Es ist kein Jahr her, dass der CDU-Bundeswirtschaftsminister dem CO2-Preis-Vorstoß seiner Kabinettskollegin Svenja Schulze (SPD) eine herbe Abfuhr erteilte. Unzählige Klimaproteste und eine Europawahl später fuhr er seiner Ministerkollegin wieder in die Parade. Schulzes CO2-Preis-Konzept, basierend auf drei Fachstudien des Bundesumweltministeriums, konterkarierte der Wirtschaftsminister als sozial unausgewogen und unzureichend, um Treibhausgase einzusparen. Der CO2-Zank in der Groko ist also nichts Neues.
Ein Modell wird kommen, nur die Umsetzung ist ungeklärt
Was sich verändert hat, ist die Debatte. Das öffentliche Interesse am Klimaschutz und insbesondere an der Einführung eines CO2-Preises ist riesig. Die Anzahl der Gutachten, wechselseitig von CDU, SPD, Ministerien oder diversen Verbänden und Beratungsgremien in Auftrag gegeben, steigt täglich. Nachdem auch die Bundesregierung ihren eigenen Prüfauftrag in Händen hält, gibt es keine Ausreden mehr. Nicht nur die Wirtschaftsweisen sehen jetzt das Handlungsfenster, um die Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen und zeigen drei Optionen auf: Die Ausweitung des Europäischen Emissionshandels (ETS) auf die Sektoren Wärme und Verkehr bis 2030, ein nationaler separater ETS für die beiden Sektoren oder die Einführung einer einheitlichen CO2-Steuer in die bestehenden Energiesteuern.
Ein CO2-Preis muss die Paris-Challenge bestehen
Doch nicht alle vorgelegten Konzepte aus dem Potpourri der CO2-Preise leisten einen robusten Beitrag zur Erreichung der Klimaziele. Und nicht alle sind auch sozial gerecht. Schließlich sind nicht alle mit den Klimazielen des Paris-Abkommens vereinbar. Es gibt vier Gründe, warum insbesondere die Idee der Wirtschaftsweisen, einen separaten nationalen ETS einzuführen, nicht sinnvoll ist.
I. Das Anspruchsniveau des Pariser Klimaschutzabkommens und dessen Konsequenzen
Soll die Erhöhung der globalen Mitteltemperatur auf maximal zwei Grad – besser 1,5 Grad – beschränkt werden, müssen in allen Sektoren sehr ambitionierte Emissionsminderungen weitgehend parallel durchgesetzt werden. Wenn ein CO2-Preis von 50 Euro je Tonne bei Kraftstoffen eine Preiserhöhung von nicht einmal zehn Prozent bedeutet, bei Heizgas aber etwa 20 Prozent, dann wird der Verkehrssektor in die klimapolitische Warteschleife geschickt.
Das ist ineffizient und zeitraubend, gerade wenn maximal noch 30 Jahre zur Klimaneutralität bleiben. Ein wirklich Paris-kompatibler CO2-Preis sollte offenlassen, in unterschiedlichen Sektoren über die CO2-Bepreisung entsprechend nachzusteuern. Das Argument, das Emissionsziel würde doch mit einer Mengenvorgabe sicher erreicht, greift nicht: Die meisten ETS-Vorschläge sehen Höchst- und Mindestpreise vor, da zurecht befürchtet wird, dass die im Verkehrssektor notwendigen hohen CO2-Preise früher oder später auch auf die anderen Sektoren durchschlagen. Ein Emissionshandelssystem mit Höchstpreisen ist nicht zielsicherer als eine intelligent ausgestaltete CO2-Steuer und mindestens genauso, wenn nicht noch anfälliger, für Populismus.
II. Der Faktor Zeit und die strittige Umsetzbarkeit
Egal ob man ein nationales Emissionshandelssystem schafft oder den EU-ETS erweitert, beides ist technisch extrem anspruchsvoll. Auch wenn ein System nicht bei der Freisetzung der Treibhausgase in die Atmosphäre ansetzt (wie das bestehenden ETS der EU), sondern beim Handel mit fossilen Brennstoffen. Mehr als 1000 Unternehmen müssten reguliert werden. Dass gerade die Überschneidungen mit dem bestehenden ETS und der Umgang mit der nicht dem EU ETS unterliegenden Industrie hier einen enormen Aufwand verursachen werden, wird in vielen Vorschlägen schlicht ignoriert. Sowohl die Ausweitung des EU-ETS, als auch ein nationaler ETS würde eine ganze Reihe von Veränderungen bei unterschiedlichsten Regelungen der EU erfordern. Es ist eine Illusion, dass wir deutlich vor Mitte der 2020er Jahre zu einem wirklich funktionierenden CO2-Bepreisungssystem kommen.
