Deutschland will bis 2045 einen klimaneutralen Gebäudebestand erreichen. Dieses ehrgeizige Ziel erfordert die Zusammenarbeit aller Akteure im Bauwesen. Denn es gilt mehr als 21 Millionen Gebäude in Deutschland zum Großteil effizienter zu gestalten. Doch sind die bestehenden Förderpolitiken und Prozesse, insbesondere die der KfW, ausreichend flexibel, um neue Technologien und Lösungen zu unterstützen?
Den Entscheidungen und Richtlinien der KfW liegt das Qualitätssiegel Nachhaltiges Gebäude (QNG) zugrunde. Es wurde entwickelt durch das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB). Mit dem Siegel soll ein einheitliches Verständnis von Nachhaltigkeit entstehen und gleichzeitig eine rechtssichere Grundlage für die Vergabe von Fördermitteln gelegt werden. Zertifizierungen sind wichtige Instrumente, um Standards zu definieren und zu gewährleisten.
Standards verhindern Innovationen
Faktisch haben KfW-Richtlinien und QNG jedenfalls einen erheblichen Einfluss auf die Gestaltung von Wohngebäuden und die angewendeten Technologien. Sie haben in der Vergangenheit dazu beigetragen, hohe Effizienzstandards zu setzen und die Nutzung erneuerbarer Energien in Wohngebäuden zu fördern. Dadurch haben sie eine wichtige Rolle dabei gespielt, die ambitionierten Klimaziele Deutschlands zu unterstützen und den Weg für nachhaltige Innovationen in der Bauindustrie zu ebnen.
Es ist jedoch an der Zeit, diese Richtlinien zu überprüfen und zu aktualisieren. Denn sie können auch dazu führen, dass innovative Lösungen übersehen oder nicht ausreichend gefördert werden.
Ein Beispiel für eine Technologie, die mehr Beachtung verdient, ist die Gebäudeautomation. Laut einer Studie des Digitalverbands Bitkom könnte der Einsatz von intelligenter Gebäudeautomation bis 2030 fast 15 Millionen Tonnen CO2 einsparen. Die staatliche Förderpolitik und die KfW-Richtlinien berücksichtigen jedoch nicht ausdrücklich den Einsatz und die Integration solcher Technologien.
Im Bereich Heizung – ein weiterer wichtiger Hebel für Nachhaltigkeit – liegt der Fokus stark auf der Wärmepumpentechnologie. Diese kann in bestimmten Bausituationen – etwa bei Modernisierungsmaßnahmen und vorhandener Fußboden- oder Flächenheizung – sinnvoll eingesetzt werden. Dies gilt aber nicht für alle Gebäudesituationen und -vorhaben. Die aktuelle Förderpolitik berücksichtigt aber Alternativen wie Infrarotheizungen – gerade im Neubaubereich – nicht.
Bei Niedrigenergie-Häusern ist der Bedarf an Heizenergie extrem niedrig. Kombiniert mit günstigem PV-Strom und Speicher ist der Kostenvorteil einer Infrarotheizung enorm, so sind die Projektverantwortlichen von Riedwiese überzeugt. Hinzu kommt das bedarfsgerechte Heizen mit Infrarotheizung, was durch klassische Konvektionswärme so nicht möglich ist. Je schlechter ein Haus gedämmt ist, desto sinnvoller kann wiederum der Einsatz einer Wärmepumpe sein. Diese benötigt allerdings eine klassische – und teure – Heizungsinstallation.
Wohnprojekt Riedwiese zeigt, wie es gehen könnte
Das im vergangenen Jahr fertiggestellte Wohngebäude Riedwiese in Eichenzell bei Fulda mit 20 Wohnungen ist ein Beispiel dafür, wie diese Technologien zusammenwirken können. Trotz der Tatsache, dass die KfW-Richtlinien Infrarotheizungen derzeit nicht als förderfähig ansehen, erreicht das Gebäude Riedwiese durch die Kombination dieser Technologie mit intelligenter Gebäudeautomation und einer großen Photovoltaik-Anlage sowie einem großen Speicher einen Autarkiegrad von mehr als 80 Prozent – und zwar bei Strom, Heizung, Warmwasser und den Wallboxen.
