Eine wichtige Rolle in den Plänen für ein klimaneutrales Energiesystem wird der Großwärmepumpe schon lange zugesprochen. Zum Beispiel in der ersten Klimapfade-Studie des Industrieverbands BDI aus dem Jahr 2018. Die Anlagen sollen die CO2-neutralen Arbeitstiere im Zentrum der Fernwärmenetze werden. In den neuesten „Langfristszenarien“ des Bundeswirtschaftsministeriums ist treffend von einer „dominanten“ Stellung der Großwärmepumpe (GWP) die Rede – sie sollen 2040 rund zwei Drittel des Energiebedarfs der stark ausgebauten Wärmenetze liefern.
Dafür gibt es schlagende Gründe. Das technische Grundprinzip ist bewährt und erprobt. Eine Großwärmepumpe – häufig definiert als Anlage mit mehr als 500 Kilowatt thermischer Leistung – funktioniert nicht anders als ihre kleinen Schwestern. Der Umwelt, zum Beispiel Wasser oder Luft, wird Wärme entzogen und durch (erneuerbaren und damit klimaneutralen) Stromeinsatz Wärme auf einem nutzbaren Temperaturniveau bereitgestellt.
Doch lange Jahre kam der Ausbau kaum in Gang. Anfang 2023 waren laut einer wichtigen Agora-Energiewende-Studie lediglich 60 Megawatt thermische GWP-Leistung in Deutschland in Betrieb. Seitdem ist die Marktentwicklung geradezu explosiv. Allein die im Herbst 2023 ans Wärmenetz gegangene Flusswärmepumpe der MVV Energie in Mannheim bringt es auf 20 Megawatt. Vor knapp einem Jahr nahm EnBW in Stuttgart-Münster eine 24-MW-Anlage in Betrieb.
Vorstoß in neue Größenklassen
Vor allem geht es nun Schlag auf Schlag mit Bauvorhaben, bei denen in aller Regel auch eine finale Investitionsentscheidung vorliegt. Einige prominente Beispiele: Die Flusswasser-Wärmepumpe der Hamburger Energiewerke in der Billwerder Bucht soll mit 60 Megawatt Leistung doppelt so groß wie zuvor geplant ausfallen. Insgesamt werden 230 MW Leistung ins Visier genommen.
Die Kölner RheinEnergie hat Ende 2024 die größte Flusswasserwärmepumpe Europas in Auftrag gegeben – mit gewaltigen 150 Megawatt Leistung ein Vorstoß in eine neue Größenordnung. Mitte Januar bestellten die Stadtwerke Flensburg eine 60-MW-Anlage. MVV Mannheim hat weitere 150 MW ausgeschrieben.
Auch die Industrie setzt für Prozessenergie zunehmend auf Großwärmepumpen: BASF hat im Herbst die Förderzusage für eine Anlage zur Dampferzeugung erhalten, die 15 Megawatt elektrische Leistung einsetzt. Es ist das weltgrößte Projekt seiner Art und soll 2027 in Betrieb gehen. Das Industrie-Potenzial wird aller Voraussicht nach noch deutlich wachsen, weil die Hochtemperatur-Wärmepumpentechnik derzeit große Fortschritte macht.
Aus der Vision, aus dem wichtigen Baustein eines Zukunftsplans, wird also gerade jetzt Wirklichkeit: Großwärmepumpen werden die Leittechnologie einer künftig dekarbonisierten Fernwärme und damit die heute dominierende Erzeugung über fossile Kraft-Wärme-Kopplung ablösen. Das Hamburg Institut kommt auch deshalb zu dieser Einschätzung, weil wir die Akteure kennen und verstehen. Unsere Arbeit an kommunalen und regionalen Transformationsplänen und Wärmeplanungen zeigt: GWP sind nachgefragt wie nie und ihnen kommt eine entscheidende Rolle zu. Insbesondere, weil der örtliche Fernwärmeeinsatz oft verdoppelt oder verdreifacht werden soll.
