Im vorigen Winter drängte noch das öffentliche Interesse, schnell und dauerhaft von Energieimporten unabhängig zu werden. Doch nun lassen warme Temperaturen, gedeckelte Gaspreise und volle Gasspeicher vergessen, wie verwundbar wir weiterhin sind. Obwohl Hitzerekorde weiter zu schnellem Handeln mahnen, droht die GEG-Novelle durch das Abwarten auf die Wärmeplanung in die Attentismusfalle zu geraten. Das ohnehin moderate Effizienzgesetz wird bei der entscheidenden Einsparwirkung wohl weiter entkernt.
Bereits im Frühjahr warnte der große Messdienstleister Ista:„Das dicke Ende kommt erst noch!“ Gemeint war damit nicht das GEG, sondern die erwarteten Heizkostenabrechnungen für den letzten Winter. Er trifft Menschen, die in unsanierten Gebäuden leben, bis zu zehn Mal härter als die Bewohner effizienter Gebäude. Das sollten die Ampelfraktionen im Blick haben, wenn sie im Koalitionsbeschluss entscheiden, welche Vorgaben wirklich „unnötig“ sind .
Der Verbrauch muss runter, sonst explodieren die Kosten
In den kommenden Jahren stehen über 100 Milliarden Euro vermeidbare Energiekosten (bei verdoppelten Energiepreisen) auf dem Spiel, sollten die geplanten Anforderungen zu Heizungscheck, hydraulischem Abgleich, Austausch von Heizungspumpen oder Gebäudeenergiemanagement jetzt undurchdachter Streichwut zum Opfer fallen. Bei gleichzeitig steigenden Lebenshaltungskosten wäre das erheblicher sozialer Sprengstoff. Unnötigerweise: Solche Maßnahmen sind seit Jahrzenten praktikabel, wirtschaftlich – ohne kein Jahreslanges Warten auf eine Wärmeplanung vor Ort.
Die am Freitag bekanntgewordene GEG-Formulierungshilfe des BMWK sieht bereits die Streichung der Pflicht zum Austausch alter Heizungsumwälzpumpen vor. Allein diese könnte so viel Strom einsparen, wie 1,4 Millionen Wärmepumpen benötigen. Auch Anforderungen zum Nachweis tatsächlicher Energieeffizienz, Verbräuchen und Wärmemengen neuer Heizungen wurde getilgt. Wer ist bitte in der Koalition gegen mehr Transparenz?
Es droht zudem ein großer Rückschritt für den Klimaschutz: 20 Millionen Tonnen CO2-Einsparung waren für diese insgesamt geplanten Maßnahmen i Sofortprogramms des Bauministerium im Projektionsbericht bereits einkalkuliert. Ob ein Streichen weiterer der vorgesehen Paragrafen geplant ist, wollte der Deneff am Freitag keine Fraktion bestätigen oder dementieren. Es wäre der größte Unsinn! Wer will das verantworten können?
Dabei greift der bereits der Kabinettsentwurf kürzer als sinnvoll. Er beschränkte Heizungsoptimierungen Maßnahmen auf Gebäude ab sechs Wohneinheiten. Sinnvolle Maßnahmen an der Gebäudehülle waren gar nicht erst enthalten. Weitere rund zehn Millionen Tonnen Einsparungen sollten laut Projektionsbericht bis 2030 durch die Einführung von Mindeststandards zur energetischen Modernisierung von Bestandsgebäuden erreicht werden. Hierzu bekannte sich die Bundesregierung im kürzlich vorgelegten Klimaschutzplan.
Mit der Vorbereitung sollte jetzt begonnen werden, damit die aktuell noch verhandelte EU-Richtlinie schnell, vorbildlich und ohne weiteren Zeitverlust umgesetzt werden kann. Tatsächlich stellt sich mehr und mehr die Erkenntnis ein, dass vermeintliche unzumutbare Ambitionen der EU-Pläne sehr einfach – vielleicht sogar zu einfach erreicht werden kann. Nur: Gebäude gerade so mit Niedrigtemperatursystemen beheizen zu können, wird nicht reichen für eine wirtschaftliche Vollversorgung mit erneuerbaren Energien und das Erreichen der Klimaziele. Der Wärmebedarf muss dazu insgesamt halbiert werden.[JS1]
Zu wenig Ambition verschärft Fachkräftemangel schwächt den Industriestandort
Der Erfolg der Gaseinsparungen im letzten Jahr zeigt: Es geht! Leider wird er inzwischen von einer neuen Realität überholt. Trotz historisch hohem Bewusstsein für Energieeffizienz in der Industrie, ist die Bereitschaft in Effizienzsteigerungen zu investieren laut Energieeffizienzindex auf einen Tiefpunkt gesunken. Die Maler- und Lackierbetriebe vermelden, dass ihre Aufträge für Gebäudesanierungen zurückgehen. Ein Grund hierfür ist eine allgemeine Verunsicherung über Fördermittel, Preisentwicklungen und zu erwartende Anforderungen. Damit drohen nicht nur eine wichtige Konjunkturstütze der Bauwirtschaft, sondern auch Fachkräfte durch den Wechsel in andere Branchen weiter verloren zu gehen.
Für eine ressourcenarme Volkswirtschaft wie Deutschland ist die Energieeffizienz ganz maßgeblich dafür, auch bei vergleichsweise hohen Energiepreisen wettbewerbsfähig zu bleiben. Doch auch beim aktuellen „Transformationstracker“ des Ariadneprojekts steht der Fortschrittszeiger im Gebäudesektor auf „zu langsam“, bei Verkehr und Industrie sogar auf „Rückschritt“. Umso wichtiger wäre das vom Bundeskanzler angekündigte – wir erinnern nochmals, „ambitionierte“ Energieeffizienzgesetz – das wieder mehr Investitionssicherheit bringt. Die Effizienzbranche steht hier mit Lösungen bereit und auch aus der IT-Branche wird das Gesetz von immer mehr Stimmen sogar ausdrücklich gefordert. Mehr Fortschritt wagen heißt Handeln!