In den kommenden Tagen sollen mit dem Kohleausstiegsgesetz und dem Gebäudeenergiegesetz zwei für den Klimaschutz wichtige Weichen gestellt werden. Schließlich stehen Gebäude und Energiewirtschaft für mehr als die Hälfte der Treibhausgasemissionen in Deutschland. Fatal wäre es, wenn sich der Gesetzgeber hier in undurchdachten Experimenten verheddert, die das Erreichen der Klimaschutzziele konterkarieren könnten. Genau das droht jedoch gerade unter Vorwand, dies sei innovationsfreundlich. Innovationen sind ein wesentlicher Schlüssel für den Klimaschutz und eine Stärke des Clean-Tech-Standorts Deutschland. Damit sie entstehen und Fuß fassen können, sind aber geeignete Mechanismen gefordert.
Kohleausstiegsgesetz ohne Rücksicht auf die Wärmewende
Beim Kohleausstiegsgesetz wird ohne Not an Stellen gewerkelt, die mit der Sache wenig zu tun haben. Die große politische Sprengkraft des Kohleausstiegs lässt dem Bundestag kaum Zeit, Augenmerk auf die im Gesetz auch enthaltenen pikanten Änderungen bei der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) zu legen. Der KWK, die in den letzten Jahren von einer Vielzahl kaum planbarer Einschnitte geplagt war, droht weiteres Ungemach. So sollen die geförderten Betriebsstunden im Jahr kurzerhand auf nur noch 3500 mehr als halbiert werden. Das Bundeswirtschaftsministerium will so bewirken, dass die Betreiber nur dann Strom einspeisen, wenn dies zur Netzstabilisierung sinnvoll ist.
Mit dieser pauschalen Stundenregelung wird das aber nicht passieren, da sie keinen Anreiz bietet, auf das Echtzeitverhalten der Netze zu reagieren. Stattdessen aber wird für die Wärmewende das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Denn die Einbußen auf der Stromseite machen Blockheizkraftwerke unattraktiv, die für die Wärmewende im Quartier benötigt werden. Für Heizung und Warmwasser müssen die Anlagen rund 6000 Stunden im Jahr laufen. Auf Grund vielfältiger Barrieren für Mieterstrommodelle kann der Strom auch nicht ohne Weiteres vor Ort genutzt werden. Und in der Industrie, wo die KWK die Integration erneuerbarer Wärme ideal ergänzen kann, fällt diese Lösung künftig aus, da die Förderkürzung die Amortisationszeit zu weit verlängert.
Deshalb sollten wir uns jetzt auf die Kernelemente des Kohleausstiegsgesetzes, nämlich den Kohleausstieg selbst, konzentrieren. Undurchdachte und überstürzte Änderungen anderer Sachverhalte sollten tunlichst vermieden werden. Besser wäre es, die Neureglungen der KWK mit Weitsicht und Blick aufs Ganze in einem separaten Gesetz zu regeln.
Luftschlösser statt Energiesparhäuser
Auch im Gebäudebereich ist ein zuverlässiger politischer Rahmen zentral. Eine deutliche Steigerung der Energieeffizienz ist unverzichtbar, um Treibhausgasemissionen nachhaltig zu senken sowie die Klimaziele zu erreichen. Wenn die Politik wirksame Standards setzt und deren Übererfüllung fördert, ist das ein erfolgreicher Mechanismus für mehr Klimaschutz, für Innovation und Kostendegression.
Eine leistungsfähige Industrie setzt bereits heute gemeinsam mit Planern und Handwerk klimafreundliche Lösungen um. In den letzten Jahren wurden mehr als die Hälfte der neuen Wohngebäude in Deutschland energetisch deutlich besser gebaut, als von der Energieeinsparverordnung vorgeschrieben. Aufbauend auf diesem Mechanismus hat die Bundesregierung mit dem Klimaschutzprogramm 2030 richtigerweise die Förderbedingungen für energieeffiziente und erneuerbar beheizte Neubauten sowie für Modernisierungen nochmals verbessert. Es ist zu hoffen, dass dadurch noch deutlich mehr Menschen für freiwilligen Klimaschutz motiviert werden und dabei gleichzeitig ihre Wohnqualität steigern und ihre Energiekosten senken.
Alte Standards bei der Gebäudeenergie werden als „Innovation“ verbrämt
So begrüßenswert diese Entwicklung im Klimaschutzprogramm ist, so bedenklich sind Vorschläge, im Gebäudeenergiegesetz (GEG) im Rahmen einer Innovationsklausel den eingeschlagenen politischen Weg wieder zu verlassen. Statt 2050-kompatibles Bauen zu ermöglichen, soll das Erreichen des fünf Jahre alten EnEV-Standards als „Innovation“ verbrämt und in einigen Fällen sogar das Unterschreiten bestehender Effizienzstandards ermöglicht werden. Da stellt sich die Frage, ob jede Neuerung positiv zu bewerten ist.
Wenn „Innovation“ bedeutet, dass Bauherren beliebige Nachweisverfahren ohne Erfolgskontrolle wählen können, Energierechnungen für Bewohner unnötig steigen, CO2-Einsparpotenzialen liegen bleiben und der Druck auf das Energiesystem anwächst, dürfen Zweifel bestehen. Beunruhigend ist dabei auch, dass der Vollzug die lokalen Bauämter überfordern könnte, die doch eigentlich die schnelle Schaffung von mehr neuem Wohnraum ermöglichen sollen.
Dabei könnte das GEG ganz leicht Innovationen anreizen, die mit wenig Aufwand für deutlich mehr Klimaschutz sorgen. Dazu müsste es nur die bestehenden EU-Vorgaben umsetzen, die unter anderem durch intelligente Digitalisierung dafür sorgen sollen, dass Gebäude in der Praxis mindestens so effizient betrieben werden, wie auf dem Papier geplant. Deutschland müsste diese 2018 beschlossenen Regeln für mehr Qualität, Transparenz und Verbraucherschutz aus der EU-Gebäuderichtlinie eigentlich spätestens in diesem Frühjahr umsetzen: Im GEG findet sich dazu aber keine Idee.
Dabei könnten solche Technologien neue ordnungsrechtliche Ansätze ermöglichen, die sich eher an den tatsächlichen Verbräuchen und Emissionen orientieren als an theoretischen Berechnungen. Nicht zuletzt wäre dies eine Riesenchance für die öffentliche Hand, endlich vorbildhaft voran zu gehen und mit ihren Gebäuden in der Fläche zu zeigen, dass das Erreichen der 2050-Ziele in der gebauten und gelebten Praxis möglich ist.
Meine
Warnung vor undurchdachten Experimenten bedeutet nicht, dass ich keine Türen
sehe, die für Innovationen dringend zu öffnen sind. Werden Experimente aber
ohne Umsicht und Abschätzung möglicher Folgen veranstaltet, gefährdet das den Erfolg der Energiewende.
Lassen Sie uns das Experimentierfeld für die nächste Phase der Energiewende
gemeinsam klug abstecken!