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Energie & Klima

Standpunkte Innovation als fehlendes Puzzlestück des Netzausbaus

John Fitzgerald, Geschäftsführer von Supernode
John Fitzgerald, Geschäftsführer von Supernode Foto: Fotocredit: Supernode

Für die Energiewende muss Deutschland seine Stromnetze massiv ausbauen. Der Fokus liegt dabei auf etablierten Kabeltechnologien. Dabei könnte man mit Alternativen Kosten senken, schreibt John Fitzgerald, Geschäftsführer des auf Supraleiter spezialisierten Start-ups Supernode. Nötig sei dafür eine Innovationsfreundliche Regulatorik.

von John Fitzgerald

veröffentlicht am 03.07.2024

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Während erneuerbare Energien im Rekordtempo ausgebaut werden und auch die Nachfrage nach Strom rasant ansteigt, kann der Netzausbau nicht mit dieser Ausbaudynamik Schritt halten und droht das Gelingen der Energiewende zu gefährden. Die nötigen infrastrukturellen Anforderungen wurden jüngst durch den Netzentwicklungsplan 2037/2045 skizziert. Laut Angaben der Bundesnetzagentur beträgt das erforderliche Investitionsvolumen für den Übertragungsnetzausbau bis 2045 320 Milliarden Euro, zusätzlich fallen Kosten zur Ertüchtigung des Verteilnetzes von knapp über 200 Milliarden Euro an.

Politik diskutiert Ausbaukosten

Zuletzt verdoppelten sich die Netzentgelte zur Jahreswende, da der staatliche Zuschuss aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfond gestrichen wurde. Aus diesem Grund ist die Finanzierbarkeit des Netzausbaus ins Zentrum der politischen Debatte gerückt. So stellten die Energieminister:innen der Länder jüngst fest, dass die erheblichen Investitionen zur Finanzierung der Netzausbaukosten allein über Stromnetzentgelte und damit durch VerbraucherInnen nicht zu stemmen sei. Zudem forderten Politiker aus der SPD- und CDU-Bundesfraktion das Ende des Erdkabelvorrangs und neue Übertragungsnetze als Freileitungen zu bauen, was zu Einsparungen von mindestens 20 Milliarden Euro führen soll.

Die Rückkehr zu Freileitungen ist jedoch nicht ohne Risiken: Zwar sind diese kostengünstiger, doch stoßen sie auf großen Widerstand bei der lokalen Bevölkerung aufgrund ihrer Eingriffe in das Landschaftsbild und die lokale Fauna. Allerdings weisen auch Erdkabel aufgrund der nötigen Tiefbauarbeiten und Bodenerosion Hemmnisse für einen schnelle und zielgerechten Netzausbau auf. Hinzu kommt, dass konventionelle Kabeltechnologien basierend auf großen Mengen Kupfer oder (Stahl-)Aluminium Lieferkettenrisiken darstellen.

Die aktuelle Diskussion ist demnach falsch gelagert, da beide Technologien nicht dazu in der Lage sind, die Netze für ein erneuerbares Stromsystem zu ertüchtigen. Ein bislang ausgeklammertes Element ist die Rolle von Innovation und neuartigen Kabeltechnologien, die konventionelle Technologien ergänzen und das Stromnetz zukunftsorientiert ergänzen können.

Stromnetze benötigen Innovation

Insgesamt benötigt Deutschland bis zum Zieljahr 2045 25.723 Trassenkilometer, um die Integration von erneuerbaren Energien zu bewerkstelligen. Konventionelle Kabeltechnologien werden einen Teil der Herausforderungen stemmen können, allerdings bedarf es auch innovativer Kabeltechnologien mit hoher Übertragungskapazität basierend auf Supraleitern, um die Stabilität und Funktionstüchtigkeit des deutschen Stromnetzes perspektivisch sicherzustellen. Dies wurde richtigerweise durch den EU Grid Action Plan sowie das 8. Energieforschungsprogramm des Bundeswirtschaftsministeriums erkannt, welche supraleitende Kabelsysteme als wichtige Zukunftstechnologien aufführen.

Das besondere an supraleitenden Kabeln ist, dass der elektrische Widerstand bei Temperaturen von minus 200 Grad verloren geht. Weniger elektrischer Widerstand ermöglicht es, mehr Leistung über eine Leitung zu übertragen. Dies erhöht die Übertragungskapazität des Netzes. Somit kann die Übertragungskapazität künftig besser und flexibler mit den hohen Zubaukapazitäten an erneuerbaren Energien synchronisiert werden.

