Die Dezentralisierung des Energiesystems schreitet voran mit bereits heute Millionen kleiner Erzeugungsanlagen und Prosumern. Die Prosumer übernehmen dabei eine zentrale Rolle für die Versorgung und für die Stabilität des Energiesystems. Wer Strom im eigenen Haushalt oder Betrieb selbst erzeugt und nutzt, sollte diesen auch lokal teilen können. Das klingt logisch und sollte selbstverständlich sein. Energy Sharing bietet viele Vorteile: geringere Systemkosten, höhere Energieeffizienz und weniger Abregelungen. Hinzu kommt die soziale Komponente. Diejenigen, die keine geeignete Dachfläche für PV oder keinen Platz für einen Speicher haben, könnten als Teil einer Energiegemeinschaft dennoch von der lokalen Erzeugung profitieren.
Denkbar sind verschiedene Optionen für den Energie- und Leistungsaustausch, sei es lokal im Wohnviertel oder zwischen Gewerbebetrieben und öffentlichen Gebäuden. Intelligente Energiemanagement-Systeme könnten diesen Austausch automatisiert abwickeln und optimieren.
Gemeinsam genutzte und dezentrale Energiespeicher können solche Gemeinschaften optimieren, indem sie durch die zeitliche Verschiebung von Energiemengen die notwendige Flexibilität bereitstellen sowie den Autarkiegrad und die Versorgungssicherheit erhöhen. So könnten beispielsweise mehrere Häuser innerhalb einer Wohnsiedlung denselben Speicher verwenden. Technologisch ist dies schon lange möglich und auch die digitale Einbindung über größere Distanzen hinweg stellt kein Problem mehr da. PV-Anlagen wie Speicher werden zugleich immer günstiger und der Einsatz damit finanziell immer attraktiver.
Österreich als Vorreiter
Nicht ohne Grund setzt die EU stark auf Energy Sharing. Die Konzepte sind seit Jahren in der RED II & III vorgesehen und sollten eigentlich bereits in nationales Recht überführt worden sein. Auch in der neuen EU-Energieeffizienzrichtlinie (EPBD) sind flexible Konzepte angeregt. Österreich ist hier erfolgreich vorangegangen. In unserem Nachbarland ist das Energy Sharing schon heute ein etabliertes Element des Energiesystems. Täglich gründen sich neue Energiegemeinschaften.
Österreich war bei der Umsetzung der EU-Verordnung RED II für Energy Sharing ein Pionier in Europa. Dass drei Jahre später bereits in knapp 1500 Energiegemeinschaften dezentraler Energiehandel gelebt wird, liegt vor allem an der einfachen Umsetzbarkeit. Drei Punkte sind dabei wesentlich:
- Die Aufgabe der Aufteilung der Energiemengen zwischen den Teilnehmenden und den Energieversorgern liegt bei den Netzbetreibern (die auch Messtellenbetreiber sind).
- Es gibt eine zentrale Plattform, über die alle relevanten Daten verfügbar gemacht werden.
- Es gibt keine Lieferantenpflichten oder Bilanzkreisverantwortung für Betreiber von Energiegemeinschaften. Der Betrieb ist so einfach, dass manche Energiegemeinschaften mit „Excel-Tabellen“ abgewickelt werden.
Auch in Deutschland gibt es Pilotprojekte: Das österreichische Unternehmen neoom hat mit der Energiegenossenschaft Bakum, der EWE AG und der Gemeinde Bakum ein Energy Sharing Pilotprojekt gestartet und sammelt dabei wertvolle Erkenntnisse über die Smart-Meter Prozesse. Im Herbst findet die nächste Mitgliederversammlung statt, bei der dann auch diskutiert wird welche Erfahrung bisher mit dem neuen Versorgungsmodell gemacht wurden.
EnWG-Novelle soll EU-Vorgaben umsetzen
Die Umsetzung der EU-Vorgaben nimmt in Deutschland nun endlich Fahrt auf. Im August veröffentlichte das BMWK einen Referentenentwurf zur Änderung des EnWG und EEG, der Energy Sharing in Deutschland mit § 42c im EnWG rechtlich verankern soll. Dabei werden Energiespeicher als zentraler Bestandteil hervorgehoben. Im Gegensatz zu Österreich soll das deutsche Modell ohne gemeinsamen Rechtskörper auskommen und durch Peer-to-Peer-Verträge einfacher abzuwickeln sein.
