Klimaschutz im denkmalgeschützten Plattenbau – geht das? Ein Blick nach Brandenburg zeigt: Ja, es geht, und die Ergebnisse sind trotz des vergleichsweise geringen Aufwands beachtlich. In Neubrandenburg hat die Neuwoges zwei Plattenbauten aus den 80er Jahren mit einer Gebäudeautomation ausgestattet. Das System kombiniert Daten zur Temperatur inner- und außerhalb des Gebäudes mit aktuellen Wettervorhersagen und optimiert auf dieser Grundlage kontinuierlich die Vorlauftemperatur der Heizungen.
Mit Erfolg: Die Mieterinnen und Mieter verbrauchen im Durchschnitt 20 Prozent weniger Energie und zahlen rund 30 Prozent weniger für Warmwasser und Heizung. Auch das Verhältnis von Kosten zu Einsparungen ist beeindruckend. Für knapp 6200 Quadratmeter Wohnfläche hat der Eigentümer 5700 Euro investiert – und damit weniger als einen Euro pro Quadratmeter.
Großer Erfolg, geringe Kosten
Der Erfolg bestätigt sich auch im direkten Vergleich: Der durchschnittliche Heizenergiebedarf in ähnlichen Gebäuden im Bestand der Neuwoges liegt jährlich bei 185 bis 190 Kilowattstunden pro Quadratmeter – der der beiden automatisierten Gebäude dagegen nur noch bei 151. Beeindruckende Ergebnisse findet man aber auch außerhalb von Neubrandenburg. Im Durchschnitt sinkt der Heizenergiebedarf von Gebäuden durch eine Gebäudeautomation der höchsten Effizienzklasse um 19 Prozent. Eine Studie zeigt, dass sich durch den ambitionierten Ausbau von Gebäudeautomation bis 2030 bis zu 14,7 Millionen Tonnen CO2-Emissionen im Gebäudesektor einsparen ließen. Das entspricht fast 30 Prozent des im Klimaschutzgesetz formulierten Reduktionsziels für den Gebäudesektor.
Der Gebäudesektor ist neben dem Verkehrssektor das Sorgenkind der Klimapolitik. Beide Sektoren verfehlen seit Jahren ihre Klimaziele. Von der Regierung erlassene Sofortprogramme wurden 2022 vom zuständigen Expertenrat für Klimafragen als unzureichend zurückgewiesen. Ende 2023 erfolgte die nächste Schlappe: Nach einer Klage von Umweltverbänden verpflichtete das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg die Bundesregierung dazu, neue Programme zu erlassen.
Gleichzeitig ist der Gebäudesektor mit 35 Prozent des gesamten Energieverbrauchs einer der Haupttreiber von Treibhausgasemissionen in Deutschland. Die Politik forciert deshalb den Austausch von Heizungen und energetische Sanierungen. Doch beide Wege sind umkämpft: Der Streit um das Gebäudeenergiegesetz hat die Bundesregierung monatelang in Atem gehalten. Und eine EU-weit geplante Sanierungspflicht für besonders schlecht gedämmte Gebäude ist auch vom Tisch.
Investitionsanreize fehlen
In dieser verfahrenen Partie ist die Gebäudeautomation der ungeduldig wartende Auswechselspieler, der am Rand des Spielfelds auf seinen Einsatz hofft. Die Technik verspricht hohe Einsparungen zu vergleichsweise geringen Kosten. Trotzdem setzt sie sich nur langsam durch. Warum das so ist, haben wir in einem Forschungsprojekt untersucht. Unsere wichtigste Erkenntnis: Wie andere Maßnahmen im Gebäudesektor hängt die Gebäudeautomation in Mietshäusern am Nutzer-Investor-Dilemma. Das bedeutet, dass die Mietparteien von gesteigerter Energieeffizienz profitieren, die Kosten dafür aber der Vermieter trägt. Dadurch sind die Anreize für notwendige Investitionen gering.
Warmmietenneutrale Lösung
Um die Verbreitung von Gebäudeautomation zu unterstützen, sollte die Politik deshalb Investitionskosten fair verteilen und zielgerichtete Förderungen bereitstellen. Wir schlagen dafür unter anderem die Einführung einer warmmietenneutralen energetischen Modernisierungsumlage vor. Diese gibt den Vermietenden die Möglichkeit, die Kosten für die Installation einer Gebäudeautomation in Höhe der erzielten Einsparungen auf die Miete umzulegen. Die Kaltmiete darf dabei aber nur so weit steigen, wie die Energiekosten sinken. Auf diese Weise setzt dieses Instrument Investitionsanreize, die nicht zulasten der Mietenden gehen.
Zwar gibt es schon heute die Möglichkeit, Investitionskosten nach Paragraf 559 BGB in Höhe von acht Prozent auf die Miete umzulegen, allerdings gibt es in der Praxis zahlreiche Gründe, die dies erschweren. Dazu zählen beispielsweise Kappungsgrenzen, ein Sonderkündigungsrecht des Mietenden oder – insbesondere im ländlichen Raum - geringere Vermietungschancen aufgrund der höheren Miete. Zudem wird die erhöhte Miete in der Regel bereits lange vor einer Amortisation der Investition von der ortsüblichen Vergleichsmiete eingeholt.
Gebäudeautomation senkt Modernisierungskosten
In Neubrandenburg hat die Neuwoges bewiesen, dass mit einer Gebäudeautomation hohe Energieeinsparungen zu geringen Kosten möglich sind. Trotzdem liegt die Energieeffizienz der beiden Gebäude noch deutlich unter den Mindestanforderungen für einen Neubau. Doch auch für weitergehende Modernisierungsmaßnahmen ist Gebäudeautomation ein guter Wegbereiter. Denn je geringer der Heizwärmebedarf eines Gebäudes vor der Sanierung ist, desto effizienter können Dämmungen oder Wärmepumpen eingesetzt werden.
Eigentümer können auf diese Weise Ressourcen schonen und Kosten senken. Die gegenwärtige Situation sieht häufig leider anders aus: Aktuelle Studien bestätigen, dass viele Heizungen im Bestand überdimensioniert sind und nicht effizient betrieben werden. Bei geringerem Heizwärmebedarf durch Gebäudeautomation können außerdem mehr Abnehmer an bestehende Fernwärmenetze angeschlossen werden. Das zeigt: Gebäudeautomation ist ein starker Teamplayer, der im Zusammenspiel mit weiteren Maßnahmen seine volle Wirkung entfaltet. Einwechseln lohnt sich.
Dr. Severin Beucker ist
Gründer und Gesellschafter des gemeinnützigen Borderstep Instituts. Simon
Großmann arbeitet als Wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Institut für
Klimaschutz, Energie und Mobilität (IKEM).