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Energie & Klima

Standpunkte Der Kohleausstieg wird Realität!?

Kathrin Henneberger, Bundestagsabgeordnete (Grüne)
Kathrin Henneberger, Bundestagsabgeordnete (Grüne) Foto: Kathrin Henneberger

Über Ostern werden mehrere Braun- und Steinkohlekraftwerke in Deutschland abgeschaltet. Für Kathrin Henneberger ist das ein Hoffnung stiftendes Signal für das Ende der fossilen Energie. Wären da nicht beständige Debatten, die einen Kohleausstieg insgesamt infrage stellen und versuchen, den Ausbau der Erneuerbaren auszubremsen, schreibt die Grünen-Abgeordnete.

von Kathrin Henneberger

veröffentlicht am 28.03.2024

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Ein Regenbogen aus unterschiedlichsten Sedimentschichten der Jahrmillionen – von schwarz über rot bis zu weißem Sand – erstreckt sich fast bis zum Horizont in dem Teil des Tagebaus Garzweiler, der wieder befüllt wird. Auf der anderen Seite schaufeln die Kohlebagger, an Keyenberg vorbei. Im Dorf blühen aktuell die alten Magnolienbäume, noch der gefährlichen Nähe des Tagebaus trotzend.

Es scheint wie immer zu sein, aber Veränderung liegt in der Frühlingsluft. Die Kühltürme am Horizont von Niederaußem und Neurath werden bald schon weniger rauchen. Über Ostern werden hier die ersten Kohlekraftwerksblöcke abgeschaltet und der Beginn des Kohleausstieges im Rheinland eingeläutet, endlich vom Papier in die Realität übertragen.

Konkret werden zum Ostermontag bundesweit 15 Kohlekraftwerke und -kraftwerksblöcke mit einer installierten Leistung von 4,4 Gigawatt vom Netz gehen. Bei der Braunkohle (3,1 GW) beginnen wir dabei mit den dreckigsten, mit den CO2-intensivsten Kraftwerksblöcken. Im Rheinland werden die Braunkohlemeiler Neurath C, D und E sowie Niederaußem E und F endgültig stillgelegt. In der Lausitz betrifft es Jänschwalde E und F.

Die Ungerechtigkeit der Klimakrise beginnt beim Extraktivismus

Bei der Steinkohle gehen bundesweit 1,3 GW vom Netz. Während die Braunkohle aus Tagebauen in Deutschland stammt, wird Steinkohle aus Ländern wie Kolumbien, Südafrika und Indonesien importiert. Der Abbau dort verursacht schwere Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung. Während in unseren Tagebauen gebaggert wird, wird beispielsweise in den Steinkohletagebauen Nordkolumbiens mit Sprengungen gearbeitet, fressen sich die Tagebaue terrassenförmig in die Berge. Die Feinstaubbelastung, das Dröhnen der beständigen Explosionen und das Versiegen sowie die Verschmutzung von Bächen und Flüssen nimmt der hier lebenden, besonders der afro-kolumbianischen sowie indigenen Bevölkerung, die Lebengrundlage.

Deshalb ist der deutsche Kohleausstieg auch die Antwort auf die Frage, ob wir koloniale Ausbeutung ernsthaft beenden wollen. Die Ungerechtigkeit der Klimakrise beginnt nicht erst bei ihren Auswirkungen, sondern da, wo fossiler Extraktivismus Menschenrechte und Umweltzerstörung billigend in Kauf nimmt.

Zwischen Hoffnung und Verzagen

In Kolumbien unter dem neuen Präsidenten Gustavo Petro nahm der Diskurs um die Dringlichkeit der Schließung von Tagebauen Fahrt auf, so wie bei uns der Diskurs der letzten Jahre um einen Kohleausstieg. Jetzt gehen die ersten tatsächlich vom Netz und ich spüre das erste Mal seit langer Zeit Hoffnung, erlaube mir Glücksgefühle, dass wir es nach den langen Jahren des Streits tatsächlich so weit gebracht haben. Aber noch immer schaufelt der Bagger im Rheinland, noch immer schallen Explosionen aus Cerrejón und noch immer wird in der öffentlichen Debatte der Kohleausstieg infrage gestellt, wie erst kürzlich von NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst. Es ist also noch lange nicht alles gut: Der Kohleausstieg ist ein Marathon im Sprint, mit stacheligen Fallen, die nur darauf warten zuzuschnappen.

