Die Klimakrise lässt sich genauso wenig leugnen wie der dramatische Mangel an bezahlbarem Wohnraum. In dieser Situation fordert der Expertenrat für Klimafragen ein Gesamtkonzept für den Klimaschutz. Dieselbe Notwendigkeit besteht auch für die Sicherung und Schaffung bezahlbaren Wohnraumes – es braucht eine integrierte Strategie, die beide Aufgaben zusammen angeht.
Mangel geht immer zulasten der Ärmeren. Das gilt sowohl für Wohnraum als auch für Klimaschutz durch erneuerbare Energien. Die Bundesregierung hat ehrgeizige und richtige Ziele sowohl für den Wohnungsneubau als auch für den Ausbau erneuerbarer Energien beschlossen. Erfüllt werden sie bisher nur beim Ausbau der Photovoltaik.
Ähnlich wie bei der Windkraft erleben wir aktuell Widerstände gegen viele Wohnbauprojekte. In beiden Fällen geht es im Kern um die gesellschaftliche Akzeptanz. Klar ist, ein einfaches „Weiter so“ kann es nicht geben.
Wenn weltweit wie bisher vor allem mit Stahl und Beton gebaut wird, wird das noch vorhandene Budget zur Erreichung des völkerrechtlich verbindlichen Zwei-Grad-Zieles kaum einzuhalten sein. Nicht oder weniger zu Bauen ist bei einer bis zum Jahr 2050 um 1,5 bis 2 Milliarden Menschen wachsenden Weltbevölkerung undenkbar. Es wäre auch in Deutschland bei der stark anwachsenden Zahl von Wohnungssuchenden und Wohnungslosen und angesichts der hohen Kosten für Wohngeld, Kosten der Unterkunft sowie die Unterbringung Wohnungsloser unverantwortlich.
Die Kosten dieser sozialen Unterkünfte werden deutschlandweit im Jahr 2023 voraussichtlich 14,05 Milliarden Euro betragen, davon muss der Bund 74 Prozent stemmen, also 10,4 Milliarden Euro. Allein die Ausgaben für Wohngeld betragen laut Bundeshaushalt in 2023 2,4 Milliarden Euro. Dazu kommen die Kosten der Unterbringung Wohnungsloser, die die Kommunen bezahlen. Hier ist ebenfalls mit einem Betrag in Milliardenhöhe zu rechnen. Notwendig ist daher eine jährliche Veröffentlichung aller Transferzahlungen im Bereich Wohnen, egal ob Bund, Länder oder Kommunen zahlen.
CO2-arme Baumaterialien unterstützen
Neubauten und Sanierungen sind aufgrund der Wohnraumkrise notwendig, müssen aber aufgrund der Klimakriese klimafreundlich sein. Der entscheidende Schlüssel dafür ist – wo immer möglich – der Einsatz biologischer Materialien wie Holz, Hanf, Stroh oder Schilf. Sie machen Gebäude zu langfristigen CO2-Speichern, eingebunden in eine umweltverträgliche Landnutzungsstrategie und eine echte Kreislaufwirtschaft.
Aktuell sind klimaschädliche Baustoffe wie Stahl und Beton nur zu einem Teil in den europäischen Emissionshandel einbezogen. Das ist eine verdeckte Subventionierung zulasten klimafreundlicher Baustoffe wie Holz. Die EU hat aktuell beschlossen, dass bis 2034 alle industriellen Emissionen voll in den Emissionshandel integriert werden. In der Übergangsphase bis dahin ist es wichtig, den Einsatz von Holz und anderen biologischen Materialien gezielt zu fördern und anzureizen, und zwar gekoppelt an die CO2-Speicherung in diesen Materialien. Hamburg tut dies bereits. Damit kann nicht nur ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz geleistet werden, sondern auch zum Aufbau einer neuen, regional und mittelständisch geprägten Industrie.
Günstige Darlehen machen günstige Mieten möglich
Neben dem Einsatz klimafreundlicher Materialien sollte die Regierung den Schwerpunkt auf die Förderung „bezahlbaren Wohnraums auf Dauer“ legen. Es ist unverständlich, warum hier keine stärkere Orientierung am Wiener Beispiel erfolgt. Dort wird seit Jahrzehnten gezeigt, wie bezahlbarer und spekulationsfreier Wohnraum für breite Bevölkerungsschichten finanziert und gebaut werden kann und dabei lebendige Stadtteile mit guter Infrastruktur entstehen.