Geschickt eingesetzte Infrarotheizungen stellen im Neubaubereich eine effiziente und umweltfreundliche Alternative zu konventionellen Heizsystemen dar. Sie funktionieren auf der Basis von Infrarotstrahlung, die Wärme direkt an Personen und Gegenstände im Raum abgibt, ähnlich wie die natürliche Wärme der Sonne. Das bedeutet, dass im Gegensatz zu traditionellen Heizungssystemen, die die Luft erhitzen, bei Infrarotheizungen keine Energie durch das Erwärmen von ungenutztem Raum verschwendet wird.
Intelligente Gebäudeautomation optimiert den Energieverbrauch
In Kombination mit erneuerbaren Energiequellen wie Photovoltaik-Anlagen können Infrarotheizungen eine klimaschützende Heizlösung bieten. Sie erzeugen keine direkten CO2-Emissionen und tragen damit zur Reduzierung des ökologischen Fußabdrucks von Gebäuden bei. Wenn diese Technologie mit einer intelligenten Gebäudeautomation kombiniert wird, können weitere Effizienzsteigerungen erzielt werden. Ein automatisiertes System kann die Heizung entsprechend den Raumbelegungen und -nutzungszeiten steuern, was zu weiteren Energieeinsparungen führt.
Schon bei der intelligenten Regelung von Heizungs-, Lüftungs- und Klimaanlagen, die mit 69 Prozent den größten Teil des Energieverbrauchs im Gebäude ausmachen, erzielt eine intelligente Gebäudeautomation so erhebliche Einsparungen. Zusätzlich gesellen sich Einsparungen aus den Bereichen Warmwasserbereitung – im Beispiel Riedwiese wird diese dezentral durch Durchlauferhitzer erreicht – sowie auch der Beleuchtung dazu. Wenn ein Gebäude Strom über eine Photovoltaik-Anlage selbst produziert, kann die intelligente Lösung den selbstproduzierten Strom nutzen und gezielt dort einsetzen, wo er benötigt wird.
Mit einem passenden Monitoring-Tool lassen sich die Verbräuche überwachen und insbesondere bei der Grundlast wertvolle Einsparpotenziale identifizieren oder Energieverbräuche auf günstigere Tageszeiten – etwa nachts – legen. Flexible Stromtarife, wie sie bundesweit zur Pflicht für Energieversorger werden sollen, erhöhen zusätzlich den Anreiz zum Einbau einer intelligenten Automation, da diese Systeme 24 Stunden am Tag den Stromverbrauch weit effizienter regeln können, als dies manuell möglich wäre. So kann der Speicher mit günstigem Strom aufgeladen werden, zum Teil sogar zu Minuspreisen. Dann erhalten die Hausbesitzer Geld, wenn sie Strom abnehmen, um das Netz zu stabilisieren.
Die aktuellen KfW-Richtlinien berücksichtigen diesen technologischen Fortschritt wie die intelligente Gebäudeautomation oder moderne Maßnahmen wie Infrarotheizungen noch nicht. Die Notwendigkeit einer Anpassung der bestehenden Richtlinien liegt somit auf der Hand, damit diese innovativen Technologien gefördert und die ambitionierten deutschen Klimaziele erreicht werden können.
Anstatt sich auf bestimmte Heiztechnologien zu beschränken, sollten neue, innovative Systeme wie Infrarotheizungen ebenfalls berücksichtigt werden. Auch die Rolle der Gebäudeautomation in der Steigerung der Energieeffizienz sollte explizit anerkannt und gefördert werden. Hierbei könnte das Kriterium der Autarkie eine wertvolle Ergänzung zu den KfW-Richtlinien sein. Gebäude mit einem hohen Autarkiegrad können das Stromnetz entlasten und die Energieversorgung diversifizieren.
Und schließlich sollten die KfW-Richtlinien regelmäßig überprüft und aktualisiert werden, um den technologischen Fortschritt und die neuesten Entwicklungen im Bereich der erneuerbaren Energien und Energieeffizienz zu reflektieren. Durch diese Anpassungen können die KfW-Richtlinien dazu beitragen, ein breiteres Spektrum an Lösungen für energieeffiziente sowie klimafreundliche Wohngebäude zu unterstützen und so einen bedeutenderen Beitrag zum Klimaschutz leisten.