Gute Ausgangslage, aber umfassende Planung notwendig
Grundstrukturell ist die Ausgangslage für die vielen interessierten Unternehmen und Stadtwerke meist gut. Viele (fossile) Heizkraftwerke stehen an Fließgewässern, mit denen GWP besonders effizient arbeiten können. Außerdem gibt es oftmals bereits vorhandene Infrastruktur für die Wasserentnahme und -rückführung. Aber auch Luftwärmepumpen bieten noch akzeptable Wirkungsgrade. Und Luft gibt es im Überfluss.
Das technisch-wirtschaftliche Potenzial zu heben ist allerdings in der Praxis häufig keine leichte Übung. Fast jedes Projekt erfordert umsichtige Planung, manchmal auch viel Geduld. Insbesondere in Städten sind Flächen knapp, eine neue Anlage gerät oftmals in Konkurrenz zu Erholungsgebieten, Industrie und Wohnbebauung und sie muss in den Naturschutz eingebettet werden. Auch Schallemissionen sind vorausschauend im Auge zu behalten.
Derzeit haben viele Projekte noch Pilotcharakter und der Erfahrungsschatz steigt. Zu den Pionieren gehören die Stadtwerke Neustadt in Holstein mit ihrem Bau der ersten Meerwasser-Wärmepumpe in einem größeren deutschen Wärmenetz. Hürden bei Wasserentnahme und -einleitung und bei den biologischen Auswirkungen mussten überwunden und eine wasserrechtliche Genehmigung aufwändig erwirkt werden.
Genehmigungsverfahren mit hohem Risiko
Zum erheblichen Hemmnis werden die (notwendigen) Interessensabwägungen erst, weil die Genehmigungsverfahren für GWP bisher nicht standardisiert sind. Die Erfahrungen der Behörden sind teilweise gering, die Genehmigungsprozesse lang und entscheidende Parameter und Vergleichbarkeit sind momentan noch nicht festgelegt.
Von Land zu Land und von Kreis zu Kreis unterscheiden sich die Genehmigungsrisiken stark. Für die Versorger ist die Lage im Vorhinein häufig kaum abschätzbar. Das dämpft den Investitionseifer erheblich. Im Auftrag der Bundesstelle für Energieeffizienz (BfEE) und unter Aufsicht des BMWK untersucht ein großes Konsortium an Forschungsinstituten und Praxispartnern – darunter auch das Hamburg Institut – die Hürden in den kommenden Jahren grundsätzlich und wird Lösungsvorschläge erarbeiten. Werden dann regulatorische Hürden beiseitegeräumt, könnte der erfolgreich gestartete Roll-out der Großwärmepumpe noch einen oder zwei Zähne zulegen.
Förderung muss gesichert bleiben
Schließlich noch ein etwas leidiges, aber unvermeidliches Thema: Ja, auch die Großwärmepumpe ist (noch) auf staatliche Förderung angewiesen. Das liegt unter anderem an den niedrigen CO2-Preisen und der Konkurrenz durch Kraft-Wärme-Kopplung. Der Aufschwung der vergangenen zwei Jahre ist deshalb maßgeblich der Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) zu verdanken, die diese Nachteile ausgleicht.
Aber: Das Fördervolumen ist zu gering. Der BEW-Fördertopf von drei Milliarden Euro könnte schon in weniger als einem Jahr aufgebraucht sein. Davon geht das Hamburg Institut aufgrund des aktuellen Mittelabflusses und Rückmeldung von Marktakteuren aus und die Einschätzung deckt sich mit Äußerungen des Fernwärme-Dachverbands AGFW. 19 Verbände, darunter BDEW und VKU, forderten deshalb jüngst eine Aufstockung des BEW-Volumens um 3,4 Milliarden Euro jährlich. Für die neue Bundesregierung herrscht beim BEW in jedem Fall dringender Handlungsbedarf. Sonst droht demnächst der Fadenriss bei der neuen Leittechnologie Großwärmepumpe.
Dr. Henrik Pieper ist Fachmann für Großwärmepumpen des Hamburg Instituts. Das Kernthema des Senior Beraters und Projektleiters sind nachhaltige Wärmekonzepte für die Integration von erneuerbaren Energien und die Nutzung erneuerbarer Wärmequellen.