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Energie & Klima

Standpunkte Die fatalen Folgen der abgeschwächten EU-Gebäuderichtlinie

Paul Kowitz, KPC Kowitz Policy Consultants
Paul Kowitz, KPC Kowitz Policy Consultants Foto: KPC Kowitz

Die Europäische Union ringt um die Vorschriften für Gebäudeeffizienz. Warum die Absage an Sanierungspflichten langfristig keine gute Idee ist, beschreibt der auf den Immobilienmarkt spezialisierte Unternehmensberater Paul Kowitz in seinem Standpunkt. Die Richtlinie sei schon jetzt so verwaschen, dass sie kaum noch Sinn ergebe und einen Zweck erfülle.

von Paul Kowitz

veröffentlicht am 04.12.2023

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Im Gebäudebereich geht kaum etwas voran. Seit es in Deutschland das Bundes-Klimaschutzgesetz gibt, hat der Sektor ohne Ausnahme sein spezifisches Klimaziel verfehlt – und zwar von Jahr zu Jahr deutlicher. Zwar sprechen die langen Investitionszyklen von Gebäuden gegen kurzfristige Zielsetzungen. Allerdings braucht es gerade deshalb langfristige Signale.

Hätte die Politik ihre Hausaufgaben gemacht, würde der Emissionshandel dieser Rolle gerecht werden. Die Verabredungen auf europäischer Ebene, den Wärmebereich in einem zusätzlichen Handelssystem mit einem CO2-Preis zu belegen, waren richtig. Sie folgen gedanklich einer Anreizpolitik, die über einen stetig aufwachsenden CO2-Preis dazu geführt hätte, dass Eigentümer und Investoren lieber in energetische Sanierung investieren als in einen dauerhaft teuren Betrieb.

Doch das funktioniert nur über Preise, die irgendwann auch einmal wehtun. Die vorerst verabredete „Deckelung“ des europäischen CO2-Preises bei 45 Euro je Tonne CO2 liegt sogar noch unter dem verabredeten Niveau des deutschen Brennstoffemissionshandels – die Signalwirkung ist gleich null. Es ist zwar möglich, dass die Preise ab 2027 auch deutlich höher liegen – verbindlich und berechenbar ist das zukünftige Niveau jedoch keinesfalls. Der Emissionshandel funktioniert insbesondere im kleinteiligen Gebäudebereich nur, wenn mit ihm die Verlässlichkeit steigender Preise einhergeht. Die daraus generierten Einnahmen aus dem CO2-Handel hätte der Staat zugunsten von Härtefällen und Investitionsprogrammen wieder ausreichen können.

Im Grunde war die Gebäuderichtlinie im „Fit-for-55“-Paket gar nicht vorgesehen, und so sticht sie mit ihrem ordnungsrechtlichen Stachel in einer Weise heraus, der geradezu Widerstand produzieren musste. Die Richtlinie wurde nachträglich veröffentlicht, weil aufgefallen war, dass der Gebäudebereich nur unzureichend angesprochen ist. Man könnte meinen, umso schärfer fiel in den Entwürfen auch das Ordnungsrecht aus – wenn man so will, gewissermaßen ein politischer Verzweiflungsakt, um der (vermeintlichen) Behäbigkeit des Immobiliensektors beikommen zu wollen.

Im Diskurs verengte sich alles auf Sanierungspflichten

Die Gebäuderichtlinie – im Kommissionsentwurf immerhin 79 Seiten stark – adressierte ursprünglich eine Fülle von Maßnahmen, von der neuen Definition eines Neubaustandards über die Einführung einer verpflichtenden THG-Lebenszyklusbilanzierung für große, neue Gebäude bis zu einer PV-Pflicht und Anforderungen an die Elektromobilität. Dennoch hat sich die Debatte im Kern an den Sanierungspflichten festgebissen. Im konservativen Sprachgebrauch wird in diesem Zusammenhang auch gerne von „Zwangssanierungen“ gesprochen, die in Deutschland bei Widersetzen in einer angeblich vorgezeichneten Pfadabhängigkeit in Vermietungsverbote gemündet wären.

Ausgangspunkt von Sanierungspflichten wären die Gebäudeausweise gewesen. Eine harmonisierte, EU-weit gleiche Skala von A bis G hätte den jeweils nationalen Gebäudebestand klassifiziert. An diesem hätten sich die Gebäude entlang ihres energetischen Zustands eingruppiert. Nach Vorstellungen des EU-Parlaments hätten die zu Wohnzwecken genutzte Bestandsobjekte der Gebäudeklassen E, F und G gestaffelt bis spätestens 2033 in die Klasse D modernisiert werden müssen. Das beträfe überschlagsweise rund ein Drittel des Wohnbestandes in Deutschland. Unnötig zu sagen, dass diese ordnungsrechtliche Vorgabe in die allermeisten Investitionszyklen bestehender Gebäude eingegriffen hätte.

