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Energie & Klima

Standpunkte EU-Methanverordnung – Was kommt jetzt auf Erdgasunternehmen zu?

Matthias Schmittmann, Co-Gründer und CEO von atmio
Matthias Schmittmann, Co-Gründer und CEO von atmio Foto: CEO atmio

Seit gestern ist die Methanverordnung in Kraft, die betroffenen Unternehmen vielfältige Überwachungs- und Berichtspflichten auferlegt. Matthias Schmittmann erklärt, was auf die Erdgasindustrie künftig zukommt, wann sie ihre Methanemissionen real an der Quelle messen muss und wann mit ersten Inspektionen zu rechnen ist. Wichtig dabei: Unternehmen sollten ihr Personal frühzeitig schulen und geeignete Software-Lösungen finden, so der CEO von atmio.

von Matthias Schmittmann

veröffentlicht am 06.08.2024

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Schätzungsweise ein Drittel der globalen Erderwärmung wird von Methan verursacht, das eine etwa 85-mal stärkere Treibhauswirkung als CO2 hat. Methan zerfällt zwar viel schneller als CO2, bis dahin ist es aber extrem schädlich. Trotzdem war Methan lange ein blinder Fleck in der EU-Gesetzgebung, obwohl der European Green Deal vorsieht, dass Methanemissionen gesenkt werden müssen.

Um das Thema Methan endlich systematisch anzugehen, wurde daher die EU-Methanverordnung entwickelt (Tagesspiegel Background berichtete), die am 4. August in Kraft getreten ist. Ihr Ziel ist es, den Methanausstoß bei Förderung, Transport und Verwendung von Kohle, Öl und Gas zwischen 2020 und 2030 um 30 Prozent zu mindern. Betroffen ist hier also die Energiebranche, nach der Landwirtschaft der zweitgrößte Emittent menschlich verursachter Methanemissionen.

Öl-, Gas- und Kohleunternehmen müssen nun ihre Methanemissionen nach strengen Überwachungsstandards messen, überwachen, melden und bei zu hohem Ausstoß dafür sorgen, sie zu reduzieren. Auch Unternehmen, die Öl oder Gas importieren, sind betroffen. Bisher gab es zur Meldung von Methanemissionen für Öl- und Gasunternehmen lediglich die „OGMP 2.0”-Richtlinie (Oil and Gas Methane Partnership), die nicht verpflichtend war. Das ändert sich nun.

Was kommt auf Erdgasunternehmen zu?

Erdgasunternehmen haben einen hohen Methanausstoß, der unter anderem durch Leckagen innerhalb ihrer Anlagen entsteht. So entweicht Erdgas, dessen Hauptbestandteil Methan ist, an undichten Stellen in verschiedenen Anlagenbereichen, an Pipelines und Tanks. Die EU-Methanstrategie verpflichtet europäische Erdgasunternehmen nun zur verbesserten Erfassung, Berichterstattung und Verifizierung von Methanemissionen, einschließlich der Leckageerkennung und -reparatur (LDAR).

Orientiert sind diese neuen Vorschriften an den Bestimmungen der Environmental Protection Agency (EPA) in den USA und den Rahmenbedingungen der Oil and Gas Methane Partnership (OGMP). Alle betroffenen Unternehmen müssen also nun strenge Vorgaben erfüllen und die genannten LDAR-Prozesse in regelmäßigen, eng getakteten Abständen durchführen. Werden die Vorgaben nicht erfüllt, drohen hohe Strafen.

Vorbereitet? Teils, teils

Wie gut ist die Erdgasindustrie auf die neue Gesetzgebung vorbereitet? Teils besser, teils schlechter. Die Regulatorik kommt alles andere als überraschend, trotzdem ist die Erdgaswirtschaft nur teilweise vorbereitet. Einige Unternehmen sind sehr engagiert und beschäftigen sich intensiv mit dem Thema. Andere haben sich bisher eher oberflächlich mit der Verordnung auseinandergesetzt. Dabei sind die Herausforderungen nicht zu unterschätzen:

Gerade die administrativen und Berichtspflichten und das regelmäßige Messen des emittierten Methans sind mit hohem Arbeitsaufwand verbunden. Hier muss neue Technik her, außerdem wird es finanzielle und personelle Ressourcen brauchen, um die Vorgaben einzuhalten. Größere Unternehmen haben es hier leichter, weil sie über mehr Ressourcen verfügen. Kleinere Unternehmen werden eher von der neuen Regulatorik überfordert sein, denn sie haben diese Ressourcen normalerweise nicht im Haus, sondern müssen auf externe Dienstleister zurückgreifen.