III. Keine nationalen Alleingänge
Die nationale ETS-Einführung wäre ein völlig neuer Vorgang, während etliche EU-Mitgliedsstaaten bereits CO2-Steuern nutzen und viel Erfahrung sammeln konnten. Für die Einführung eines nationalen ETS gibt es hingegen kein einziges Beispiel aus der wirtschaftspolitischen Praxis. Die CO2-Steuer wird in Schweden, der Schweiz und in Frankreich seit Jahrzehnten umgesetzt. Gleichzeitig debattieren viele weitere EU-Staaten ebenfalls öffentlich über die Einführung oder Stärkung nationaler CO2-Steuern. Dort können wir uns orientieren und voneinander lernen. Vor allem die vielen deutschlandspezifischen Spezialkonstruktionen eines nationalen ETS zuzüglich zahlreicher Sonderregelungen, die dann eingefordert werden, behindern ein koordiniertes Vorgehen mit unseren Freunden in der EU. Insbesondere wenn Emissionshandelssysteme auf die zahlreichen bestehenden Energie- und Kraftstoffsteuern aufsetzen würden.
IV. Der Emissionshandel allein kann es nicht richten
Um Klimaschutzpotenzial zu heben, braucht es einen klimapolitischen Instrumentenmix. Trotz der Reform des europäischen ETS und den zuletzt gestiegenen Zertifikatspreisen bleiben dessen Klimaschutzerfolge hinter den Erwartungen zurück. Die Konzentration allein auf den ETS birgt die Gefahr, bestehende Klimaschutzmaßnahmen auszuhebeln und den Klimaschutzfortschritt allein den Marktregeln zu unterwerfen. Dabei sind wirksame Instrumente in den Sektoren Haushalt und Verkehr, zum Beispiel die Effizienzstandards für Neubauten oder die europaweiten CO2-Flottengrenzwerte, insbesondere für die dynamische Anreizwirkung in den jeweiligen Sektoren wichtig und bilden die Grundlage für eine Klimawende in allen Sektoren. Zudem bietet die Einführung eines nationalen ETS keine planbar ansteigenden CO2-Preise, nach denen sich VerbraucherInnen und UnternehmerInnen in ihrem Handeln ausrichten können. Tatsächlich bringen sie weiterhin unabsehbaren Preisschwankungen, führen zu wirtschaftlicher Unsicherheit und möglicherweise sozialem Unmut.
Fazit: CO2 einen Preis zu geben, ist kein Selbstzweck
Für einen ökologisch wirksamen und sozial gerechten Klimaausgleich, der schnell und erfolgreich umgesetzt wird, ist die Einführung eines CO2-Mindestpreises im ETS und einer CO2-Steuer im Bereich Wärme und Verkehr der nachhaltige Weg. Bereits mit einem Einstiegspreis von 40 Euro pro Tonne im ETS verschiebt sich der Kraftwerkseinsatz im Strombereich – wodurch Kohlekraftwerke noch unrentabler werden.
Zu Recht empfiehlt die Kohlekommission, die Auktionsmenge zu reduzieren und freiwerdende Zertifikate zu löschen. Zeitgleich muss die Förderung von Erneuerbaren Energien an den Kohleausstieg gekoppelt werden. Die restlichen 50 Prozent der Treibhausgase, die nicht dem ETS unterliegen, können durch einen entsprechenden Preisaufschlag auf fossile Kraft- und Brennstoffe sozial gerecht ausgestaltet werden. Klimaschutz wird einfacher für alle, wenn er sich lohnt. Darum müssen die Mehreinnahmen den Haushalten und klein- und mittelständischen Unternehmen zugutekommen. Der CO2-Preis muss dafür in einem durchdachten Instrumentenmix eingebettet sein, der faire Entlastungen für Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen und Betriebe bereithält.
Es geht um die grundlegende Transformation unseres Wirtschaftssystems in einem sehr kurzen Zeitraum und die Demonstration eines vorbildhaften und reibungslosen Übergangs zu einer klimaneutralen Wirtschafts- und Lebensweise. Deswegen braucht es eine CO2-Bepreisung, schnelle klimapolitische Entscheidungen und unmittelbar wirkende Instrumente, um eine verlässliche Zukunft für kommende Generationen zu erhalten. Die Regierung ist am Zug – der Weg ist geebnet.