70 Gigawatt Offshore-Windenergie sollen bis 2045 in der deutschen Nord- und Ostsee installiert werden, um die gemeinsamen europäischen Klimaziele zu erreichen. 70 GW Leistung für Dekarbonisierung, Versorgungssicherheit, günstige grüne Energie. Heiß diskutiert werden Auktions- und Strommarktdesign, industriepolitische Weichenstellungen sowie der gesamte rechtliche Rahmen für erneuerbare Energien. Doch ein Thema findet bei all diesen Debatten im politischen Berlin kaum Gehör: die Organisation der Offshore-Rettungskette.
„Sehr spezifisch“ und „zu weit weg von den großen politischen Themen“ schwebt die Frage nach der Arbeitssicherheit dennoch über allem, was wir tun. Denn ohne einen Ausbau der Offshore-Rettungsinfrastruktur hat auch der Ausbau der Offshore-Windenergie eine Grenze. Und diese Grenze liegt bei etwa 180 Kilometern Küstenentfernung. Eine schnelle Rettung verunfallter Personen kann aktuell bis zu einer Entfernung von 180 Kilometern zur Küste gewährleistet werden. Denn noch sind die Hubschrauber der HEMS-Dienstleister (Helicopter Emergency Medical Services) auf dem Festland stationiert.
Doch bis zu 40 der geplanten 70 GW Offshore-Windenergie sollen in Küstenentfernungen von mehr als 180 Kilometern entstehen. Bereits 2032 – nach dem Vorentwurf des Flächenentwicklungsplans sogar schon 2031 – werden die Arbeiten zur Errichtung von Offshore-Windparks jenseits dieser 180 km Küstenentfernung beginnen. 2031 – das klingt, als hätten wir noch viel Zeit. Doch der Schein trügt, denn der Aufbau einer seebasierten Rettungsinfrastruktur braucht Vorlauf.
Der BWO hat dieses Problem früh erkannt und schon vor 2,5 Jahren ein Expertengremium gegründet. Gemeinsam mit Expert:innen entlang der gesamten Wertschöpfungskette der Branche hat der BWO die „Vision Offshore-Rettung 2030+“ erarbeitet. Die zentrale Frage lautete: Wie können wir den hohen Standard der Offshore-Rettung auch zukünftig erhalten? Und wann müssen wir mit dem Aufbau der Infrastruktur beginnen?
Jetzt liegen die Ergebnisse vor. Unter Berücksichtigung der aktuellen technischen Möglichkeiten haben sich im Prozess drei Lösungsoptionen herauskristallisiert: Die Errichtung einer dezidierten Rettungsplattform, die Ko-Nutzung einer noch zu errichtenden Energieinsel oder der Einsatz zweier Rettungsschiffe mit Hubschrauberlandeplatz und Hangar. Alle Lösungen haben eines gemeinsam: Wir müssen unverzüglich die Weichen stellen und grundlegende Entscheidungen treffen – ohne kleinkariertes juristisches Lamentieren über Zuständigkeiten. Jetzt ist Pragmatismus gefragt.
Die Offshore-Windparkbetreiber gehen mit gutem Beispiel voran. Schon früh im Prozess haben sie signalisiert: Wir werden das bezahlen. Es geht also nur noch um die Frage, wer die Rettung organisiert, ausschreibt und schlussendlich auch überwacht. Einen Flickenteppich mit unterschiedlichen Regelungen und Standards nach Offshore-Windparks oder Bundesländern gilt es da zu vermeiden. Wir können uns keinen Förderrealismus auf der hohen See leisten. Es kann und darf keine Rettung 1. erster und zweiter Klasse geben.
Gleichzeitig wissen die Offshore-Windparkbetreiber heute noch nicht, welche Unternehmen jenseits der oben genannten Grenze von 180 km Entfernung OWP betreiben werden. Solche Ungewissheiten verhindern eine Investitionsentscheidung zu dem frühen, aber notwendigen Zeitpunkt. Wer kann heute wissen, an welche Unternehmen Flächen vergeben werden, die erst in ein paar Jahren bis Jahrzehnten ausgeschrieben werden?
Es braucht hier also unbedingt eine zentrale Stelle, die sich der Organisation der Offshore-Rettung annimmt und schon heute die Weichen für die neuen Projekte ab spätestens 2031 stellt. Der BWO hatte deshalb den Bund aufgefordert, Verantwortung zu übernehmen. Die Kosten der Rettung sollen dann umgelegt werden auf die zu errichtenden Offshore-Windparks.
Das Lösungsfenster schließt sich vor unseren Augen, deshalb appelliere ich noch einmal ganz deutlich an die politischen Entscheidungsträger:innen: Handeln Sie jetzt, denn ohne Offshore-Rettung kann es keinen Offshore-Ausbau geben.