So begrüßenswert es ist, dass Minister Robert Habeck den Primat des Klimaschutzes für die Bundesregierung festgestellt hat und ihm auch auf Gesetzesebene zu durchschlagender Kraft verhelfen will: Ein allzu bundesfreundliches Verhalten der Bundesländer oder gar ihre so genannte Bundestreue sollte er dabei nicht voraussetzen.
Schon beim Flächenziel von zwei Prozent als Ausbauziel für die Windkraft hat sich gezeigt, dass der Bund vieles vorgeben kann – er aber bei unterlassener Umsetzung durch Länder und selbst Gemeinden nichts in der Hand hat, um sein Anliegen durchzusetzen. So kann auch Habecks Apell zum Ausbau der Erneuerbaren verhallen.
„Einklagbar“ ist dieses „Verhalten“ nämlich für den Bund nicht und der Widerstand ist nicht zu unterschätzen. Politik und Behörden schaffen es vor allem in Sachsen und Bayern von den Schlüsselstellen des Verwaltungsapparates aus seit Jahren, die Windenergie zu einem Schattenschattendasein zu verurteilen. In der Praxis erleben wir in solchen klimapolitischen „Schurkenstaaten“ ständig, wie Verwaltungsverfahren zu Tode geführt werden, weil immer neue „rein sachlich begründete“ Einwendungen gefunden und zugelassen werden.
Rat von den Parteifreunden in Sachsen?
Habeck könnte sich mit seinen Parteifreunden in Sachsen beraten. Denn die sächsischen
Grünen und die Branche der Erneuerbaren in Sachsen können ein Lied davon
singen, wie über viele Jahre die Energiewende und der Bau von Windenergieanlagen
faktisch zum Erliegen gekommen sind – egal, was im dortigen Koalitionsvertrag
steht.
Es ist die Kommunalplanung in Sachsen, die den gezeigten politischen Willen tagtäglich ad absurdum führt. Sie kann das nur, weil die Landesbehörden den Windkraftgegnern vor Ort jede Art von Verhinderungsplanung erlauben. Und auf die übergeordnete Bedeutung des Themas „Klimaschutz“ pfeifen.
In Sachsen werden inzwischen neben Dörfern mit ausreichend vorhandener Beerdigungskapazität „Friedwälder“ zwischen Acker und Autobahn ausgewiesen – mit der Fläche von 15 Fußballfeldern. Da sind Windräder dann für immer ausgeschlossen. Um diese abenteuerliche Planung zu rechtfertigen, wird auf Beisetzungsmöglichkeiten für Menschen aus Dresden oder Leipzig verwiesen. Das CDU-geführte zuständige Ministerium lässt Planer und Behörden vor Ort gewähren. Dabei könnte es die Orte anweisen, den Unsinn einzustellen. Wenn es denn wollte.
Hinter solchen Konflikten verbirgt sich rechtlich ein grundlegendes Verfassungsprinzip – das der Länderverwaltungskompetenz. Dem entsprechend plant Habeck völlig zu Recht, sich mit den Ländern zu treffen, um auf Bund-Länder-Ebene die Vorhabenbereitschaft der Länder auf einen produktiven Punkt zu bringen.
Indes kann Habeck nicht glauben, er könne den offenen oder geheimen Widerstand allein durch bloße Kommunikation durchbrechen. Er braucht rechtliche Mittel, mit denen er den Ausbau insbesondere der Windkraft am Ende auch durchsetzen kann. Sonst geht es ihm wie den Grünen in Sachsen: Man lässt ihn reden und auflaufen.
Planfeststellung ändern
Habeck kann darum das Instrument der Planfeststellung so ändern, dass damit Vorhaben von raumbedeutsamer und infrastruktureller Relevanz schnell durchgesetzt werden können. Das könnte so aussehen: Als zuständige oberste Bundesbehörde könnte etwa das Umweltbundesamt benannt werden. Diese Behörde würde dann die Genehmigungen (in Form der Planfeststellung) rechtssicher ausstellen.
Die Verfahrensgestaltung solcher Vorhaben zur Planfeststellung wäre ebenfalls neu auszurichten: Auf einen verbindlich formulierten Umfang an Gutachten und Planungen (Anlagenspiegel) und der Pflicht der Behörde zur eigenständigen Nachbesserung.
Eine solche Planfeststellung enthält dann auch Bearbeitungs- und letztlich Ablehnungs- oder Genehmigungsfristen. Habecks Ministerium muss dabei darauf achten, dass Klagen gegen die Genehmigungen nicht dazu führen können, dass die Gerichte wieder und wieder neue Gutachten einfordern, um neue Sachfragen aufzuwerfen. Der Fachbegriff ist hier die „materielle Fiktion“.
Das vorausgesetzt, wäre ein offen-heimlicher Widerstand wie in Sachsen oder Bayern nur noch eingeschränkt möglich. Denn den Ländern und Gemeinden wäre die Verwaltungskompetenz entzogen. Das sind, das sei klar gesagt, sehr weitgehende Änderungen, die zu debattieren sind. Sie wären verfassungsrechtlich aber durch die hohe Dringlichkeit des Klimaschutzes und die Urteile des Verfassungsgerichts gerechtfertigt.
Der Bundesminister muss gegenüber den Bundesländern, die keinerlei Beitrag zum Ausbau der Windenergie leisten wollen, deutlich machen, dass er seine rechtlichen Möglichkeiten auch nutzen will. Sonst werden ihm die Kolleginnen und Kollegen in den Ländern in den Sonntagsreden zustimmen – und an den Wochentagen seine hehren Ziele aushebeln.
Rechtsanwalt Professor Dr. Martin Maslaton ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Hochschullehrer für das Recht der Erneuerbaren Energien an der TU Chemnitz und leitet die Maslaton Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Leipzig.