Der Wissenschaftliche Dienst des EU-Parlaments hat sich im Auftrag des Industrieausschusses (ITRE) mit den Investitionen in den europäischen Energiesektor befasst. Das Ergebnis: Mit Blick auf die Energie- und Klimaziele für 2020 sind die Mitgliedsstaaten auf einem guten Weg. Sollen aber auch die Ziele für 2030 und 2050 erreicht werden, müssen die Investitionen in Erzeugung, Stromnetze und Flexibilität gesteigert werden. Notwendig seien jährliche Investitionen von 95 bis 145 Mrd. Euro.
Die EU will ihre Treibhausgasemissionen bis 2030 um 40 Prozent und bis 2050 um 80 bis 95 Prozent reduzieren. Gleichzeitig soll der Anteil erneuerbarer Energien am Gesamtenergieverbrauch auf 27 Prozent in 2030 und 55 Prozent in 2050 gesteigert werden.
Wettbewerbsfähigkeit und Versorgungssicherheit vernachlässigt
Auf Basis einer Analyse der zentralen Treiber und Hindernisse für Investitionen sowie der derzeitigen Regulierungs- und Förderlandschaft identifiziert die Studie des Wissenschaftlichen Dienstes zwölf mögliche Ansatzpunkte, die dabei helfen könnten, das Investitionsniveau zu steigern und die gesteckten energie- und klimapolitischen Ziele zu erreichen. Diese werden außerdem hinsichtlich ihrer Effektivität Investitionen anreizen zu können, ihrer Umsetzbarkeit, ihrer Verhältnismäßigkeit und ihres Beitrags zum energiepolitischen Zieldreieck (Wettbewerbsfähigkeit, Nachhaltigkeit, Versorgungssicherheit) bewertet. Aktuell, heißt es in die Studie, scheinen die Auswirkungen vieler politischer Maßnahmen auf die Wettbewerbsfähigkeit und Versorgungssicherheit gegenüber der Nachhaltigkeit eher vernachlässigt zu werden.
Empfehlungen zur Steigerung der Investitionstätigkeit
Die möglichen Ansatzpunkte werden in der Studie in vier Kategorien zusammengefasst. Die erste Kategorie umfasst Maßnahmen zur Stärkung des Elektrizitätsmarktes und des Emissionshandelssystems. Die Zweite Kategorie umfasst Maßnahmen, die eingesetzt werden sollen, wenn Marktpreissignale nicht ausreichen, um Investitionen beispielsweise in benötigte konventionelle Kraftwerkskapazität auszulösen. Kategorie drei zielt auf Investitionen in Netze und Flexibilitätsoptionen wie Speicher und Laststeuerung. Kategorie vier umfasst die Verbesserung des Finanzierungsrahmens für Forschungs- und Entwicklungsprojekte sowie des Zugangs zu öffentlichen und privaten Finanzmitteln.
Stärkere Preissignale
Die marktbezogenen Maßnahmen der ersten Kategorie schneiden im Rahmen der Bewertung am besten ab. Vor diesem Hintergrund empfiehlt die Studie den Investoren die richtigen Preissignale zukommen zu lassen, um die Finanzierung kohlenstoffarmer Technologien anzureizen. Dazu müssten Subventionen für fossile Energieträger abgeschafft und Preisspitzen an den Strommärkten akzeptiert werden. Das Emissionshandelssystem solle wiederum über eine Anhebung des linearen Korrekturfaktors und die Löschung von überschüssigen Zertifikaten, wie vom EU-Parlament gefordert, gestärkt werden. Sollten diese Maßnahmen nicht ausreichen, um die Anreizwirkung des Emissionshandels wiederherzustellen, sei über die Einführung einer CO2-Steuer nachzudenken.
Koordinierung der Förderung
Auch bei der Förderung erneuerbarer Energien wird auf marktgetriebene Instrumente wie Ausschreibungen gesetzt. Diese sollten auf regionaler oder EU-Ebene koordiniert werden. Ausgereifte erneuerbare Technologien wie die Windenergie an Land, die Photovoltaik und die Wasserkraft sollten der Studie zufolge nach 2020 im Grundsatz keine Förderung mehr erhalten. Für den Fall das Mitgliedsstaaten die Unterstützung dieser Technologien jedoch fortsetzen wollen, wird ihnen eine ausschreibungsbasierte Förderung von Investitionen an Stelle einer Förderung des Anlagenbetriebs nahegelegt. Auf diese Weise seien Wettbewerbsverzerrungen und eine Überförderung noch am besten zu vermeiden.
Level-Playing-Field für Speicher
Investitionen in Speicher seien wiederum davon abhängig, dass diese unter gleichen Bedingungen mit anderen Flexibilitätsoptionen wie Lastmanagement und flexibler Erzeugung konkurrieren können. Dazu könne ein harmonisierter Regulierungsrahmen auf EU-Ebene beitragen. Sollten einzelne Mitgliedsstaaten die Notwendigkeit sehen Kapazitätsmechanismen für konventionelle Erzeugung aufzusetzen, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, sei Speichern auch zu diesen gleichberechtigt Zugang zu gewähren.