Mit der Ankündigung der Bundesregierung, die Einnahmen aus den Offshore-Wind-Ausschreibungen zur Finanzierung der Agrarsubventionen zu verwenden, entsteht eine Absurdität. Denn schlussendlich bedeutet das die Subventionierung fossiler Energieträger durch erneuerbare Energien. Angesichts der aktuellen Notlage mag das verständlich sein. Richtig ist es deshalb aber noch lange nicht. Ein solches Vorgehen schafft keinen Millimeter mehr Akzeptanz für den Bau neuer Offshore-Windenergieanlagen.
Der Vorschlag der Bundesregierung ist auch aus Gründen des Vertrauensschutzes schwierig. Nach den Landwirten, deren Subventionen gekürzt werden sollen, protestieren nun auch die Vertreter:innen der Fischerei sowie Umweltverbände. Beide konnten zuvor davon ausgehen, dass für die Förderung einer umweltfreundlichen Fischerei und für den Meeresnaturschutz jeweils 670 Millionen Euro der erlösten 13,4 Milliarden Euro zur Verfügung stehen.
Andererseits: Die Bundesregierung hat angekündigt, einen Teil der Einnahmen als „Transformationskomponente“ zu nutzen, um einen nachhaltigen Beitrag zur Unterstützung der Energiewende und zur Dekarbonisierung der Wirtschaft zu leisten. Das ist eine gute Idee. Denn es ist dringend erforderlich, um die Realisierung der Ausbauziele und das Erreichen der Energiewendeziele abzusichern.
Mehr Kapazitäten in Häfen, Lieferkette und Rettungskette
Für den Ausbau der Offshore-Windenergie fehlen absehbar Kapazitäten bei den Häfen. Sie sind der Schlüssel der Energiewende, denn sie fungieren als Produktions- und Lagerstätten sowie als Ausgangspunkte für den Transport der Baukomponenten zu den entstehenden Offshore-Windparks.
Es fehlen auch Kapazitäten in der industriellen Lieferkette, in Forschung und Entwicklung, und nicht zuletzt bei der Rettungskette. Die Organisation dieser Offshore-Rettungskette ist für das Thema Arbeitssicherheit zukünftig entscheidend. Wenn wir Fachkräfte, die wir dringend benötigen, gewinnen und halten wollen, muss das im politischen Berlin in die Köpfe. Kurz gesagt: Diese Knappheiten gefährden die Ausbauziele.
Das geht nicht über Nacht. Deshalb: Was wir im Jahr 2030 haben wollen, müssen wir jetzt auf den Weg bringen. Wenn wir erst in der nächsten Legislatur darüber nachdenken, Häfen zu erweitern oder Fabriken für Windenergieanlagen zu bauen, wird es zu spät sein.
1000 Milliarden in den nächsten 20 Jahren
Der Ausbau der Offshore-Windparks muss daher dringend industriepolitisch flankiert werden. Wirtschaftlich ist das ohnehin geboten. Insgesamt werden in den kommenden 20 Jahren in Europa über eine Billion Euro in den Aufbau der Offshore-Windparks investiert. Hinzu kommen Investitionen in den Netzausbau sowie in die Wartung.
Was für eine Chance! Aber wenn man dieser Tage mit Vorschlägen an Ministerien und Behörden herantritt, wundert man sich. Statt dass man sich dieser Chance widmet und einen Diskurs über eine sinnvolle Verteilung der Einnahmen führt, begegne ich oft beamtentypischem Silodenken, juristischen Zuständigkeitsfragen und parteipolitischem Geplänkel. Es ist geradezu so, als ob Probleme gesucht werden und keine Lösungen. Das hat noch niemandem geholfen und führt am Ende nur dazu, dass wichtige Projekte sich verzögern oder gar scheitern. Wir brauchen Mut und pragmatische Entschlossenheit!
Lasst uns nach Lösungen suchen, nicht nach Problemen! Es muss unser ureigenes Interesse sein, dass wir unsere Wirtschaft befähigen, an dieser Wertschöpfung teilzuhaben. Das sorgt für Beschäftigung und Wohlstand in Deutschland und Europa. Ich zweifle nicht an der Realisierbarkeit der Ausbauziele, wenn die Rahmenbedingungen stimmen.
Neuer Haushaltstitel sichert gesetzliche Ausbauziele
Der BWO hat sich für die Verwendung der Einnahmen aus den Offshore-Ausschreibungen zur Flankierung des Ausbaus der Windenergie auf See ausgesprochen. Die jetzt eingeführte Transformationskomponente ist dafür der erste Schritt. Jetzt gilt es, dafür einen eigenen Haushaltstitel zu schaffen und nach Wegen zu suchen, die Gelder dahin zu lenken, wo sie benötigt werden. Auch dann, wenn vielleicht ein anderes Ministerium, eine andere Partei oder ein (anderes) Bundesland davon profitiert. Energiewende schaffen wir nur gemeinsam!
Stefan Thimm ist seit 2020 Geschäftsführer des Bundesverbands Windenergie Offshore (BWO). Der Politikwissenschaftler ist seit rund 20 Jahren in der Energiewirtschaft tätig.