Die Verbindung von Klimaschutz und sozialer Wohnungspolitik nach Wiener Vorbild würde auch die Akzeptanz neuer Bauvorhaben in Deutschland deutlich steigern. Dabei geht es neben einer sozialen Bodenpolitik und effektiven Regeln zur Besteuerung von Immobiliengewinnen vor allem um eine alternative Finanzierung. Niedrigverzinste und spät zu tilgende staatliche Nachrangdarlehen für die gemeinnützige Wohnungswirtschaft sind dort der Schlüssel für bezahlbaren Mietwohnraum. Zins und Tilgung werden so reduziert, was unmittelbar eine deutlich niedrigere Miete zur Folge hat. Wenn durch eine solche Ausrichtung wieder Mietwohnungsneubau für breite Schichten der Bevölkerung bezahlbar und klimapolitisch verantwortbar wird, wird auch die Akzeptanz deutlich steigen.
Mit den richtigen Regeln kann somit klimafreundlicher Wohnraum geschaffen werden. Parallel ist die Versorgung der Gebäude mit Strom, Wärme und Kälte aus Erneuerbaren Energien sicherzustellen.
Akzeptanz ist auch das Schlüsselwort im Hinblick auf den Ausbau erneuerbarer Energien. Ein wesentlicher Aspekt für die Widerstände ist, dass die niedrigeren Stromgestehungskosten von Wind und Photovoltaik nicht bei den Verbraucher:innen ankommen. Mit den neuen Ausbauzielen für Wind und PV sowie der Abschaffung der EEG-Umlage hat die regierende Koalition schon entscheidende Schritte eingeleitet, aber weitere sind nötig.
Dazu gehört die gesetzliche Verankerung des „Nutzen-statt-Abregeln“-Prinzips, wie sie die Ampel-Koalition mit der aktuellen Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes umsetzt. Damit können unter anderem netzdienliche Elektrolyseure finanziert und gebaut werden. Dies ist besser als, wie im Jahr 2022, 4,2 Milliarden Euro für das Netzengpassmanagement auszugeben.
Ängste vor Armut und Wohnungslosigkeit reduzieren
Wenn die Energiewende dezentraler, demokratischer und digitaler wird, sinken auch die Kosten und steigt die Akzeptanz. Deswegen ist die dezentrale und netzdienliche Vermarktung von Strom in Energiegemeinschaften zuzulassen. Dabei geht es um den Zusammenschluss mehrerer Akteure zum Zweck der gemeinschaftlichen Energieerzeugung und -speicherung und des geteilten Verbrauchs. Dies ist bindendes europäisches Recht, das schnellstmöglich auch in Deutschland national umgesetzt werden muss. Diese dezentrale Konzeption für die Erzeugung und Nutzung von Strom lässt sich kostengünstig mit dem Bau von Wärmenetzen nach dänischem Vorbild verbinden.
Zu den richtigen Regeln gehören auch sinnvolle Mindesteffizienzstandards. Es ist gut, dass die Kosten der CO2-Bepreisung für Erdgas und Öl in Deutschland abhängig vom energetischen Standard der Gebäude zwischen Vermieter:innen und Mieter:innen aufgeteilt werden. Nun erleben wir aktuell eine Diskussion, dass Gasetagenheizungen durch strombetriebene Klimageräte ersetzt werden sollen. Die auch in diesem Fall von der Gebäudeeffizienz abhängigen Betriebskosten würden danach voll von den Mieter:innen zu tragen sein. Wir brauchen für diese Fälle eine klare Regelung. Sie sollte vorschreiben, dass diese Geräte nur dann eingebaut werden können, wenn Gebäudehülle und Haustechnik die Voraussetzungen für den wirtschaftlichen Einsatz erfüllen.
Mit den skizzierten Reformen werden wir einen starken Bau sowohl von bezahlbarem Wohnraum als auch von erneuerbaren Energien sehen, bei den EE sogar verbunden mit sinkenden Kosten. Wenn dieser Weg jetzt konsequent eingeschlagen wird, kann auch das Vertrauen in die Demokratie wieder wachsen, weil die Ängste vor Wohnungslosigkeit und Energiearmut ihre Grundlage verlieren.
Andreas Rimkus, MdB, ist Berichterstatter für Sektorkopplung, Wasserstoffbeauftragter der SPD-Bundestagsfraktion und Mitglied im Vorstand des Deutschen Mieterbundes NRW. Klaus Mindrup war von 2013 bis 2021 SPD-Bundestagsbgeordneter und ist unter anderem Vorsitzender des Energiedialog 2050 e.V.