Der Ausbau der Erneuerbaren ist dank vieler gesetzlicher Veränderungen in den letzten zwei Jahren jetzt auf der Überholspur. Allein im vorigen Jahr wurden 14,1 GW Solarleistung hinzugebaut. Aber zu schnell können sich politische Mehrheiten wieder ändern oder kann, wie im aktuellen Fall, unsere Resilienz in Bezug auf Anlagenbau zerstört werden. Nach einer Absage von Finanzminister Christian Lindner an einen Resilienzbonus mit dem Ziel, Hersteller von Solaranlagen gegen billigere Konkurrenz beispielsweise aus China zu schützen, muss nun ein Solarhersteller aus Sachsen 400 Mitarbeiter entlassen.

Mit dem Ziel vor Augen, dass wir eigentlich aus der jüngeren Geschichte gelernt haben sollten, uns eben unabhängig machen müssen von Diktaturen und angesichts der sich verschärfenden Klimakrise darf Energiepolitik nicht länger ein Spielball sein von unterschiedlichen politischen Kräften. Auch die FDP – genauso wie SPD und CDU – ist in der Verantwortung alles dafür zu tun, damit wir tatsächlich die Klimakrise aufhalten und eine stabile, klimagerechte Infrastruktur aufbauen.

Kohleausstieg vorziehen, Bergrecht reformieren

Wenn wir den Ausbau der Erneuerbaren und der Netze wie geplant beschleunigen, werden wir nicht nur die Klimaziele für 2030 einhalten, es wird auch die Grundlage bilden für einen schnelleren Kohleausstieg. Die Dringlichkeit hierfür rufen uns neue Berichte und Gutachten der Klimawissenschaft zu: Erst kürzlich hat der EU-Klimadienst Copernicus bestätigt, dass das vergangene Jahr das wärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen war und die globale Temperatur im Jahr 2023 bereits 1,48 Grad über dem langjährigen Mittel lag. Wir stehen also kurz davor, die 1,5-Grad-Grenze globaler Erhitzung zu überschreiten. Ein Überschreiten geht mit riskanten Folgen einher, wie dem möglichen Kippen klimatischer Kippelemente.

Die gesetzliche Grundlage für eine Nachschärfung des Kohleausstieges mit Blick auf die Klimakrise haben wir bei der letzten Reform geschaffen. Bei den regelmäßig stattfindenden Überprüfungen des Kohleausstiegspfades soll nun auch die Einhaltung der Klimaziele geprüft werden. Die nächste gesetzlich verankerte Überprüfung findet 2026 statt. Spätestens dann müssen die Kraftwerke, die potenziell noch bis 2033 (Rheinland) oder bis 2038 (Lausitz) laufen können, ein viel früherer – 1,5 Grad kompatibles – Enddatum erhalten.

Zudem wollen wir noch in dieser Legislaturperiode das überalterte Bergrecht, das in Deutschland den Rohstoffabbau - beispielsweise von Kohle, Öl und Gas – regelt, gründlich reformieren. Auf der letzten UN-Klimakonferenz in Dubai haben wir uns als Weltgemeinschaft auf eine „Abkehr von den Fossilen“ geeinigt. In Deutschland sollten wir dies mindestens so umsetzen, dass wir gesetzlich verankern, zukünftig keine neuen Öl- und Gasfelder und keine Kohletagebaue mehr aufzuschließen oder zu verlängern.

Die Bundestagsabgeordnete Kathrin Henneberger ist für die Grünen-Bundestagsfraktion im Ausschuss für Klima und Energie zuständig für Kohlepolitik sowie Klimagerechtigkeit.

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