10,9 Gigawatt – das ist die Gesamtleistung der aktuell in Deutschland installierten Batteriespeicher. Mehr als 80 Prozent dieser Speicherleistung entfallen dabei auf Heimspeicher, die von Privatpersonen zur Optimierung ihres solaren Eigenverbrauchs verwendet werden. Nur etwa zehn Prozent der Gesamtsumme sind Großspeicher, also Batterien mit einer installierten Leistung größer als ein Megawatt. Aber das wird sich schon sehr bald ändern.
„Batterie-Welle“ kommt auf uns zu
Bereits in den ersten elf Monaten des laufenden Jahres ist die installierte Batterieleistung bei Großspeichern laut Marktstammdatenregister deutschlandweit immerhin um knapp ein Drittel gestiegen – von 1,2 Gigawatt auf 1,5 Gigawatt. Doch gegen das, was in den kommenden Jahren passieren wird, sind das nur die berühmten Peanuts. Es soll eine wahre „Batterie-Welle“ sein, die aktuell auf Deutschland zurollt.
Das Energie-Analysehaus Montel berichtet, dass sich bei den vier Übertragungsnetzbetreibern 50Hertz, Amprion TenneT und TransnetBW mittlerweile Anfragen für Großspeicherprojekte mit einer Gesamtleistung von 160 Gigawatt angesammelt haben. Wenn auch nur ein Teil dieser Projekte umgesetzt wird, sprechen wir von einer Vervielfachung der Speicherleistung in Deutschland – und damit von einer riesigen Chance für die Energiewende.
Neues Geschäftsmodell durch schwankende Strompreise
Zum Vergleich: Das von Robert Habeck geführte Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz hat bis 2045 eine Speicherleistung von 43 bis 54 Gigawatt im Auge, die Deutschland dabei helfen sollen, die Klimaziele zu erreichen. Diese Marke könnte schon in wenigen Jahren gerissen werden. Doch woran liegt es, dass plötzlich Batteriespeicher in dieser Größenordnung in Planung sind?
Immer mehr Unternehmen sehen in den schwankenden Strompreisen durch erneuerbare Energien eine Chance und machen daraus ein Geschäftsmodell. Sie speichern den Strom, wenn er an der Strombörse besonders günstig ist und verkaufen ihn entsprechend weiter, wenn der Preis wieder steigt. Dazu kommen die schnell sinkenden Kosten für Batteriespeicher, die dieses Modell wirtschaftlich attraktiv machen.
Problem der Überkapazitäten wird gelöst
Das klingt doch super – oder? Wir lösen das Problem der Überkapazitäten im Stromnetz durch erneuerbare Energien besonders um die Mittagszeit. Wir speichern die überschüssige Energie aus Sonne und Wind zukünftig ganz einfach in die riesigen Speicher, die hierzulande in den kommenden Jahren entstehen werden und geben den Strom in den Abend- und Nachtstunden wieder ins Netz zurück. Aber leider gilt auch hier: Einfacher gesagt als getan!
Ich will hier jetzt nicht die Spaßbremse sein. Aber dass es uns wirklich gelingt, Speicher in dieser Größenordnung einigermaßen zeitnah ins deutsche Stromnetz zu integrieren, das halte ich für nahezu ausgeschlossen. Bitte nicht falsch verstehen: Das liegt nicht an den handelnden Personen. Vielmehr ist der Prozess des Netzanschlussverfahrens aktuell leider viel zu analog - und damit viel zu langwierig.
Großspeicher benötigen Anlagenzertifikat
Denn Fakt ist: Alle Großspeicher und gewerbliche Solaranlagen ab einer Einspeiseleistung von 270 Kilowatt benötigen ein entsprechendes Zertifikat, dass sie überhaupt ins Stromnetz integriert werden dürfen. Und dieser Prozess kann schon bei der aktuellen Zahl der Projekte extrem zäh und langwierig sein. Die Folge ist, dass die Anlagen nur mit deutlicher Verzögerung ans Netz kommen.
Ob Zertifizierungsstelle, Netzbetreiber, Projektierer – alle sind der Meinung, dass die Netzanschlusszertifizierung für Speicher und Solaranlagen zu manuell und dadurch zu langsam abläuft und es zu häufig an den Schnittstellen zwischen den beteiligten Parteien scheitert. Die Digitalisierung bietet zwar großes Potenzial, diesen Ablauf zu optimieren. Doch gerade die Prozesse der Netzbetreiber und Zertifizierungsstellen lassen eine digitale Umsetzung häufig noch nicht zu.
Informationen nicht digital verfügbar
Ein Beispiel: Aktuell entscheidet jeder der mehr als 850 Netzbetreiber in Deutschland selbst, welche Anforderungen für die Integration von Speichern und Solaranlagen in das Stromnetz gelten, welche Dokumente benötigt werden und welche Rahmenbedingungen in dem jeweiligen Netzgebiet zu beachten sind. Diese Informationen sind aber bisher nicht digital abrufbar. Die Folge ist, dass die Projektierer häufig erst bei der Zertifizierung merken, dass sie beispielsweise einzelne Komponenten in diesem Netzgebiet gar nicht nutzen dürfen.
Wir brauchen Lösungen, die ein Netzanschlussverfahren für alle Marktteilnehmer schneller und effizienter machen, die aber dennoch dafür Sorge tragen, dass die steigende Zahl an Anlagen zukünftig weiterhin sicher in das deutsche Stromnetz integriert werden. Die Anforderungen an die Marktteilnehmer müssen in die digitale Welt übertragen und mithilfe intelligenter Technologien miteinander verzahnt werden.
KI führt Datenprüfung in Echtzeit durch
Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) wird dafür ein entscheidender Erfolgsfaktor sein – gerade mit Blick auf den Fachkräftemangel hierzulande. Eine KI kann beispielsweise dabei unterstützen, die für die Zertifizierung benötigten Informationen der beteiligten Unternehmen zu sammeln und auszuwerten. Das kann den gesamten Prozess schon mal deutlich beschleunigen.
Perspektivisch könnten die Datenbewertung und Datenprüfung im Rahmen der Zertifizierung vollkommen digital durch eine KI durchgeführt werden. Technologisch ist das überhaupt kein Problem, doch dafür müssen sich auch die regulativen Rahmenbedingungen weiterentwickeln. Dann würde es uns gelingen, die hohe Zahl an Speichern quasi in Echtzeit sicher ins Netz zu integrieren – und die Energiewende in Deutschland würde wirklich ein richtig großes Stück vorankommen.