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Energie & Klima

Standpunkte Eisen als Gamechanger der Energiewende

Dr. Michèle Knodt, Professorin am Institut für Politikwissenschaft der TU Darmstadt
Dr. Michèle Knodt, Professorin am Institut für Politikwissenschaft der TU Darmstadt

Die Energiewende erfordert leistungsfähige Langzeit-Speicherlösungen, um erneuerbare Energien flexibel nutzbar zu machen. Die Nutzung von Wasserstoff als hauptsächliche Lösungsoption wird aufgrund von Schwierigkeiten beim Import und Verzögerungen der Infrastruktur zunehmend infrage gestellt. Eisen bietet als sicherer, effizienter und nachhaltiger Energieträger eine vielversprechende Alternative, die Strom, Wärme und Wasserstoff CO2-frei speichert und transportiert.

von Michèle Knodt

veröffentlicht am 03.01.2025

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Die Energiewende ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Während Wind- und Solarenergie die Welt mit sauberem Strom versorgen können, bleiben Speicher- und Transportlösungen ein entscheidendes Hindernis. Hier könnte in Zukunft ein altbekanntes Material eine Schlüsselrolle spielen: Eisen. In unserem „Clean Circles“-Projekt zeigen wir, dass das Metall nicht nur sicher und nachhaltig, sondern auch ein äußerst effizienter und skalierbarer Energiespeicher ist – mit dem Potenzial, die globale Energiewende zu beschleunigen.

Die Herausforderungen der Energiewende

Wind- und Solarenergie stehen nicht immer zur Verfügung. Um sogenannte Dunkelflauten und saisonale Schwankungen zu überbrücken, brauchen wir effiziente Speichertechnologien, die über Stunden und Tage hinaus große Energiemengen speichern können. Während Pumpspeicherkraftwerke und Batterien für kurzfristige Speicheranwendungen geeignet sind, werden für die Langzeitspeicherung bisher vorrangig Wasserstoff und dessen Derivate Ammoniak und Methanol diskutiert.

Allerdings sind viele Fragen von Speicherung und Schiffstransport der grünen Gase noch weitgehend ungeklärt. Metallpulver, vor allem Eisen, könnte hier eine einfachere und effizientere Alternative bieten.

Eisen als innovativer Energieträger für eine CO2-freie Kreislaufwirtschaft

Eisen überzeugt durch eine hohe Energiedichte, die etwa zehnmal höher ist als die von komprimiertem Wasserstoff und sogar fossile Brennstoffe übertrifft. Eisen ist ungiftig, weltweit reichlich verfügbar und sicher zu transportieren. Im Zentrum dieser technologischen Lösung steht ein geschlossener Kreislauf: Eisenpulver kann etwa in umgerüsteten Kohlekraftwerken, ohne CO₂ zu emittieren, oxidiert (also verbrannt) werden. Dabei wird die im Eisen gespeicherte Energie in Form von Wärme freigegeben und kann für die Erzeugung von Strom oder Fernwärme genutzt werden.

Neben der Herstellung von Wärme und Strom bietet Metallpulver auch die Möglichkeit zur Herstellung von Wasserstoff „on demand“. Bei diesem Prozess bildet sich durch den Oxidationsprozess Eisenoxid, das vergleichbar mit Rost ist. Dieses wird zu den Produktionsstandorten für erneuerbare Energien transportiert, um dort Strom aus Wind- oder Solaranlagen einzuspeichern. Dabei wird chemisch der Sauerstoff vom Eisenoxid abgespalten, das Eisenoxid somit reduziert. Es entsteht wieder Eisenpulver, in dem der Strom nun als chemische Energie gespeichert ist. Dieses wird erneut dorthin transportiert, wo die gespeicherte Energie gebraucht wird. (siehe dazu Grafik)

Besonders nachhaltig: Das Eisen wird nicht verbraucht, sondern in einem geschlossenen Kreislauf geführt. Dieser sorgt für eine nachhaltige und effiziente Nutzung der Ressourcen und unterstützt den Aufbau einer zirkulären Energiewirtschaft. Doch nicht nur für die Umrüstung alter Kohlekraftwerke kann Eisen genutzt werden. Vielmehr könnte es überall dort eingesetzt werden, wo hohe Temperaturen in der Produktion benötigt werden, so etwa in der Stahlindustrie.

Vorteile gegenüber anderen Speichern und Komplementarität zum Wasserstoff

Im Vergleich zum Wasserstoff, der als leicht entzündliches Gas unter hohem Druck oder bei extrem niedrigen Temperaturen und unter hohen Sicherheitsstandards gelagert werden muss, ist Eisen einfach zu handhaben. Eisen kann durch seine hohe Energiedichte in kleinen Speichervolumen und bei Umgebungstemperaturen gelagert werden. Aus Sicherheitsgründen werden Metallpulver aufgrund ihrer Entzündbarkeit in abgeschlossenen Behältern unter konstanter Atmosphäre gelagert. Hierfür existieren etablierte technische Lösungen und Sicherheitsnormen, wie der weltweite Handel von aktuell knapp 26 Millionen Tonnen direktreduziertem Eisen zeigt.

Es benötigt zudem keine spezielle Infrastruktur – bestehende Transportwege reichen aus. Das ermöglicht eine Versorgung ohne einen kostenintensiven Aufbau von neuen Netzen. Eisen ist somit komplementär zu Wasserstoff und adressiert noch offene wesentliche Herausforderungen wie Langzeitspeicherung und leitungsungebundenen Transport.

Ein weiterer Vorteil: Bereits existierende Kohlekraftwerke könnten mit überschaubarem Aufwand und Kosten CO2-freie thermische Eisenkraftwerke umgerüstet werden. Dies bietet eine Chance, Infrastruktur nachhaltig zu nutzen, statt den Weg der Stilllegung oder kostenintensiveren Umrüstung auf Gaskraftwerke zu gehen – ein großer wirtschaftlicher Gewinn für die betroffenen Regionen.

Ein europäischer Vorstoß mit globalem Potenzial

Europa könnte bei dieser Technologie eine Vorreiterrolle einnehmen. Während neben Deutschland und den Niederlanden mittlerweile auch in Ländern wie Kanada und China intensiv an Metallpulvern geforscht wird, verfügt Europa über das Know-how und die Infrastruktur, um Eisen im großen Maßstab als Energieträger einzusetzen. Dies würde nicht nur die Energieversorgung sicherer und nachhaltiger gestalten, sondern auch die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen verringern. Es ist nun entscheidend, die Entwicklung durch Leuchtturmprojekte voranzutreiben. Dazu ist auch bei nachhaltigen Energiespeichern Technologieoffenheit gefragt.

Die Energiewende erfordert innovative Lösungen, die praktikabel und skalierbar sind. Eisen hat das Potenzial, eine tragende Rolle zu spielen: Es ermöglicht die Speicherung und den Transport großer Mengen erneuerbarer Energie über lange Zeiträume und große Entfernungen sowie die CO2-freie Nutzung.

Mit politischer und wirtschaftlicher Unterstützung könnte Eisen zu einem zentralen Baustein der globalen Energiewende werden. Es wäre somit eine Technologie für eine klimaneutrale Energiezukunft, die sich durch Resilienz, Flexibilität und Effizienz auszeichnet. Jetzt ist der Moment, in diese Zukunft zu investieren.

Der Text entstand in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Christian Hasse (Simulation of reactive Thermo-Fluid Systems) und Dr. Marius Schmidt (Geschäftsführung Clean Circles), beide ebenfalls an der TU Darmstadt tätig.

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