Keine Gebäudeausweise oder Sanierungspflichten im engen Sinn

Dieser letztlich überaus effiziente Ansatz, die energetisch schlechtesten Gebäude zuerst in Angriff zu nehmen („worst first“-Prinzip), ist im Trilog zwischen Kommission, Rat und Parlament im Oktober bis zur Unkenntlichkeit verwaschen worden. Fortan soll eine ganz andere Systematik greifen. Gebäudeausweise wird es nämlich nicht geben. Stattdessen sollen die energetisch schlechtesten 43 Prozent eines jeweils nationalen Gebäudebestandes modernisiert werden müssen. Wer hat das gewürfelt? Die Mitgliedstaaten wollen, dass diese ihren Primärenergieverbrauch bis 2030 um 55 Prozent senken. Über den gesamten Gebäudebestand – jeweils als nationale Betrachtung – soll der Primärenergieverbrauch bis 2030 um 20 bis 25 Prozent sinken. Die Zahlen werden an diesem Donnerstag im abschließenden Trilog noch final verhandelt.

Im Umkehrschluss heißt der Zwischenstand Folgendes: 57 Prozent, also mehr als die Hälfte der deutschen Gebäude, werden gar nicht erst richtig regulatorisch adressiert. Wenn das IW Köln Recht hat und der Einbau einer Wärmepumpe erst ab der Gebäudeklasse D wirklich Sinn macht, versetzt man schlicht die Hälfte erst gar nicht in die Lage für klimaschonende Technologien.  Wenn man ein Gebäude schon anfasst, sollte es nach der Sanierung mehr können müssen als nur die Hälfte seiner CO2-Emissionen im Betrieb zu senken. Denn andernfalls müsste bereits nach zehn Jahren schon wieder in den Lebenszyklus eingegriffen werden, weil sich keines dieser Gebäude auch nur annähernd auf dem Pfad der Klimaneutralität befindet.

Und das Scheitern setzt sich fort: Kein „neuer“ Neubaustandard, der sich vom GEG-Referenzgebäude merklich unterscheidet; keine THG-Lebenszyklusbetrachtung, um die graue Energie zu berücksichtigen; keine PV-Pflicht, die eine Verschmelzung von Energie und Immobilie in innovativen Geschäftsmodellen befördert hätte; nicht einmal einheitliche Gebäudeausweise werden Standard. Welchen Sinn hat diese Richtlinie noch?

Ferner hat die Bundesregierung es versäumt, auf EU-Ebene für den Quartiersansatz zu werben. Das EU-Parlament musste das in Artikel 3a nachholen. Ob wenigstens der Quartiersansatz den Trilog überlebt, ist offen.

Die Folgen der abgeschwächten Richtlinie sind heute schon erkennbar

Man kann durchaus der Ansicht sein, dass die überaus scharfen Sanierungspflichten kaum wirtschaftlich hätten umgesetzt werden können – obwohl das stark in Abhängigkeit zu setzen ist mit der jeweiligen Gebäude-/Quartierssituation vor Ort. Faktisch sorgt Ordnungsrecht aber auch für Klarheit. Unternehmen, die nach Rechtssicherheit und Verlässlichkeit rufen, erhalten mit dem Ordnungsrecht genau das. Investoren erhalten eine Planbarkeit, weil sie wissen, was von den Objekten der Zukunft politisch erwartet wird.

Um zum Anfang zurückzukehren: Wirtschaftlicher wäre die Planbarkeit und das gewünschte Ergebnis über den Emissionshandel gelungen, wenn man diesen mit flankierenden Maßnahmen versehen hätte. So oblag es der Gebäuderichtlinie, für die notwendige Klarheit zu sorgen. Daran wird die Politik wohl nun scheitern. Klarheit und Verbindlichkeit, die den Gebäudesektor ein Stück näher an die Klimaneutralität bringt, ist nicht (mehr) zu erwarten.

Und das hat Folgen: Die – wenn man es scharf formulieren will – Untätigkeit auf regulatorischer Seite verkürzt die Zeitschiene bis zum selbst gesteckten Ziel der Klimaneutralität. Das bedeutet, dass die heute nicht ergriffenen Maßnahmen im Sinne ambitionierter Vorgaben für den Gebäudebereich nur dazu führen werden, dass etwa ab 2030 die Vorgaben nur umso schärfer, umso härter, umso teurer ausfallen müssen – egal, ob mit Ordnungsrecht oder mit Anreizpolitik.

Dr. Paul Kowitz ist Politologe und geschäftsführender Gesellschafter bei KPC Kowitz Policy Consultants. Er berät Immobilienunternehmen strategisch und konzeptionell in Fragen der Immobilienpolitik mit besonderen Schwerpunkten auf Klimaschutz, Energierecht und Stadtentwicklung.

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