Von 28 auf 53 Cent pro Kilowattstunde in einem Jahr – so stark stieg laut Verivox der durchschnittliche Strompreis bis Oktober für eine vierköpfige Familie, die einen Neuvertrag abschloss. Einen derart rasanten Preisanstieg hat es zuvor noch nie gegeben. Die Stromanbieter folgten mit dieser Erhöhung den deutlich gestiegenen Großhandelspreisen an der Strombörse.
Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit ist der Preis an der Strombörse seit Oktober wieder gefallen, und zwar auf Vorkriegsniveau: Zuletzt war Strom dort so günstig wie seit Februar 2022 nicht mehr. Verbraucher:innen merken davon aber bisher wenig. Während viele Stromversorger die steigenden Preise an ihre Kund:innen weitergeben, verharren die Preise laut Verivox nun nahe ihres Rekordhochs: Immer noch 48,16 Cent pro Kilowattstunde mussten Verbraucher:innen im November bei Verträgen im Schnitt bezahlen, während Börsenstrom im Schnitt rund 25 Cent inklusive Steuern und der regional unterschiedlichen Gebühren kostet.
Rauf geht es mit den Strompreisen also immer schnell, wenn die Strompreise an der Börse steigen – runter viel langsamer. Lange Laufzeiten von zwölf oder sogar 24 Monaten sorgen dafür, dass Kund:innen nun deutlich länger als nötig an die hohen Krisenpreise gebunden sind – insbesondere dann, wenn sie sich seit Beginn der Strompreiskrise einen neuen Stromanbieter suchen mussten.
Fixpreise sind nur nach unten fix
Die Energiekrise zeigt: Fixpreise sind nur nach unten fix – nach oben haben sie sich als sehr flexibel erwiesen. Denn während die Stromanbieter in der Hochpreisphase bei den Kund:innen ein Sonderkündigungsrecht auslösen können, indem sie ihre Preise anheben, haben Verbraucher:innen nun keine Möglichkeit, ihren Preis nach unten anzupassen oder den Vertrag zu kündigen, weil die Preise an der Strombörse gefallen sind.
Mehr noch: Es fehlt ganz grundsätzlich an Transparenz auf dem Strommarkt. Keine Kundin und kein Kunde in Deutschland weiß, für welchen Preis der eigene Anbieter den Strom eingekauft hat. Die Marge ist ein gut gehütetes Geheimnis. Das alles trägt zu einem undurchsichtigen Markt bei, in dem Stromanbieter seit Jahrzehnten hohe Boni zahlen, um bei Preissuchmaschinen auf den vorderen Plätzen zu landen und dann hoffen, dass diese Kund:innen nicht kündigen, wenn die Boni wegfallen.
Sonderkündigung und transparente Einkaufspreise
Dabei wäre es für den Gesetzgeber leicht, für mehr Transparenz zu sorgen: Sinnvoll wäre einerseits ein Sonderkündigungsrecht für Verbraucher:innen, sollte sich die Strombörsenpreise zu weit von den Preisen des Fixpreisvertrags entfernt haben. Und damit dies den Vebraucher:innen sichtbar wird, sollten Stromlieferanten verpflichtet werden, ihre Einkaufspreise auf den Rechnungen transparent zu machen. Auch Stromvergleichsseiten könnten ihren Beitrag leisten und den Preis der verkauften Kilowattstunde in Relation zum aktuellen Einkaufspreis an der Strombörse setzen.
In Zeiten, in denen von Bürger:innen erwartet wird, ihren Beitrag gegen diese Energiekrise zu leisten, dürfen wir umgekehrt auch erwarten, dass die Stromversorger mit offenen Karten spielen. Ein besserer Einblick in die tatsächlichen Kosten ihres Versorgers und ein Sonderkündigungsrecht bei stark fallenden Einkaufspreisen wäre kein überzogener Verbraucherschutz, sondern würde endlich einen Austausch auf Augenhöhe zwischen Stromversorgern und -kund:innen ermöglichen.
Marion
Nöldgen ist Deutschlandchefin des digitalen Ökostromanbieters Tibber, der
Tarife anbietet, die sich zuzüglich eines monatlichen fixen Aufschlags und
sonstiger Abgaben und Kosten am Spotmarktpreis orientieren.