Bei größeren Unternehmen stellen sich Herausforderungen vor allem durch die höhere Komplexität (mehrere Standorte, größere Anlagen, umfangreichere LDAR-Prozesse) und eine große Menge anfallender Daten aus zahlreichen Datenquellen, die integriert und analysiert werden müssen. Hinzu kommt, dass viele Entscheidungen vonseiten der Politik, etwa zu den zuständigen Prüfstellen, erst noch im Detail ausgearbeitet werden müssen. Das sorgt natürlich für Unsicherheit bei den Unternehmen.

Was ist jetzt zu tun?

Während einige Punkte der Verordnung also noch offen sind, stehen bereits alle Fristen fest. Bis August 2025 müssen Erdgasunternehmen ihre erste LDAR-Untersuchung abgeschlossen haben und dabei alle möglichen Leckage-Quellen mit einer Messung überprüfen, dafür haben sie nun also ein Jahr Zeit. Im selben Zeitraum müssen sie einen Bericht über die geschätzten Methanemissionen an der Quelle einreichen, wofür noch standardisierte Emissionsfaktoren statt konkreter Messwerte herangezogen werden können. Bis Januar 2026 müssen die Unternehmen die Methanemissionen dann real an der Quelle messen und die entsprechenden Berichte vorlegen.

Außerdem wird das routinemäßige Abfackeln und Ausblasen von Methanemissionen verboten. Und bis Februar 2027 müssen Unternehmen ihre Emissionen auch auf Standortebene berichten und mit den Messungen auf Quellenebene abgleichen. Bis April 2026 werden erste routinemäßige Inspektionen durch die zuständigen Behörden erfolgen, aber auch nicht-routinemäßige Inspektionen sind geplant. So soll sichergestellt werden, dass Lecks tatsächlich repariert werden und die nötigen Maßnahmen zur Emissionsminderung auch erfolgen.

Die Umsetzung gestalten

Unternehmen werden unterschiedliche Wege finden, um die Verordnung zu erfüllen. Ein paar Empfehlungen dürften aber generell hilfreich sein: So sollten sie ihr Personal gründlich und frühzeitig schulen, damit es Messung, Wartung und Reparaturen anhand der neuen Vorgaben sicher durchführen kann. Neue Maßnahmen sollten bestmöglich in bestehende Prozesse integriert werden (so können Messkampagnen beispielsweise innerhalb der üblichen Wartungsprozesse stattfinden), das spart Zeit und Personal.

Beides reicht aber noch nicht: Es dürfte offensichtlich sein, dass die neuen Anforderungen gerade der Berichtspflichten nicht mit Stift, Zettel und Excel erfüllt werden können. Unternehmen müssen stattdessen in moderne Software investieren, die mit der hohen Komplexität der Regulatorik umgehen kann und in der Lage ist, zahlreiche Datenquellen zu integrieren und die Nutzer durch die Planungsprozesse zu führen.

Auch Investitionen in neue Hardware – oder integrierte Hardware-Software-Lösungen – sind ratsam, denn sie werden sich schnell auszahlen und es leichter machen, sich auf die Verordnung einzustellen. Und wer wie kleinere Unternehmen auf externe Dienstleister angewiesen ist, wird sich nun darum kümmern müssen, geeignete Partner zu finden.

Die EU-Methanverordnung - ein „Quick Win” fürs Klima?

Die EU-Methanverordnung hat das Potenzial, wirklich etwas zu verändern. Wenn wir es schaffen, Methanemissionen schnell zu senken, ist das ein echter “Quick Win” fürs Klima. Und nicht nur das – EU-Gesetzgebung wie diese hat immer auch das Zeug dazu, Fortschritt zu erzeugen und neue Technologien hervorzubringen.

Dafür braucht es natürlich Planbarkeit für Unternehmen und klare Vorgaben vonseiten der Behörden. Und Unternehmen müssen bereit sein, jetzt zu investieren und sich zu modernisieren; nicht nur, um keine Strafen auf sich zu ziehen, sondern auch, um langfristig erfolgreich zu sein und nachhaltiger zu werden. All das kommt am Ende dem Klima zugute. Jetzt kommt es darauf an, wie gut die Umsetzung gelingt.

Matthias Schmittmann ist Co-Gründer und CEO von atmio. Das Hamburger Unternehmen hilft Erdgasunternehmen dabei, Methanemissionen aufzuspüren, zu beheben und zu berichten.

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