Positiv ist, dass der vorgeschlagenen Zuschnitt auf Basis der Netztopologie eine ausreichende Anzahl potenzieller Teilnehmender ermöglicht. Begrüßt wird auch, dass die Verpflichtungen für Teilnehmende an einen Organisator übertragen werden können. Einige zentrale Fragen bleiben jedoch offen, z.B. wie Verträge bei Teilnehmerwechseln angepasst werden sollen. Zudem ist die Nutzung von Speichern nur bei ausschließlicher Beladung durch erneuerbare Energien erlaubt, was das volle Potenzial der Speicher einschränkt. Auch in Bezug auf die Bilanzkreisverantwortlichkeit gibt es noch einiges zu klären, damit das Konzept dann auch tatsächlich praxistauglich und attraktiv ist. Diese Punkte müssen dringend geklärt werden, um praktikable und wirtschaftliche Lösungen für flexiblen Energieaustausch zu ermöglichen.
Denn am Ende kommt es auf die passenden – und das heißt möglichst unkomplizierte und transparente – Rahmenbedingungen an. Nur dann können Unternehmen die nötigen Dienstleistungen wirtschaftlich darstellen und die Gründung von Energiegemeinschaften unterstützen. Energy-Sharing-Modelle können das Investitionspotenzial von Privatpersonen sowie Unternehmen entfesseln. Die bisherigen Versuche in Deutschland für Energiegenossenschaften, Mieterstrom oder auch die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung hatten wegen der komplexen Bürokratie oder unflexiblen Regelungen nur marginale Effekte. Dieses Thema erfordert dringend politisches Handeln!
Flexibilität durch Energiespeicher ist hier nicht wegzudenken, egal ob als Haushalts-, Quartiers- oder Gewerbespeicher, die auch zusammengeschlossen als Virtual Power Plant fungieren können. Hier hat auch das österreichische System noch Lücken. Die Ausgestaltung möglicher Konzepte sollte beachten, dass Energiemanagementsysteme künftig auf die Maximierung innergemeinschaftlich gehandelter Energie statt auf Einzeloptimierung abzielen können. Für eine erfolgreiche Umsetzung ist zudem ein standardisierter Prozess für Abrechnungs- und Marktkommunikationsprozesse ist wesentlich.
Teilnehmerkreis nicht beschränken
Der Teilnehmerkreis für Energy Sharing sollte umfassend gestaltet werden und mindestens Erzeuger, Verbraucher, Überschuss-Einspeiser sowie Energiespeicheranlagen einbeziehen. Eine Sharing-Community muss nicht zwingend Erzeugungsanlagen besitzen und die Zahl der Teilnehmenden pro Community sollte durch die Abgrenzungen nicht zu stark begrenzt sein. Mehrere Tausend Haushalte sollten jeweils als potenzielle Teilnehmende in Frage kommen, z. B. basierend auf der Netztopologie oder der Spannungsebene.
Eine Energy Sharing Community sollte auch in der Lage sein, nicht lokal verbrauchte Energiemengen, zu verkaufen, damit diese an anderer Stelle genutzt werden. Dadurch lässt sich die Energieeffizienz steigern und die Systemkosten senken. Darüber hinaus braucht es Anreize damit Bürger und Unternehmen am Energy Sharing teilnehmen. In Österreich setzt man diese durch reduzierte Netzentgelte für gemeinschaftlich gehandelten Strom. Je weniger Netzebenen genutzt werden, desto niedriger das Netzentgelt – das entlastet das Netz und sorgt für faire Kostenbeteiligung.
Diese Entlastung gleicht den bürokratischen Mehraufwand für die Bürger aus. Im aktuellen Entwurf der EnWG-Novelle fehlt dieses wichtige Element. Um Energy Sharing attraktiv zu machen, braucht es passende Rahmenbedingungen in Bezug auf die mit dem Betrieb der Anlagen verbundenen Abgaben, Umlagen und Steuern.
Das Potenzial ist hoch, eine robuste und bürgernahe Basis für dezentrale erneuerbare Energiesystem der Zukunft schaffen. Es ist an der Zeit, die Energiewende in die Hände zu legen, wo sie passiert – die der Prosumer.