der Offshore-Windenergie ohne mögliche Klagen – und für die Fortführung der international anerkannten Investitionssicherheit Deutschlands.