Mit einer Rekordverschuldung des Bundes und starker Inflation bezahlen wir
seit Beginn des Krieges in der Ukraine einen hohen Preis für die deutsche
Abhängigkeit von fossilen Energieimporten. Bundeskanzler Olaf Scholz kündigte folgerichtig
im Oktober ein „ambitioniertes Energieeffizienzgesetz“ an. Nachdem es vor einem
Monat vom Kabinett verabschiedet
wurde, soll es am kommenden Donnerstag erstmals im Bundestag verhandelt werden.
Doch von der notwendigen Ambition ist nicht viel übrig. Moderate Effizienzanforderungen an Unternehmen wurden kassiert, bevor der Entwurf öffentlich wurde. Und doch überschlugen sich Verbände in der Anhörung des BMWK mit weiteren Ausnahmewünschen. Ganz vorne dabei die Verbände der öffentlichen Hand, die doch Vorbild sein soll. Betreiber von Rechenzentren drohten mit Abwanderung, während die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) sektorübergreifende staatliche Ziele als Drosselungszwang für einzelne Unternehmen interpretiert und für Verunsicherung sorgt.
Vermeintlich giftige Wassersuppe
Die zuweilen drastische Rhetorik, zuletzt auch von Ifo-Chef Clemens Fuest, ist weit entfernt von der Realität der geplanten Regelungen. Vor allem: die Ziele sind eine reine Selbstbindung der Politik. Das ist in etwa so, als wolle man eine Suppe kochen, würde dann aber die Zutaten weglassen und zu guter Letzt würde jemand am Tisch die Idee, eine Wassersuppe zu kochen, für giftig erklären.
Es gibt kein Szenario, in dem die Klimaziele ohne deutliche Senkung des gesamtgesellschaftlichen Energieverbrauchs erreicht werden. Im Umkehrschluss: Zu wenig Energieeffizienz bedeutet, dass klimafreundliche Energie so teuer wird, dass unsere Wirtschaftsleistung und unser Wohlstand definitiv nicht auf heutigem Niveau zu halten sind – oder wir verfehlen die Klimaziele, mit dem gleichen Effekt.
Seit 2008 stiegt die Endenergieproduktivität (BIP pro Energieeinsatz) laut Daten des Umweltbundesamtes statt den anvisierten 2,1 Prozent nur um durchschnittlich 1,4 Prozent pro Jahr. Nach Tippelschritten ist jetzt natürlich Tempo nötig. 3,2 Prozent müssten es laut DIHK sein. Irland schaffte in den letzten 20 Jahren durchschnittlich 4,1 Prozent. Und Deutschland ist laut der Energiedatenplattform Odyssee-Mure nicht einmal Europameister der Energieeffizienz. Es baut sich nun umgekehrt ein gefährlicher Wettbewerbsnachteil auf. Investitionsprogramme großer Volkswirtschaften wie der Inflation Reduction Act (IRA) machen jede ineffiziente Energienutzung zum Showstopper.
Mehr Mut zum Machbaren – mehr wäre gar nicht nötig.
Deutschland hat wie kein anderes Land die Chance, Euros für Energieimporte in Investitionen in Energieeinsparung umzulenken. Sie würden unsere Wirtschaft resilienter machen und heimische Wertschöpfung stärken. Natürlich haben einige Unternehmen in den letzten Jahren viel getan. Doch die deutsche Industrie könnte insgesamt immer noch über 400 Terawattstunden pro Jahr durch bereits vorhandene Effizienzlösungen gewinnbringend einsparen. Das sektorübergreifende Ziel des Gesetzes gälte übrigens für Gebäude und Verkehr mit. Hier hängen die low hanging fruit oft so niedrig, dass man sich bücken muss.
Der sogenannte kooperative Ansatz allein wird nicht aufholen, was er bisher nicht geschafft hat. Dass inzwischen 3000 Unternehmen in den (immer noch nicht ganz 500) Energieeffizienznetzwerken mitmachen, ist toll. Weitere etwa 6000 Unternehmen betreiben ein Energiemanagementsystem. Das heißt aber, es befassen sich gerade mal rund zehn Prozent der großen und mittelständischen Unternehmen systematisch mit ihren Effizienzpotenzialen.
Auch der viel beschworene CO2-Preis wird es nicht richten. Die Energiepreise müssten sich ab 2024 nahezu verdreifachen, um die bestehenden Marktbarrieren zu adressieren. Das ist weder erwartbar noch wünschenswert. Vielmehr wird ja aktuell ein vergünstigter Industriestrompreis diskutiert. Eine erstmals rahmensetzende Effizienzpolitik wird also umso wichtiger. Wer glaubt die deutsche Wirtschaft vor Effizienz schützen zu müssen handelt ideologisch und erweist ihr am Ende einen Bärendienst.