Geringerer Rohstoffbedarf

Neben der energiepolitischen Zielsetzung eines leistungsstarken Netzes, können auch die Eingriffe in die Umwelt durch supraleitende Kabelsysteme stark begrenzt werden. Die Kabel benötigen einen Leitungskorridor von lediglich ein bis zwei Metern (Freileitung 50 bis 80 Meter, Erdkabel circa 25 Meter) und sind weder auf Strommasten noch intensive Tiefbauarbeiten angewiesen. Durch die schmaleren Schutzstreifen ergeben sich neue Möglichkeiten der Trassenführung, somit kann gesellschaftlichen Einwänden gegen den Netzausbau aus dem Weg gegangen werden.

Ein bislang gänzlich ausgeklammertes Thema mit Blick auf eine kritische Infrastruktur wie dem Stromnetz ist der Bedarf an Rohstoffen und die damit verbundene Resilienz von Lieferketten. Nach Angaben der IEA wären 152 Millionen km Stromübertragungskabel erforderlich, um das Netto-Null-Ziel zu erreichen. Dafür werden 427 Millionen Tonnen Kupfer benötigt, also etwa die Hälfte der weltweiten Kupferreserven, die auf 870 Millionen Tonnen geschätzt werden.

Wenn eine solche Menge an Kupfer für die Stromübertragung verwendet würde, stünde nicht genug Kupfer für Windturbinen, Batterien und andere Zukunftstechnologien zur Verfügung. Diesen Rohstoffnutzungskonflikt können supraleitende Kabel entschärfen, denn sie benötigen siebenmal weniger Kupfer als herkömmliche kupferbasierte Kabel.

Innovationsvorsprung – Ausbauen oder Verlieren

Hochtemperatur-Supraleiter wurden vom deutschen Physiker Georg Bednorz im Jahr 1986 entdeckt, wofür er im Folgejahr den Physik-Nobelpreis erhielt. Seitdem konnte der Wissensvorsprung in Deutschland gehalten und weiter ausgebaut werden. Beispielsweise sind das KIT oder das Max-Planck-Institut global führend in der Forschung von Supraleitern.

Dieser Vorsprung droht allerdings durch die fehlende Anwendung der Technologie im Stromnetz abzuschmelzen. Stromnetze sind ein wichtiger Zukunftsmarkt. Daher muss eine Verlagerung der Wertschöpfungskette ins Ausland, wie etwa bei der Solarindustrie, dringend vermieden werden.

Eine Grundvoraussetzung dafür ist die Erprobung der Technologie durch Pilot- und Demonstrationsprojekte. Allerdings werden diese bislang nicht hinreichend regulatorisch angereizt und gefördert. Die Erprobung an wenigen Standorten in Deutschland, ist lediglich auf „First-Mover“-Initiativen von innovativen Verteilnetzbetreibern zurückzuführen, wie etwa das „AmpaCity“-Projekt in Essen, oder „SuperLink“ in München. Um den Technologievorsprung Deutschlands langfristig zu halten, müssen die regulatorischen Weichen für die Validierung der nächsten Generation von supraleitenden Kabeln geschaffen werden.

Hürden abbauen

Stromnetztechnologien sind derzeit einer der innovationsschwächsten Sektoren. Zurückzuführen ist das unter anderem auf regulatorische Hürden, hohe Investitionskosten, Komplexität der Infrastruktur, und Risikoaversion. Die Transformation des Stromsystems erfordert jedoch eine höhere Innovationsdynamik und eine Erweiterung des technologischen Toolkits von Netzbetreibern.

Zusätzliche regulatorische Instrumente, die Innovationen vom Laborstadium in eine reale, großtechnische Anwendung überführen, sind essenziell, um Zukunftstechnologien zur Marktreife zu bringen. Beispiele hierfür wären eine zielgerichtete Ausrichtung des geplanten Reallabore-Gesetzes oder ein Innovationsbudget in der Anreizregulierung. Nur so können die notwendigen Investitionen in innovative neuartige Kabeltechnologien wie Supraleiter ausgelöst werden und das Netz fit für die Zukunft gemacht werden.

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